Wenn morgen der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs in Brüssel tagt, geht es nicht nur um die Schuldenkrise in Griechenland und die neue europäische Wirtschafts- und Wachstumsagenda, die sogenannte Europa-2020-Strategie. Auf dem Verhandlungstisch liegen auch die Vorschläge zur Neuordnung des deutschen, insbesondere aber auch des europäischen Finanzmarktes.
Es ist höchste Zeit, endlich die notwendigen Lehren aus der Finanzkrise der letzten drei Jahre zu ziehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre schwarz-gelbe Koalition drängen nach dem Treffen vom vergangenen Sonntag auch bewusst zur Eile.
Der Unmut über die mit Steuergeldern geretteten Banken wächst - in Frankreich, in Großbritannien, in Deutschland allemal. Der Grund liegt auf der Hand: Die Banken verdienen über ihre Investmentbanker mittlerweile wieder mehr als gut. An den gigantischen Kosten der Krise allerdings beteiligen sie sich bis heute nicht. Professor Thomas Hartmann-Wendels, Direktor des Instituts für Bankbetriebslehre an der Universität Köln, kann den öffentlichen Ärger darüber nachvollziehen.
"Man kann grundsätzlich verstehen, dass die Regierung sagt, es kann nicht sein, dass wir dem Steuerzahler die Lasten der Finanzkrise aufbürden, während die Bankmanager schon wieder saftige Bonuszahlungen kassieren, sondern hier sind in erster Linie die Banken gefordert, dass sie auch für den Schaden, den sie angerichtet haben, geradestehen."
Sein Kollege Sebastian Fritz-Morgenthal von der Frankfurt School of Finance and Management geht mit der Politik sehr viel härter ins Gericht. Er glaubt, die Politiker hätte frühzeitiger handeln müssen.
"Es wirkt schon so wie die Generäle, die eine Strategie für den Krieg entwickeln, den sie beim letzten Mal verloren haben. So wirkt es schon. Man löst jetzt die Probleme, die man früher hätte lösen können, lösen müssen. Es gab auch Hinweise schon relativ früh, auch vor der Krise, aber es wurde nicht als ernst genug angesehen."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jedenfalls will nicht mehr länger darauf warten, bis auch der Letzte im europäischen Geleitzug auf den Wagen einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte gesprungen ist. Schäuble will nicht nur seine noch zögerlichen europäischen Kollegen vor vollendete Tatsachen stellen. Er möchte vor allem auch die Banker an die kurze Leine nehmen. Bereits im nächsten Monat wird er in Berlin ein neues Bankenrestrukturierungsgesetz präsentieren.
Es steht in Brüssel also einiges auf der Tagesordnung. Die Politik zeigt - endlich - die Folterinstrumente vor, die notwendig scheinen, um die Verwerfungen auf den Finanzmärkten einzudämmen. Doch die Schwierigkeiten liegen - wie immer - im Detail.
Folterinstrument Nummer eins ist die Bankenabgabe, die die Koalitionsspitzen am Sonntagabend im Bundeskanzleramt beschlossen haben. Laut Entwurf will die Bundesregierung alle deutschen Geldinstitute zwingen, für kommende Krisen vorzusorgen.
Das Problem: Hierzulande wären neben der Deutschen Bank vor allem Banken betroffen, die bereits ganz oder teilweise dem Staat gehören. Allen voran die Hypo Real Estate und die Commerzbank. Letztere hatte sich an der Übernahme der Dresdner Bank verschluckt und konnte nur noch durch den Einstieg des Staates gerettet werden. Es flossen Staatshilfen im Volumen von bis zu 400 Milliarden Euro - wohlgemerkt Steuergelder. Weshalb nun mit der Bankenabgabe in den kommenden Jahren ein sogenannter Stabilitätsfonds mit bis zu 50 Milliarden Euro gespeist werden soll, der im Fall einer Insolvenz zur Rettung der Bank einspringen kann. Wichtige Details wie die Höhe der Abgabe sind noch unklar.
Aber macht eine Bankenabgabe überhaupt Sinn? Thomas Hartmann-Wendels, Bankenexperte an der Uni Köln, weist auf eher generelle Schwierigkeiten hin:
"Es wird sehr schwer sein, diese Bankenabgabe auch gerecht auszugestalten, denn es sind ja nur zahlenmäßig wenige Banken gewesen, die sich an diesen riskanten Geschäften beteiligt haben und eingefahren haben. Gerade von denen wird es aber auch am schwersten sein, diese Bankenabgabe einzufordern, weil sie immer noch Verluste machen, die können die ja kaum bezahlen. Es gibt auf der anderen Seite viele Banken, die sehr vernünftig, sehr verantwortungsbewusst gehandelt haben. Und es wäre natürlich auch wieder ungerecht, diese Banken mit einer Abgabe zu belasten, also insofern hat man wieder das alte Problem, dass die Verluste dann doch verteilt werden auf eine größere Gruppe, und nur wenige haben diese Verluste verursacht."
Denn auch einige Landesbanken müssten zahlen, sowie genossenschaftliche Zentralinstitute, die bisher keine Staatshilfen in Anspruch genommen und sich auch nicht am Geschäft mit "faulen Krediten" beteiligt hatten. Deren Aufschrei ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Allen voran meldete sich Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, ablehnend zu Wort.
