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Bankenverband: Griechenland gefährdet Euro-Stabilität nicht

Der Bundesverband deutscher Banken sieht die Stabilität des Euro durch die hohe Staatsverschuldung in Griechenland nicht in Gefahr. Der Geschäftsführerende Vorstand Manfred Weber hält einen Staatsbankrott Griechenlands für unwahrscheinlich.

    Christoph Heinemann: Finanzmarktaufsicht klingt nicht prickelnd, ist aber wichtig, denn es geht zum Beispiel darum, dass Ihr Geld, das Sie etwa für die Alterssicherung angelegt haben, nicht unter zusammenkrachenden Geldinstituten verschütt geht. Das ist ein Thema des Gipfels der europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel.
    Am Telefon ist Professor Manfred Weber, der Geschäftsführende Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken. Guten Morgen!

    Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Weber, ist die Stabilität des Euro bedroht?

    Weber: Nein, jedenfalls nicht durch die Vorgänge, wie wir sie jetzt in Griechenland erleben. Wir haben eine unabhängige Europäische Zentralbank, sie hat einen eindeutigen stabilitätspolitischen Auftrag und ich habe großes Zutrauen in die EZB, dass sie dieser Aufgabe auch künftig gerecht werden wird.

    Heinemann: Steht Griechenland Ihrer Einschätzung nach vor dem Staatsbankrott?

    Weber: Nein, auch diese Formulierung würde mir zu weit gehen. Griechenland hat sich selbst durch eine laxe Haushaltspolitik in eine schwierige Situation gebracht. Hier sind nun Maßnahmen erforderlich, damit das beseitigt wird. Die Staatsverschuldung, das Defizit in den öffentlichen haushalten muss in Angriff genommen werden. Das wird Zeit dauern, das wird harte Maßnahmen erfordern, aber es ist keine unlösbare Aufgabe. Es wäre natürlich sehr viel besser gewesen, man hätte von vornherein einen anderen Weg eingeschlagen, wie das auch schon anklang. Auch in der Finanzpolitik kommt es ja immer darauf an, gute Jahre möglichst zu nutzen, damit man etwas zuzusetzen hat, wenn die Zeiten wie jetzt in der Wirtschaftskrise schwieriger werden.

    Heinemann: Herr Weber, rechnen Sie damit, dass die Europäische Zentralbank griechische Staatspapiere in absehbarer Zeit nicht mehr als Sicherheit akzeptieren wird?

    Weber: Hier gibt es ja festgelegte Beschlüsse, was die Refinanzierungsmöglichkeiten angeht, mit anderen Worten, welche Papiere akzeptiert werden. Wir werden vielleicht eine Herunterstufung der Bonität dieser Papiere durch die Rating-Agenturen in der nächsten Zeit sehen, aber solange sie die Standards der Europäischen Zentralbank erfüllen – und davon gehe ich nach wie vor aus -, werden sie auch weiterhin zur Refinanzierung bei der EZB zur Verfügung stehen.

    Heinemann: Sollte die Europäische Union das griechische Drama so wie in der klassischen Tragödie im Chor kommentieren, oder als deus ex machina eingreifen?

    Weber: Nein. Ich denke, man muss das schon diskutieren. Es beschäftigt ja auch die Menschen, es beschäftigt die Medien. Von daher gibt es hier einen Bedarf, sich zu äußern, aufzuklären und vielleicht auch deutlich zu machen, wer jetzt seine Hausaufgaben zu erledigen hat. Es ist natürlich nicht schön, wenn man in einer Staatengemeinschaft – das sind wir in der Europäischen Union – und wenn man in einer noch kleineren Gruppe, die eine gemeinsame Währung hat, einen solchen Fall erleben muss. Dafür haben wir aber Vorkehrungen getroffen. Ich erinnere noch mal an den Stabilitäts- und Wachstumspakt - jetzt zeigt sich doch, wie wichtig dieser Pakt ist – und eben auch eine unabhängige Geldpolitik. Da sollte auch niemand jetzt darauf schielen, dass die EZB hier sozusagen einen anderen Kurs einschlägt. Geldpolitik kann immer nur auf die gesamte Euro-Gruppe ausgerichtet sein. Es gab ja auch zu D-Mark-Zeiten keine Geldpolitik für Schleswig-Holstein und eine andere für Bayern.

    Heinemann: Aber die EU sollte, wenn ich Sie richtig verstehe, Griechenland nicht finanziell unter die Arme greifen?

    Weber: Ich bin davon überzeugt, dass zunächst einmal Griechenland deutlich machen muss, wie es seine Probleme lösen will. Auf der anderen Seite wird es sicherlich eine Begleitung, eine Unterstützung im Falle eines Falles auch von EU-Seite geben. Das heißt aber nicht, dass man Griechenland die Lasten abnimmt. Hier gibt es eindeutige Vorkehrungen, die sogenannte Bailout-Klausel. Sonst könnte sich hier in der Tat jeder darauf verlassen, wenn es mir einmal schlecht geht, werden die anderen mir schon beistehen. Das sind nicht die Absprachen, und an Absprachen sollte man sich halten.

