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Bankkunden retten und nicht Institutionen

Zypern habe sich selbst "zu einer riesigen Bank gemacht" und hohe Risiken angehäuft, sagt Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums München. Er fordert ein Überdenken der Euro-Rettungspolitik: "Wir brauchen einen atmenden Euro, wo Länder wie Zypern dann auch mal rausfliegen."

Wolfgang Gerke im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Zehn Milliarden Euro, das ist der Kredit der Europäer, der Zypern vor dem Bankrott retten soll. Eigentlich sind zehn Milliarden Euro kein so gigantischer Betrag, andere Länder wurden da mit weit höheren Beiträgen bedacht. Das liegt aber natürlich daran, dass Zypern ein kleines Land ist mit nur etwa 860.000 Einwohnern. Die Zypernrettung ist aus ganz anderen Gründen so wichtig: Erstmals werden Sparguthaben angetastet und erstmals wird auch eine ganze Bank innerhalb der Eurorettung geschlossen. Es war und ist für viele Zyprer eine Frage von Ehre und Würde. Vor einer Woche stimmte deswegen kein einziger Abgeordneter im Parlament dafür, eine Abgabe auf Sparguthaben zu erheben. Genau das hatte ja ihr Staatspräsident mit Brüssel vereinbart. Jetzt ist also der Plan entscheidend korrigiert worden: Nur Sparvermögen oberhalb von 100.000 Euro werden belastet. Die Kleinsparer sollen also verschont werden. Den Zorn der Zyprer dämpft das jedoch nicht. Es wird weiter gegen den Kompromiss getrommelt.

    Am Telefon hat mitgehört Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanzzentrum. Das ist eine kleine Denkfabrik in München, die unter anderem für Banken Gutachten und Studien erstellt. Guten Tag!

    Wolfgang Gerke: Ich grüße Sie, Herr Meurer.

    Meurer: Noch nie wurde eine Bank dichtgemacht als Teil einer Euro-Rettungsaktion. Noch nie hat es eine Abgabe für Sparer gegeben. Wie gut finden Sie eigentlich die Einigung von heute Nacht in Brüssel in Sachen Zypern?

    Gerke: Dass es das noch nie gegeben hat, das ist ein Riesenfehler. Man darf natürlich nicht an die Kleinsparer rangehen, und das war der nächste Riesenfehler, den man gemacht hat. Unverzeihlich, das weckt Unruhen in ganz Europa. Das heißt aber, dass man sehr wohl wild spekulierende Banken, dass man sehr wohl Investoren, die ihre Steuern nicht bezahlen oder in Steueroasen hineingehen, wo nur zehn Prozent Unternehmenssteuern sind, dass man Geldwäsche nicht decken darf, nicht indirekt begünstigen darf. Also es ist das richtige Signal, dass man Banken auch abwickelt. Man muss die Bankkunden retten und all diejenigen, die das Vertrauen verdienen, und nicht die Institutionen.

    Meurer: Wie sehr unterscheidet sich der Vorschlag jetzt von dem ersten Vorschlag, der die Kleinsparer beinhaltete? Was bedeutet es, dass Sparer, die über 100.000 Euro auf dem Konto haben, jetzt doch einen nennenswerten Teil ihres Geldes verlieren?

    Gerke: Man muss einfach sehen, dass in Zypern vieles im Argen lag. Zypern hat sich selber aus eigenen Stücken zu einer riesigen Bank gemacht, hatte damit die entsprechenden Risiken sich aufgehäuft. Die Banken haben Geld gegeben zu Konditionen, dass es attraktiv war, die Gelder nach Zypern zu bringen. Und während die Sparer in Zypern jeden Tag reicher geworden sind, sind dafür deutsche Sparer jeden Tag ärmer geworden, weil sie kriegen so mickrige Zinsen, dass sie damit nicht einmal die Inflationsrate schlagen. Eine Entwicklung, die so unakzeptabel ist. Und das Schlimme, was sich hier zeigt, ist dass die Politik immer wieder ihre Verantwortung der EZB übertragen hat, der Europäischen Zentralbank, deren Aufgabe es nicht ist, Fiskalpolitik zu betreiben, sondern Geldpolitik zu betreiben. Im Fall Zypern hat die EZB 9,5 Milliarden Liquiditätskredite gegeben und da wollte die EZB jetzt nicht drauf sitzen bleiben, und deshalb ist sie so hart gewesen. Das heißt also, wir müssen über die Euro-Rettungspolitik nachdenken. Und das heißt für mich auch: Wir brauchen einen atmenden Euro, wo Länder wie Zypern dann auch mal rausfliegen.