Die Höhe der Abgabe soll sich, so viel steht fest, an den Risiken bemessen, die eine Bank in ihrer Bilanz aufweist - abzüglich Eigenkapital und Einlagen. Als Volumen schwebt der Koalition ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor. "Diese Summe könnte ausreichen, in Krisensituationen Schieflagen aufzufangen. Der Staat bliebe aber Lender of Last Resort", heißt es dazu in einem unionsinternen Papier. Manfred Jäger, Geldmarktexperte beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft, ist trotzdem nicht vom Sinn einer Bankenabgabe überzeugt.
"Also, politisch habe ich Verständnis dafür, dass man möchte, dass sich der Bankensektor an den Kosten beteiligt. Wirtschaftlich kann ich nicht erkennen, warum das richtig sein sollte. Es belastet letztlich die Erträge. Die könnten dazu genutzt werden, um das Eigenkapital aufzubauen, was wir ja eigentlich wollen - also ist eine Abgabe eigentlich kontraproduktiv. Wenn überhaupt, dann kann ich mir vorstellen, dass man, wie jetzt bei Basel-II, risikoadäquate Anforderungen macht, sodass Banken, die auf ihrer Bilanz-, auf ihrer Aktivseite große Risiken kumuliert haben, dementsprechend auch spezielle Instrumente einsetzen müssen, um ihre Bank weniger anfällig und auch weniger anfällig für die anderen zu machen."
Dahinter verbirgt sich die Idee, nicht eine Strafsteuer für begangene Fehlentwicklungen einzuführen, sondern eine Art Lenkungsabgabe für hochriskante Geschäfte. Die soll - rein theoretisch - die Risiken verteuern und damit unattraktiv machen. Diese lenkende Bankenabgabe würde Sparkassen und Volksbanken nicht im gleichen Maß treffen, wohl aber die Spitzeninstitute der Sparkassen - die Landesbanken. Und natürlich die Investmentbanken. An einer Lenkungsabgabe sollten sich dann aber auch alle Geldinstitute beteiligen, meint etwa Sebastian Fritz-Morgenthal.
"Wenn das nicht so ist, wenn das praktisch eine Strafsteuer auf zukünftiges Geschäft ist, na ja, dann muss man sich halt fragen: Braucht man das? Jetzt könnte man aber ganz despektierlich sagen: Hat die Sektsteuer dem Sekt geschadet? Eigentlich nicht! Also: Wenn man's nehmen kann, könnte man sagen: Warum nicht! Aber es wird nicht alle unsere Probleme lösen, das sollte uns klar sein. Eine Systemkrise werden wir damit nicht abwenden können."
Eine weitere Frage drängt sich auf. Ist eine nach vorne - also auf künftige Finanzkrisen - gerichtete Bankenabgabe, die alle Geldinstitute - mit Ausnahme von Versicherungen - treffen würde, gerecht? Noch einmal Sebastian Fritz-Morgenthal:
"Als Autofahrer, wenn sie im Verkehr unterwegs sind, sind sie ein Risiko, dagegen versichern Sie sich. Sie können jeden Tag wieder einen Unfall bauen. Und ähnlich ist es bei einer Bank auch. Das heißt, eine Bank kann in Schwierigkeiten kommen, entweder wegen eigener Managementfehler oder wegen der grundsätzlichen Fehleinschätzung des Marktes, oder aber, weil sie an einem bestimmten Segment dranhängt. Mir fällt da so das schöne Beispiel aus der längeren Vergangenheit ein: Da gab es die DG Bank, die ja dann in die DGZ-Bank aufgegangen ist, und die in der Fleisch verarbeitenden Industrie stark involviert war, und dann kam die BSE-Krise und die DG-Bank war in Schwierigkeiten. Da hätte man ja natürlich sagen können - ja, man muss ja nicht alles Geld da reingeben, aber man sieht daran: Manche Krisen sind nicht vorhersagbar und schwierig steuerbar."
Im Fall der DG-Bank gab es eine Auffanglösung. Und was passiert, wenn das nicht der Fall ist?
Dann kommt Folterinstrument Nummer zwei zum Einsatz: das neue Bankeninsolvenzrecht. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bereiten es derzeit intensiv vor. Absicht der Regierung ist es, die Rechte von Banken, die in Schieflage geraten sind, erheblich einzuschränken. Im Ernstfall will der Staat also mit hoheitlichen Mitteln eingreifen können.
Das heißt: Kriseninstitute sollen zur Not auch gegen ihren Willen zerschlagen und systemrelevante Unternehmensteile auf Dritte übertragen werden können, um sie vor den Folgen einer Insolvenz der Mutterbank zu schützen. Zudem soll es ein Restrukturierungsverfahren geben, um den Widerstand privater Akteure gegen Erfolg versprechende Rettungsmaßnahmen zu unterbinden. Letzteres ist eine Lehre aus dem Streit mit dem einstigen Großaktionär Christopher Flowers, der die Pläne der Regierung zur Sanierung der maroden Hypo Real Estate lange Zeit torpediert hatte. Die Idee eines Bankeninsolvenzrechts stößt bei Thomas Hartmann-Wendels von der Universität Köln auf gewisse Sympathien:
"Wir brauchen für Banken schon gesonderte Insolvenzvorschriften. Bei einer Bank ist es ja nicht ein schleichender Prozess, der zur Insolvenz führt, sondern das ist ein ganz plötzliches Ereignis, das kaum jemand gesehen hat. Und dann ist die Gefahr groß, dass dieses Ereignis auch auf andere Banken überspringt, dass wir hier Ansteckungseffekte haben. Insofern brauchen wir gesonderte Vorschriften. Aber es wird sehr, sehr schwer sein, schon in Plänen sicherzustellen, dass eine Bank dann ordnungsgemäß abgewickelt werden kann, ohne dass es zu diesen ganzen Ansteckungseffekten kommt."