    Heinemann: Herr Weber, rechnen Sie damit, dass auch Spaniens Staatsanleihen in die B-Wertung abrutschen?

    Weber: Da will ich nicht drüber spekulieren. Das wird man sehen, wie die Entwicklung hier auch in anderen Ländern der EU weitergeht. Das werden die Rating-Agenturen übernehmen, die das genau zu prüfen haben. Natürlich hat sich hier und da bei dem einen oder anderen Land die Situation im Zuge der Wirtschaftskrise etwas verschlechtert. Von daher ist das ein ganz normaler Vorgang, den man auch nicht überdramatisieren sollte.

    Heinemann: Gibt es weitere gefährdete Euro-Länder?

    Weber: Auch da will ich mich nicht an Spekulationen beteiligen. Wir sehen, dass die Wirtschaftskrise andere Länder unterschiedlich getroffen hat. Das war nicht anders zu erwarten. Wir sind ja auch durchaus getroffen worden. Bei uns hat das zu tun mit unserer Exportstärke, von der wir jahrelang profitiert haben. Wenn dann die Weltwirtschaft in eine schwierige Situation kommt, wird auch ein exportstarkes Land getroffen, und trotzdem sehen wir im Falle Deutschlands, dass es hier nicht gehen kann, etwa Staatsanleihen des Bundes anders zu bewerten. Ich will damit sagen, die Situation ist sehr differenziert zu sehen. Das sollte man aber in aller Ruhe und in aller Sachlichkeit machen.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Wir sprechen mit Professor Manfred Weber, dem Geschäftsführenden Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken. – Herr Weber, die Vorstellungen der Staats- und Regierungschefs der EU für eine Aufsicht des Finanzmarktes liegen auf dem Tisch. Wir haben es eben gehört im Gespräch mit Volker Findhammer: es soll geben einen Ausschuss für Systemrisiken, drei Behörden für Banken, Versicherungen und Wertpapiere, die aber – und das ist entscheidend – nur koordinieren und nicht eingreifen können, kein direkter Zugriff. Es hagelt Kritik. Jean-Claude Trichet, der Präsident der EZB, sagt, es sei nicht unbedingt die allerbeste Lösung. Das ist diplomatisch bereinigt eine miserable Zensur. Wie fällt denn Ihr Urteil aus?

    Weber: Es ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, den wir im Übrigen seit fast zehn Jahren gefordert haben. Wir haben in Europa ja auch auf dem Gebiet des Bankwesens, der Finanzen einen Binnenmarkt geschaffen. Wir haben weitestgehend einheitliche Regeln und nun kommt es natürlich auch darauf an, diese Regeln einheitlich umzusetzen, anzuwenden, in der Tagesarbeit in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Deshalb ist es für mich ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Richtig ist aber auch, dass wir hier nicht stehen bleiben sollten, denn wenn nationale Grenzen im Bankgeschäft heute keine Rolle mehr spielen, dann hat uns doch auch die Finanzmarktkrise gelehrt, dass es Banken gibt, die grenzüberschreitend in mehreren EU-Ländern tätig sind und dass wir für diese Institute eine adäquate Aufsicht machen. Das kann dann nicht mehr nur rein national geschehen. Ich habe aber Verständnis, ein gewisses Verständnis für die Politik, dass wir hier noch nicht ganz so weit sind, wirklich eine solche europäische Institution mit solchen Befugnissen zu schaffen, denn wenn ein Haus, ein solches Haus in Schwierigkeiten kommen sollte und gestützt, aufgefangen werden müsste, jedenfalls auf zeit, dann geht es immer wieder noch um nationales Steuergeld. Wir werden also in der nächsten Zeit diskutieren müssen, wie kann das europäische Krisenmanagement im Falle eines Falles aussehen und wie sieht letztendlich eine Lastenverteilung aus. Da sind sehr komplexe, sehr schwierige Fragen, die lassen sich nicht von jetzt auf gleich lösen, aber wir dürfen sie nicht einfach von der Agenda nehmen. Ein Zwischenziel ist erreicht, darüber freue ich mich und ich freue mich insbesondere auch über das, was in Ihrem Beitrag unter dem Stichwort Makroaufsicht schon genannt wurde. Darunter ist einfach zu verstehen, dass wir uns nicht mehr nur die einzelne Bank anschauen, steht sie solide da, ist sie solvent, bereitet sie keine Probleme, sondern wir schauen uns jetzt auch das Bankensystem, die Finanzmärkte als solche an. Auch das ist eine Lehre aus der Krise. Wir müssen frühzeitig etwas gegen Blasenbildung tun, damit dann auch Ansteckungseffekte im ganzen System verhindert werden können. Dieser Rat für Systemrisiken, angehängt bei der Europäischen Zentralbank, hat vor sich eine ganz, ganz wichtige Aufgabe.

    Heinemann: Im Deutschlandfunk sprachen wir mit Professor Manfred Weber, dem Geschäftsführenden Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Weber: Danke Ihnen, Herr Heinemann.