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Barbro Lindgren
Eingetaucht in die Welt der Kinder

Die schwedische Autorin Barbro Lindgren wurde auf der Kinderbuchmesse in Bologna mit dem diesjährigen Astrid-Lindgren-Preis ausgezeichnet. Für ihre deutsche Verlegerin Silke Weitendorf wird damit die besondere Fähigkeit der Autorin gewürdigt, sich sprachlich nuanciert in die Gefühlswelt der Kinder hineinzuversetzen.

Silke Weitendorf im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Porträt der schwedischen Autorin Barbro Lindgren
    Die schwedische Autorin Barbro Lindgren (dpa / Dan Hansson / Svd / Tt)
    Christoph Schmitz: Der Astrid-Lindgren-Preis 2014 geht an die schwedische Kinderbuchautorin Barbro Lindgren. Das teilte die Jury heute in Stockholm mit. Die mit fünf Millionen schwedischen Kronen (rund 600.000 Euro) dotierte Auszeichnung ehrt Autoren und Illustratoren von Kinder- und Jugendliteratur in Erinnerung an die berühmte schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren. 238 Kandidaten aus 68 Ländern waren in diesem Jahr für den prestigeträchtigen Preis nominiert.
    Die Siegerin also: Barbro Lindgren, 1937 geborgen, Autorin der "Max"-Reihe etwa, von Romanen wie "Ole, Pelle und Brötchen", "Aber Benny" oder "Gut gemacht". In Bologna auf der Kinderbuchmesse befindet sich gerade in diesen Tagen ihre Verlegerin der deutschen Ausgabe der Bücher. Mit ihr, Silke Weitendorf, habe ich gesprochen, und zwar über die Vorgeschichte, denn schon in den 60er-Jahren hatte Oetinger die Bücher von Barbro Lindgren veröffentlicht, die auch Kontakt mit der Namensgeberin des Preises hatte, oder?
    Silke Weitendorf: Richtig. Barbro Lindgren hat ihr erstes Manuskript an denselben Verlag geschickt, in dem Astrid Lindgren Lektorin und Verlagsleiterin war und die ihre Bücher auch dort selbst herausgegeben hat, oder die dort erschienen sind. Und Astrid Lindgren hat sofort erkannt, dass in diesem Manuskript ganz viel steckt, und hat sich Barbro Lindgren angenommen und hat ihr einen Brief geschrieben, der sehr auf das Manuskript einging, und hat in diesem Brief ganz wunderbar eine Kritik zwar verfasst, aber andererseits ihr sehr viele Hinweise gegeben, wie sie das Manuskript noch mal verändern könnte. Das hat Barbro Lindgren alles beherzigt, sodass Astrid Lindgren sehr froh war und das Manuskript dann in ihr Programm aufgenommen hat. So ist das am Anfang gewesen und wir hatten zu der damaligen Zeit ja schon einen wunderbaren Kontakt zu Astrid Lindgren, die uns dann auch wiederum diese neue Autorin empfohlen hat. Dann haben wir das Manuskript geprüft und haben das dann auch gleich herausgegeben.
    Schmitz: Welcher Text war das? Sagen Sie das noch?
    Weitendorf: Bei uns hieß das "Pelle und Brötchen". Im Original hieß es "Matthias Sommer".
    Schmitz: Und was war das besondere an diesem Text, an diesem ersten Text?
    Weitendorf: Soweit ich das richtig erinnere, es war ein sehr realistischer Text, aber er war schon sehr einfühlsam geschrieben. Und das, was später auch immer in den Texten von Barbro Lindgren durchschimmerte: Sie hat eine fantastische Möglichkeit, sich in die Kinder hineinzuversetzen, und hat wirklich kleinste Nuancen der Gefühlswelt ganz wunderbar beschrieben, und das war hier auch der Fall.
    Der kleine Held Max
    Schmitz: Die Reihe für kleine Kinder um den Helden Max sind auch sehr berühmt geworden. Was zeichnet diese Bücher aus mit den sehr spartanischen Texten?
    Weitendorf: Sie hat dort im Grunde, kann man sagen, vielleicht eine Imitation der Kindersprache vorgenommen, oder man kann es vielleicht auch als Kunstsprache bezeichnen: ganz verknappte, unvollständige Sätze, aber ähnlich wie ein Kind halt spricht. Und das sollte auch in den Übersetzungen unbedingt so beibehalten werden, dafür hat sie schon gekämpft. Das besondere ist allerdings hier, das muss man schon zugeben, die Illustration von Eva Erikson, die wunderbar das Thema aufnimmt. Grund genial ist diese Wirkung der beiden in der Gemeinsamkeit, Text und Illustration.
    Schmitz: Frau Weitendorf, Sie sind auf der Kinderbuchmesse in Bologna, dem größten Branchentreffen der Kinder- und Jugendbuchverlage weltweit. Dort wurde auch der Preis gleich bekannt gegeben. Wie wurde er aufgenommen, mit Unverständnis, oder mit großem Beifall?
    Weitendorf: Dazu muss ich sagen, dass natürlich die Fraktion der Skandinavier, vor allem der Schweden begeistert war und ich mich ein bisschen mit dazu zählte, weil ich eigentlich dann auch gleich den Schweden mit um den Hals fiel, natürlich wissend, dass wir die Autorin auch herausgegeben haben. Wir sind sowieso sehr schwedenorientiert und für mich ist das eigentlich wirklich eine Bestätigung, dass wir wieder einmal eine Autorin in der Vergangenheit, in den vielen Jahrzehnten gebracht haben, die zu den Großen gehört und die man gerne auszeichnet. Barbro Lindgren hat ja auch schon verschiedene andere Preise bekommen.
    Andererseits: Zugegebenermaßen wurde ich von deutschen Journalisten befragt, warum diese Autorin denn den Preis bekommen würde, weil man sie nicht hier sehr kennt. Das liegt daran, dass Barbro Lindgren in der Vergangenheit sehr viele Bilderbuchtexte geschrieben hat, und ein Bilderbuch ist bekanntermaßen eher bekannt durch den Illustrator. Dass allerdings der Text für ein Bilderbuch auch genauso wichtig ist wie vielleicht das Bild, das kann ich immer wieder auch unterstreichen.
    Schmitz: Silke Weitendorf, Oetinger-Verlegerin, über die Astrid-Lindgren-Preisträgerin Barbro Lindgren.