Und auch Manfred Jäger vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln stimmt einer größeren Transparenz zu. Denn für die Banken könnte es so künftig schwieriger werden, im Ausland Dependancen, Töchter und Zweigniederlassungen zu unterhalten. Aus gutem Grund: Genau in diesen Auslandskonstrukten wurden in der Vergangenheit mit Vorliebe die riskanteren Geschäfte versteckt.
"Wenn die Bank weiß, wir können leicht abgewickelt werden, oder müssen leicht abgewickelt werden können, dann wird sie im Vorhinein schon darauf achten, dass ihre Strukturen transparenter sind, dass mehr Offenheit darüber besteht, mit wem man Risiken eingegangen ist."
Ferner sollen die Banken gezwungen werden, künftig auf eine bessere Eigenkapitalausstattung zu achten. Folterinstrument Nummer drei. In Krisenzeiten hat sich nämlich herausgestellt, dass viele Banken zu wenig Eigenkapital hatten, um extreme Markteinbrüche zu verkraften. Der Baseler Ausschuss, dem Bankenaufseher aus weltweit 27 Nationen angehören, prüft gerade verschiedene Maßnahmen zur Eigenkapitalaufstockung. Doch die Banker äußern Bedenken und haben ihren Regierungen gegenüber ein starkes Argument: Eigenkapital sei teurer als Fremdkapital. Wenn Banken künftig mehr Eigenkapital vorhalten müssten, warnen die Banker, könnten sie im Zweifelsfall weniger Kredite an Unternehmen vergeben. Manfred Jäger vom Institut der deutschen Wirtschaft teilt diese Bedenken.
"Wenn wir versuchen, mit einem Instrument unser Finanzsystem stabiler zu machen, dann müssen wir dieses Instrument unglaublich stark und unglaublich intensiv wählen. Das hieße, wir brauchten unglaublich hohe Eigenkapitalanforderungen. Und das wird man nicht aushalten können; auch politisch nicht. Dann werden nämlich die Banken sagen, es kommt zu einer Kreditklemme - und das wird vielleicht sogar stimmen."
Ein Alleingang - und die deutschen beziehungsweise europäischen Geldinstitute würden ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt einbüßen. Zumal die Banken gegenüber anderen Finanzakteuren sowieso schon ins Hintertreffen geraten. Sebastian Fritz-Morgenthal von der Frankfurt School of Finance:
"Ich erreiche auch nicht viel, wenn ich Banken große Eigenkapitalpflichten auferlege - ich habe aber andere Finanzmarktakteure, die praktisch eigenkapitalfrei sind. Solange es Arbitragemöglichkeiten gibt zwischen Banken und Versicherungen, zwischen Banken und Pensionsfonds, zwischen Banken und Hedgefonds, werden diese Arbitragemöglichkeiten auch ausgenutzt. Dann kann ich die Eigenkapitalforderungen so hoch setzen, wie ich will, die Arbitragemöglichkeiten werden es bringen. Ich habe das an anderer Stelle schon einmal gesagt: Das ist so ein wenig wie mit der Prohibition in den USA. Ich erlaube offiziell nicht mehr den Verkauf von Alkohol, dann wird er eben schwarz verkauft."
Folterinstrument Nummer vier betrifft den Schattenbanksektor. Im Visier hat man vor allem Hedgefonds und Private-Equity-Firmen, die so merkwürdige Dinge treiben wie Leerverkäufe oder Spekulationen mit Kreditversicherungen gegen Länder - wie jüngst gegen Griechenland.
Thema in Brüssel werden Forderungen nach mehr Transparenz und Regulierung sein. Vor allem die Deutschen und Franzosen verlangen strengere Regeln. Geldmarktexperten wie Manfred Jäger vom Institut der deutschen Wirtschaft aber bleiben skeptisch, ob die Politik den Hebel wirklich an der richtigen Stelle ansetzt.
"Ja, kann ich nicht verstehen, warum Hedgefonds und Private Equity im Fokus sind. Sie stellen natürlich eine Risikokomponente dar. Aber sie stellen, wenn man das jetzt in der letzten Finanzkrise beleuchtet, nicht die großen Treiber der Krise dar. Das könnte bei der nächsten Krise anders sein. Die nächste Krise könnte von den Hedgefonds und Private Equite auskommen, aber die große Regulierungslücke sehe ich dort nicht. Wenn man fordert, dass mehr Transparenz herrscht, über das, was Hedgefonds und Private Equity an Risiko geschöpft haben - da habe ich durchaus Verständnis dafür. Also mehr Statistiken - als Wissenschaftler freu ich mich darüber, dann kann ich das besser analysieren."
Deutschland prescht gleich mit zwei neuen Gesetzentwürfen vor; geschrieben im Bundesfinanz- und im Bundeswirtschaftsministerium. Demnach sollen ungedeckte Leerverkäufe grundsätzlich verboten und für gedeckte Leerverkaufspositionen Transparenzvorschriften eingeführt werden. Zusätzlich will die Finanzaufsicht BaFin die Anforderungen an Transparenz und die Meldepflichten für Spekulationsgeschäfte verschärfen.
Gordon Brown wird sein Veto einlegen. Das gilt als sicher. Der britische Premierminister wird sich in Brüssel allen Versuchen widersetzen, den Finanzplatz London zu gefährden. Dort sind mehr als 60 Prozent der weltweit tätigen Hedgefonds ansässig.