    Meurer: Aber könnten Sie sich so eine Maßnahme oder zwei Maßnahmen, Bankenschließung und Abgabe über 100.000 Euro, könnten Sie sich das vorstellen beispielsweise gegenüber Spanien? Werden die Zyprer da nicht besonders hart rangenommen, weil sie eben nur ein kleines Land sind?

    Gerke: Sicherlich ist in Zypern ganz besonders übertrieben worden. Aber man hat den Fehler schon in Griechenland gemacht: Man hätte in Griechenland sofort eine Devisenbewirtschaftung machen müssen, hätte sofort die Gelder einfrieren müssen. Stattdessen hat man Steuerflüchtlingen die Möglichkeit gegeben, über 200 Milliarden mal eben in die Schweiz zu tragen und nach London. Dann hätte man dem Land eine neue Währung geben müssen. Bei Zypern hat man sich ein bisschen in die Richtung getraut. Es war ein Fehler zu sagen, Zypern ist systemisch, das ist es auf keinen Fall. Aber zu Ihrer Frage: Spanien ist systemisch.

    Meurer: Da traut man sich das dann nicht!

    Gerke: Und da hat man natürlich dann nicht den Mut dazu und man ist dort auch schon zu weit gegangen, um diesen Schritt jetzt zu vollziehen. Man hätte ihn dann gleich vollziehen müssen.

    Meurer: Sie sagen, die Kleinsparer, das war eine unverzeihliche Aktion gewesen, sozusagen die Kleinsparer europaweit in Angst und Schrecken zu versetzen. Was ist denn die Konsequenz jetzt für andere Leute, die eben über 100.000 Euro in Europa angelegt haben?

    Gerke: Die haben, was Zypern betrifft, eine sehr gute Rendite erzielt, zum Teil ihre Gelder reingewaschen. Die haben von daher, wenn man in die Vergangenheit hineinschaut, vielleicht gar nicht mal so ein schlechtes Geschäft gemacht. Aber sie werden versuchen, ihr Geld rauszuziehen, andere - möglicherweise - Inseln, die ähnliche Konditionen bieten, anzusteuern. Es ist wichtig, dass wir weltweit zeigen, dass diese Geschäftsmodelle nicht tragfähig sind, und da sind wir leider noch nicht weit genug. Wir müssen insbesondere die Steuerflüchtlinge dieser Welt weltweit verfolgen und nicht nur in jedem einzelnen Land. Da ist gewaltiger Nachholbedarf, wenn man schon so internationale Konferenzen macht, auch in dem Stück einen Schritt weiterzukommen.

    Meurer: Ziehen die Steuerflüchtlinge, Herr Gerke, jetzt einfach weiter auf die Cayman-Inseln oder sonst wo hin?

    Gerke: So ist es. Wenn man sie daran nicht hindern kann, ziehen sie weiter. Geld ist sehr schnell hingewandert und abgewandert. Wir haben aber auch noch eine Botschaft, und da wird auch mancher Deutsche drüber nachdenken: Die Versprechen der Politik sind schnell Versprechen von gestern, die man mit einer neuen Mehrheit im Parlament aufheben kann. Wir haben in Deutschland zum Glück andere ökonomische Verhältnisse als in Zypern. Es muss sich keiner Sorgen um seine Spareinlagen machen. Aber er muss schon im Hinterkopf haben, dass es die juristische Sicherheit nicht gibt, dass er unbelastet bleibt.

    Meurer: Also Geld ab 100.000 Euro ist in Deutschland nicht mehr sicher?

    Gerke: Das habe ich nicht gesagt, ganz im Gegenteil. Ich habe gesagt, dass in Deutschland das Geld sicher ist. Deshalb tragen andere das Geld nach Deutschland. Aber die juristische Sicherheit, die gibt es auf keiner Anlagemöglichkeit, nicht auf Immobilien und auch nicht auf Gold. Auch da kann man Steuern drauf erheben.

    Meurer: Es gibt Hinweise darauf, dass letzte Woche trotz Kapitalsperre doch erhebliche Gelder aus Zypern noch abgeflossen sind aufgrund von Ausnahmeregelungen. Wie läuft so was ab?

    Gerke: Da muss man auch mal genau hinschauen, ob die Regierung da nicht an einigen Stellen alle Augen zugedrückt hat. Ob sie vielleicht auch ausländische Politiker hier begünstigt hat. Das ist jetzt eine ganz wilde Spekulation, für die ich null Anhaltspunkte habe. Sicherlich macht es Sinn, humanitäre Projekte weiter zu finanzieren. Aber es ist durchaus auch denkbar, dass hier mit zweierlei Maß die Devisenkontrollen durchgeführt wurden. Und das ist nicht akzeptabel.

    Meurer: Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanzzentrum, zur Rettungsaktion für Zypern. Herr Gerke, schönen Dank und auf Wiederhören.

    Gerke: Auf Wiederhören!


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