Bei Leerverkäufen verkaufen Hedge-Fonds Aktien in der Hoffnung, sie später zu einem niedrigeren Kurs zurück erwerben zu können - um Gewinne einzustreichen. Doch auch bei Leerverkäufen und Währungsspekulationen rät ein Experte wie Sebastian Fritz-Morgenthal zum vorsichtigen Abwägen.
"Leerverkäufe sind praktisch ein Korrektiv des Marktes. Wenn jemand Leerverkäufe tätigt, dann tätigt er ja praktisch eine Wette, er wettet darauf, dass der Kurs sinkt und er dann - so funktioniert ja der Leerverkauf - sich günstig eindecken kann, um zu einer Position dann im Prinzip zu bedienen. Also hat er eine Meinung über den Markt. Und wenn viele eine Meinung über den Markt haben, dann könnte es ja auch sein, dass diese Meinung auch richtig ist. Also: Leerverkäufe helfen dabei, eine bestimmte Meinung zu haben, auch wenn es zu Wertminderungen kommt."
Bleibt noch das Folterinstrument Nummer fünf. Die schärfste Waffe der Politik: die Finanztransaktionssteuer. Selbst Angela Merkel hat sich für die Einführung einer solchen Abgabe ausgesprochen, die nicht nur institutionelle Anleger, sondern auch private Aktienkäufer treffen würde. Bei jeder Transaktion am Kapitalmarkt würde ein bestimmter Prozentsatz des gehandelten Wertes an den Staat gehen. Milliarden an Euros würden in die Steuerkasse sprudeln. Befürworter hoffen zudem, dass durch eine Finanztransaktionssteuer kurzfristige Spekulationen unattraktiver werden.
Der Internationale Währungsfonds prüft bereits verschiedene Modelle. Doch mit der Ankündigung der USA, eine eigene Abgabe einzuführen, ist eine weltweite Transaktionssteuer eher unwahrscheinlich geworden. Zwar plant CDU-Finanzminister Schäuble, die Steuer notfalls auf EU-Ebene durchsetzen zu wollen, sein Koalitionspartner FDP jedoch sperrt sich noch dagegen. Thomas Hartmann-Wendels von der Uni Köln nennt die Idee aus Sicht der Politik, die immer nach neuen Einnahmequellen sucht, zwar verführerisch, insgesamt aber überzogen.
"Ich halte wenig davon, dass man hier jetzt künstlich erschwerend in Börsengeschäfte eingreift. Börse ist eigentlich etwas Sinnvolles. Man kann die Risiken besser verteilen. Es kommt darauf an, das wir mehr Transparenz haben, was an den Börsen geschieht und das wir die Risiken, die die Banken dort eingehen, besser in den Griff bekommen. Aber den Handel an den Börsen zu erschweren, halte ich nicht für sinnvoll."
Drei Experten, drei Meinungen - und dazwischen die Politik, die aufs Tempo drückt. Letzteres bedeutet: Zumindest der Zeitplan steht. Nach dem morgigen EU-Gipfel werden sich in der letzten Aprilwoche die G7-/G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure in Washington treffen. Daran schließt sich das Frühjahrstreffen von IWF und Weltbank an. Im Mai beraten dann die sogenannten G20-Sherpas in Kanada, um den nächsten Weltwirtschaftsgipfel vorzubereiten. In der letzten Juniwoche treffen sich dann zuerst die G8-Staats- und Regierungschefs, um dann - gleich anschließend - die Runde auf ihre Kollegen der G20-Staaten auszuweiten.
Und immer auf der Tagesordnung: neue Regeln für die globalen Finanzmärkte. Die aber liegen - im Fall der USA - gerade auf Eis. Trotz scharfer Warnungen an die Adresse der amerikanischen Banken scheitert Präsident Barack Obama mit allem, was er in Sachen Finanzmarktregulierung plant, am Veto im Kongress. Es könnte also am Ende sogar dazu kommen, dass erstmals Europa den Ton in puncto Finanzmarktregulierung vorgibt. Mit kräftiger deutsch-französischer Begleitmusik.
Die Folterinstrumente liegen auf dem Tisch: Eine Bankenabgabe wird kommen. Nicht nur in Deutschland - sondern europaweit. Ebenso ein Bankeninsolvenzrecht mit der Möglichkeit krisengeschüttelte Banken aufzuspalten. Auf dem Schattenbanksektor dagegen wird alles davon abhängen, ob es gelingt, Großbritannien mit ins Boot zu bekommen. Die Forderung nach mehr Eigenkapital der Banken wird ein langfristiges Vorhaben der Politik bleiben. Und eine Finanzmarkttransaktionssteuer wird es nur dann geben, wenn alle maßgeblichen Länder - also die G20-Staaten mit den USA an der Spitze - sich daran beteiligen.
Manfred Jäger, der Geldmarktexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, warnt bereits vor Schnellschüssen.
"Wenn wir das Finanzsystem falsch regulieren, dann kriegen wir eine Kreditklemme, dann kommen wir aus der Krise nicht heraus, dann können wir unsere Schulden nicht zurückzahlen. Also, man muss schon richtig regulieren. Man muss es auch nicht übertreiben. Zurzeit sehen wir ja eher risikoscheue Finanzmärkte."
Doch lässt sich ein internationales Regelwerk wirklich realisieren? Skeptiker sagen Nein und verweisen auf das bis heute vergebliche Bemühen um international einheitliche Bilanzrichtlinien. Nach drei Jahrzehnten ist es nämlich nicht gelungen, gemeinsame Standards zu kreieren, die für Deutschland, die USA und Großbritannien gleichermaßen gelten.
Es ist höchste Zeit, endlich die notwendigen Lehren aus der Finanzkrise der letzten drei Jahre zu ziehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre schwarz-gelbe Koalition drängen nach dem Treffen vom vergangenen Sonntag auch bewusst zur Eile.
Der Unmut über die mit Steuergeldern geretteten Banken wächst - in Frankreich, in Großbritannien, in Deutschland allemal. Der Grund liegt auf der Hand: Die Banken verdienen über ihre Investmentbanker mittlerweile wieder mehr als gut. An den gigantischen Kosten der Krise allerdings beteiligen sie sich bis heute nicht. Professor Thomas Hartmann-Wendels, Direktor des Instituts für Bankbetriebslehre an der Universität Köln, kann den öffentlichen Ärger darüber nachvollziehen.
"Man kann grundsätzlich verstehen, dass die Regierung sagt, es kann nicht sein, dass wir dem Steuerzahler die Lasten der Finanzkrise aufbürden, während die Bankmanager schon wieder saftige Bonuszahlungen kassieren, sondern hier sind in erster Linie die Banken gefordert, dass sie auch für den Schaden, den sie angerichtet haben, geradestehen."
Sein Kollege Sebastian Fritz-Morgenthal von der Frankfurt School of Finance and Management geht mit der Politik sehr viel härter ins Gericht. Er glaubt, die Politiker hätte frühzeitiger handeln müssen.
"Es wirkt schon so wie die Generäle, die eine Strategie für den Krieg entwickeln, den sie beim letzten Mal verloren haben. So wirkt es schon. Man löst jetzt die Probleme, die man früher hätte lösen können, lösen müssen. Es gab auch Hinweise schon relativ früh, auch vor der Krise, aber es wurde nicht als ernst genug angesehen."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jedenfalls will nicht mehr länger darauf warten, bis auch der Letzte im europäischen Geleitzug auf den Wagen einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte gesprungen ist. Schäuble will nicht nur seine noch zögerlichen europäischen Kollegen vor vollendete Tatsachen stellen. Er möchte vor allem auch die Banker an die kurze Leine nehmen. Bereits im nächsten Monat wird er in Berlin ein neues Bankenrestrukturierungsgesetz präsentieren.
Es steht in Brüssel also einiges auf der Tagesordnung. Die Politik zeigt - endlich - die Folterinstrumente vor, die notwendig scheinen, um die Verwerfungen auf den Finanzmärkten einzudämmen. Doch die Schwierigkeiten liegen - wie immer - im Detail.
Folterinstrument Nummer eins ist die Bankenabgabe, die die Koalitionsspitzen am Sonntagabend im Bundeskanzleramt beschlossen haben. Laut Entwurf will die Bundesregierung alle deutschen Geldinstitute zwingen, für kommende Krisen vorzusorgen.
Das Problem: Hierzulande wären neben der Deutschen Bank vor allem Banken betroffen, die bereits ganz oder teilweise dem Staat gehören. Allen voran die Hypo Real Estate und die Commerzbank. Letztere hatte sich an der Übernahme der Dresdner Bank verschluckt und konnte nur noch durch den Einstieg des Staates gerettet werden. Es flossen Staatshilfen im Volumen von bis zu 400 Milliarden Euro - wohlgemerkt Steuergelder. Weshalb nun mit der Bankenabgabe in den kommenden Jahren ein sogenannter Stabilitätsfonds mit bis zu 50 Milliarden Euro gespeist werden soll, der im Fall einer Insolvenz zur Rettung der Bank einspringen kann. Wichtige Details wie die Höhe der Abgabe sind noch unklar.
Aber macht eine Bankenabgabe überhaupt Sinn? Thomas Hartmann-Wendels, Bankenexperte an der Uni Köln, weist auf eher generelle Schwierigkeiten hin:
"Es wird sehr schwer sein, diese Bankenabgabe auch gerecht auszugestalten, denn es sind ja nur zahlenmäßig wenige Banken gewesen, die sich an diesen riskanten Geschäften beteiligt haben und eingefahren haben. Gerade von denen wird es aber auch am schwersten sein, diese Bankenabgabe einzufordern, weil sie immer noch Verluste machen, die können die ja kaum bezahlen. Es gibt auf der anderen Seite viele Banken, die sehr vernünftig, sehr verantwortungsbewusst gehandelt haben. Und es wäre natürlich auch wieder ungerecht, diese Banken mit einer Abgabe zu belasten, also insofern hat man wieder das alte Problem, dass die Verluste dann doch verteilt werden auf eine größere Gruppe, und nur wenige haben diese Verluste verursacht."
Denn auch einige Landesbanken müssten zahlen, sowie genossenschaftliche Zentralinstitute, die bisher keine Staatshilfen in Anspruch genommen und sich auch nicht am Geschäft mit "faulen Krediten" beteiligt hatten. Deren Aufschrei ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Allen voran meldete sich Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, ablehnend zu Wort.
Die Höhe der Abgabe soll sich, so viel steht fest, an den Risiken bemessen, die eine Bank in ihrer Bilanz aufweist - abzüglich Eigenkapital und Einlagen. Als Volumen schwebt der Koalition ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor. "Diese Summe könnte ausreichen, in Krisensituationen Schieflagen aufzufangen. Der Staat bliebe aber Lender of Last Resort", heißt es dazu in einem unionsinternen Papier. Manfred Jäger, Geldmarktexperte beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft, ist trotzdem nicht vom Sinn einer Bankenabgabe überzeugt.
"Also, politisch habe ich Verständnis dafür, dass man möchte, dass sich der Bankensektor an den Kosten beteiligt. Wirtschaftlich kann ich nicht erkennen, warum das richtig sein sollte. Es belastet letztlich die Erträge. Die könnten dazu genutzt werden, um das Eigenkapital aufzubauen, was wir ja eigentlich wollen - also ist eine Abgabe eigentlich kontraproduktiv. Wenn überhaupt, dann kann ich mir vorstellen, dass man, wie jetzt bei Basel-II, risikoadäquate Anforderungen macht, sodass Banken, die auf ihrer Bilanz-, auf ihrer Aktivseite große Risiken kumuliert haben, dementsprechend auch spezielle Instrumente einsetzen müssen, um ihre Bank weniger anfällig und auch weniger anfällig für die anderen zu machen."
Dahinter verbirgt sich die Idee, nicht eine Strafsteuer für begangene Fehlentwicklungen einzuführen, sondern eine Art Lenkungsabgabe für hochriskante Geschäfte. Die soll - rein theoretisch - die Risiken verteuern und damit unattraktiv machen. Diese lenkende Bankenabgabe würde Sparkassen und Volksbanken nicht im gleichen Maß treffen, wohl aber die Spitzeninstitute der Sparkassen - die Landesbanken. Und natürlich die Investmentbanken. An einer Lenkungsabgabe sollten sich dann aber auch alle Geldinstitute beteiligen, meint etwa Sebastian Fritz-Morgenthal.
"Wenn das nicht so ist, wenn das praktisch eine Strafsteuer auf zukünftiges Geschäft ist, na ja, dann muss man sich halt fragen: Braucht man das? Jetzt könnte man aber ganz despektierlich sagen: Hat die Sektsteuer dem Sekt geschadet? Eigentlich nicht! Also: Wenn man's nehmen kann, könnte man sagen: Warum nicht! Aber es wird nicht alle unsere Probleme lösen, das sollte uns klar sein. Eine Systemkrise werden wir damit nicht abwenden können."
Eine weitere Frage drängt sich auf. Ist eine nach vorne - also auf künftige Finanzkrisen - gerichtete Bankenabgabe, die alle Geldinstitute - mit Ausnahme von Versicherungen - treffen würde, gerecht? Noch einmal Sebastian Fritz-Morgenthal:
"Als Autofahrer, wenn sie im Verkehr unterwegs sind, sind sie ein Risiko, dagegen versichern Sie sich. Sie können jeden Tag wieder einen Unfall bauen. Und ähnlich ist es bei einer Bank auch. Das heißt, eine Bank kann in Schwierigkeiten kommen, entweder wegen eigener Managementfehler oder wegen der grundsätzlichen Fehleinschätzung des Marktes, oder aber, weil sie an einem bestimmten Segment dranhängt. Mir fällt da so das schöne Beispiel aus der längeren Vergangenheit ein: Da gab es die DG Bank, die ja dann in die DGZ-Bank aufgegangen ist, und die in der Fleisch verarbeitenden Industrie stark involviert war, und dann kam die BSE-Krise und die DG-Bank war in Schwierigkeiten. Da hätte man ja natürlich sagen können - ja, man muss ja nicht alles Geld da reingeben, aber man sieht daran: Manche Krisen sind nicht vorhersagbar und schwierig steuerbar."
Im Fall der DG-Bank gab es eine Auffanglösung. Und was passiert, wenn das nicht der Fall ist?
Dann kommt Folterinstrument Nummer zwei zum Einsatz: das neue Bankeninsolvenzrecht. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bereiten es derzeit intensiv vor. Absicht der Regierung ist es, die Rechte von Banken, die in Schieflage geraten sind, erheblich einzuschränken. Im Ernstfall will der Staat also mit hoheitlichen Mitteln eingreifen können.
Das heißt: Kriseninstitute sollen zur Not auch gegen ihren Willen zerschlagen und systemrelevante Unternehmensteile auf Dritte übertragen werden können, um sie vor den Folgen einer Insolvenz der Mutterbank zu schützen. Zudem soll es ein Restrukturierungsverfahren geben, um den Widerstand privater Akteure gegen Erfolg versprechende Rettungsmaßnahmen zu unterbinden. Letzteres ist eine Lehre aus dem Streit mit dem einstigen Großaktionär Christopher Flowers, der die Pläne der Regierung zur Sanierung der maroden Hypo Real Estate lange Zeit torpediert hatte. Die Idee eines Bankeninsolvenzrechts stößt bei Thomas Hartmann-Wendels von der Universität Köln auf gewisse Sympathien:
"Wir brauchen für Banken schon gesonderte Insolvenzvorschriften. Bei einer Bank ist es ja nicht ein schleichender Prozess, der zur Insolvenz führt, sondern das ist ein ganz plötzliches Ereignis, das kaum jemand gesehen hat. Und dann ist die Gefahr groß, dass dieses Ereignis auch auf andere Banken überspringt, dass wir hier Ansteckungseffekte haben. Insofern brauchen wir gesonderte Vorschriften. Aber es wird sehr, sehr schwer sein, schon in Plänen sicherzustellen, dass eine Bank dann ordnungsgemäß abgewickelt werden kann, ohne dass es zu diesen ganzen Ansteckungseffekten kommt."
Und auch Manfred Jäger vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln stimmt einer größeren Transparenz zu. Denn für die Banken könnte es so künftig schwieriger werden, im Ausland Dependancen, Töchter und Zweigniederlassungen zu unterhalten. Aus gutem Grund: Genau in diesen Auslandskonstrukten wurden in der Vergangenheit mit Vorliebe die riskanteren Geschäfte versteckt.
"Wenn die Bank weiß, wir können leicht abgewickelt werden, oder müssen leicht abgewickelt werden können, dann wird sie im Vorhinein schon darauf achten, dass ihre Strukturen transparenter sind, dass mehr Offenheit darüber besteht, mit wem man Risiken eingegangen ist."
Ferner sollen die Banken gezwungen werden, künftig auf eine bessere Eigenkapitalausstattung zu achten. Folterinstrument Nummer drei. In Krisenzeiten hat sich nämlich herausgestellt, dass viele Banken zu wenig Eigenkapital hatten, um extreme Markteinbrüche zu verkraften. Der Baseler Ausschuss, dem Bankenaufseher aus weltweit 27 Nationen angehören, prüft gerade verschiedene Maßnahmen zur Eigenkapitalaufstockung. Doch die Banker äußern Bedenken und haben ihren Regierungen gegenüber ein starkes Argument: Eigenkapital sei teurer als Fremdkapital. Wenn Banken künftig mehr Eigenkapital vorhalten müssten, warnen die Banker, könnten sie im Zweifelsfall weniger Kredite an Unternehmen vergeben. Manfred Jäger vom Institut der deutschen Wirtschaft teilt diese Bedenken.
"Wenn wir versuchen, mit einem Instrument unser Finanzsystem stabiler zu machen, dann müssen wir dieses Instrument unglaublich stark und unglaublich intensiv wählen. Das hieße, wir brauchten unglaublich hohe Eigenkapitalanforderungen. Und das wird man nicht aushalten können; auch politisch nicht. Dann werden nämlich die Banken sagen, es kommt zu einer Kreditklemme - und das wird vielleicht sogar stimmen."
Ein Alleingang - und die deutschen beziehungsweise europäischen Geldinstitute würden ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt einbüßen. Zumal die Banken gegenüber anderen Finanzakteuren sowieso schon ins Hintertreffen geraten. Sebastian Fritz-Morgenthal von der Frankfurt School of Finance:
"Ich erreiche auch nicht viel, wenn ich Banken große Eigenkapitalpflichten auferlege - ich habe aber andere Finanzmarktakteure, die praktisch eigenkapitalfrei sind. Solange es Arbitragemöglichkeiten gibt zwischen Banken und Versicherungen, zwischen Banken und Pensionsfonds, zwischen Banken und Hedgefonds, werden diese Arbitragemöglichkeiten auch ausgenutzt. Dann kann ich die Eigenkapitalforderungen so hoch setzen, wie ich will, die Arbitragemöglichkeiten werden es bringen. Ich habe das an anderer Stelle schon einmal gesagt: Das ist so ein wenig wie mit der Prohibition in den USA. Ich erlaube offiziell nicht mehr den Verkauf von Alkohol, dann wird er eben schwarz verkauft."
Folterinstrument Nummer vier betrifft den Schattenbanksektor. Im Visier hat man vor allem Hedgefonds und Private-Equity-Firmen, die so merkwürdige Dinge treiben wie Leerverkäufe oder Spekulationen mit Kreditversicherungen gegen Länder - wie jüngst gegen Griechenland.
Thema in Brüssel werden Forderungen nach mehr Transparenz und Regulierung sein. Vor allem die Deutschen und Franzosen verlangen strengere Regeln. Geldmarktexperten wie Manfred Jäger vom Institut der deutschen Wirtschaft aber bleiben skeptisch, ob die Politik den Hebel wirklich an der richtigen Stelle ansetzt.
"Ja, kann ich nicht verstehen, warum Hedgefonds und Private Equity im Fokus sind. Sie stellen natürlich eine Risikokomponente dar. Aber sie stellen, wenn man das jetzt in der letzten Finanzkrise beleuchtet, nicht die großen Treiber der Krise dar. Das könnte bei der nächsten Krise anders sein. Die nächste Krise könnte von den Hedgefonds und Private Equite auskommen, aber die große Regulierungslücke sehe ich dort nicht. Wenn man fordert, dass mehr Transparenz herrscht, über das, was Hedgefonds und Private Equity an Risiko geschöpft haben - da habe ich durchaus Verständnis dafür. Also mehr Statistiken - als Wissenschaftler freu ich mich darüber, dann kann ich das besser analysieren."
Deutschland prescht gleich mit zwei neuen Gesetzentwürfen vor; geschrieben im Bundesfinanz- und im Bundeswirtschaftsministerium. Demnach sollen ungedeckte Leerverkäufe grundsätzlich verboten und für gedeckte Leerverkaufspositionen Transparenzvorschriften eingeführt werden. Zusätzlich will die Finanzaufsicht BaFin die Anforderungen an Transparenz und die Meldepflichten für Spekulationsgeschäfte verschärfen.
Gordon Brown wird sein Veto einlegen. Das gilt als sicher. Der britische Premierminister wird sich in Brüssel allen Versuchen widersetzen, den Finanzplatz London zu gefährden. Dort sind mehr als 60 Prozent der weltweit tätigen Hedgefonds ansässig.
Bei Leerverkäufen verkaufen Hedge-Fonds Aktien in der Hoffnung, sie später zu einem niedrigeren Kurs zurück erwerben zu können - um Gewinne einzustreichen. Doch auch bei Leerverkäufen und Währungsspekulationen rät ein Experte wie Sebastian Fritz-Morgenthal zum vorsichtigen Abwägen.
"Leerverkäufe sind praktisch ein Korrektiv des Marktes. Wenn jemand Leerverkäufe tätigt, dann tätigt er ja praktisch eine Wette, er wettet darauf, dass der Kurs sinkt und er dann - so funktioniert ja der Leerverkauf - sich günstig eindecken kann, um zu einer Position dann im Prinzip zu bedienen. Also hat er eine Meinung über den Markt. Und wenn viele eine Meinung über den Markt haben, dann könnte es ja auch sein, dass diese Meinung auch richtig ist. Also: Leerverkäufe helfen dabei, eine bestimmte Meinung zu haben, auch wenn es zu Wertminderungen kommt."
Bleibt noch das Folterinstrument Nummer fünf. Die schärfste Waffe der Politik: die Finanztransaktionssteuer. Selbst Angela Merkel hat sich für die Einführung einer solchen Abgabe ausgesprochen, die nicht nur institutionelle Anleger, sondern auch private Aktienkäufer treffen würde. Bei jeder Transaktion am Kapitalmarkt würde ein bestimmter Prozentsatz des gehandelten Wertes an den Staat gehen. Milliarden an Euros würden in die Steuerkasse sprudeln. Befürworter hoffen zudem, dass durch eine Finanztransaktionssteuer kurzfristige Spekulationen unattraktiver werden.
Der Internationale Währungsfonds prüft bereits verschiedene Modelle. Doch mit der Ankündigung der USA, eine eigene Abgabe einzuführen, ist eine weltweite Transaktionssteuer eher unwahrscheinlich geworden. Zwar plant CDU-Finanzminister Schäuble, die Steuer notfalls auf EU-Ebene durchsetzen zu wollen, sein Koalitionspartner FDP jedoch sperrt sich noch dagegen. Thomas Hartmann-Wendels von der Uni Köln nennt die Idee aus Sicht der Politik, die immer nach neuen Einnahmequellen sucht, zwar verführerisch, insgesamt aber überzogen.
"Ich halte wenig davon, dass man hier jetzt künstlich erschwerend in Börsengeschäfte eingreift. Börse ist eigentlich etwas Sinnvolles. Man kann die Risiken besser verteilen. Es kommt darauf an, das wir mehr Transparenz haben, was an den Börsen geschieht und das wir die Risiken, die die Banken dort eingehen, besser in den Griff bekommen. Aber den Handel an den Börsen zu erschweren, halte ich nicht für sinnvoll."
Drei Experten, drei Meinungen - und dazwischen die Politik, die aufs Tempo drückt. Letzteres bedeutet: Zumindest der Zeitplan steht. Nach dem morgigen EU-Gipfel werden sich in der letzten Aprilwoche die G7-/G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure in Washington treffen. Daran schließt sich das Frühjahrstreffen von IWF und Weltbank an. Im Mai beraten dann die sogenannten G20-Sherpas in Kanada, um den nächsten Weltwirtschaftsgipfel vorzubereiten. In der letzten Juniwoche treffen sich dann zuerst die G8-Staats- und Regierungschefs, um dann - gleich anschließend - die Runde auf ihre Kollegen der G20-Staaten auszuweiten.
Und immer auf der Tagesordnung: neue Regeln für die globalen Finanzmärkte. Die aber liegen - im Fall der USA - gerade auf Eis. Trotz scharfer Warnungen an die Adresse der amerikanischen Banken scheitert Präsident Barack Obama mit allem, was er in Sachen Finanzmarktregulierung plant, am Veto im Kongress. Es könnte also am Ende sogar dazu kommen, dass erstmals Europa den Ton in puncto Finanzmarktregulierung vorgibt. Mit kräftiger deutsch-französischer Begleitmusik.
Die Folterinstrumente liegen auf dem Tisch: Eine Bankenabgabe wird kommen. Nicht nur in Deutschland - sondern europaweit. Ebenso ein Bankeninsolvenzrecht mit der Möglichkeit krisengeschüttelte Banken aufzuspalten. Auf dem Schattenbanksektor dagegen wird alles davon abhängen, ob es gelingt, Großbritannien mit ins Boot zu bekommen. Die Forderung nach mehr Eigenkapital der Banken wird ein langfristiges Vorhaben der Politik bleiben. Und eine Finanzmarkttransaktionssteuer wird es nur dann geben, wenn alle maßgeblichen Länder - also die G20-Staaten mit den USA an der Spitze - sich daran beteiligen.
Manfred Jäger, der Geldmarktexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, warnt bereits vor Schnellschüssen.
"Wenn wir das Finanzsystem falsch regulieren, dann kriegen wir eine Kreditklemme, dann kommen wir aus der Krise nicht heraus, dann können wir unsere Schulden nicht zurückzahlen. Also, man muss schon richtig regulieren. Man muss es auch nicht übertreiben. Zurzeit sehen wir ja eher risikoscheue Finanzmärkte."
Doch lässt sich ein internationales Regelwerk wirklich realisieren? Skeptiker sagen Nein und verweisen auf das bis heute vergebliche Bemühen um international einheitliche Bilanzrichtlinien. Nach drei Jahrzehnten ist es nämlich nicht gelungen, gemeinsame Standards zu kreieren, die für Deutschland, die USA und Großbritannien gleichermaßen gelten.