Ein Café in Barcelona. Der Mittdreißiger, der da lässig an einem Tischchen sitzt, trägt ziemlich bunte Sneaker: rot-gelb-gestreift, darauf ein blaues Dreieck mit weissem Stern. Ein modischer Faux-Pas? Nein. Ein politisches Statement. Es ist das Symbol der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung und das prangt auf immer mehr Schuhen, T-Shirts, Unterhosen.
"Ich trage diese Sneaker, ich habe auch eine Uhr mit demselben Symbol - und auch T-Shirts. Für uns Katalanen ist das zu einem ganz normalen Bestandteil der Alltagskleidung geworden. Wir verkleiden uns nicht damit, das ist einfach ein Teil unseres Lebens."
Natürlich flattert auch vor der Location der Barcelona Fashion Week, einer frisch renovierten Markthalle im Barcelonas Altstadt, eine riesige Fahne. Flyer erklären den internationalen Besuchern, dass die Markthalle auch eine archäologische Ausgrabungsstätte ist, ein katalanisch-nationales Symbol, das an eine historische Niederlage gegen Spanien erinnert. Aber die Zettel landen auf dem Boden: Ganz so platt darf es dann doch nicht sein.
"Ich versuche, Politik und Mode zu trennen. Ich produziere 100 Prozent hier, ich bin sehr katalanisch, aber ich will mir keine Türen verschließen, weder in Madrid noch anderswo. Unsere Botschaft ist: Von Barcelona aus in die Welt! Und Paris, Berlin, Madrid oder Südafrika gehören auch dazu",
sagt Jungdesigner Ernest Costa. Logisch: Glamour geht nur kosmopolitisch und das Business ist ohnehin international. Das wissen große internationale Modefirmen wie Mango, Desigual und Custo ebenso wie die lokale Designerriege. Und so schrumpft das politische Bekenntnis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den sich Fashion Victims, glühende Nationalisten und internationale Gutmenschen einigen können: Null Kilometer. Lokale Produktion. Ethisch korrekt und ganz traditionell. Das ist auch die Philosophie von Miriam Ponsa.
"Ich lasse mich bei meinen Kollektionen gerne von der katalanischen Vergangenheit, von alten Berufen inspirieren: Wenn die etwas mit Natur zu tun haben - umso besser. In dieser Ideenwelt fühle ich mich heimisch, weil ich diese Welt kenne",
sagt die Urenkelin einer Textilindustriellenfamilie und schickt ihre Models in grobmaschigem Strick und handgeknüpften Pullis über den Laufsteg, ganz in Grau, Blau, Schwarz und Anthrazit.
"Ich glaube schon, dass die Nüchternheit, die meine Kollektionen kennzeichnet, etwas typisch Katalanisches ist. In Katalonien werden an vielen Orten noch alte Handwerkstechniken verwendet, und die gewinnen in meiner Arbeit immer größere Bedeutung."
Nicht nur Ponsa zeigt Selbstgestricktes: Bei Sita Murt, der Grande Dame der katalanischen Modewelt, gibt es weich fallende Angora-Woll-Kleider, bei Dauer-Geheimtipp Txell Miras futuristisch-amazonenhafte Halskrausen. Ein Zufall? Wohl kaum: Wollstrick ist schließlich das Einzige, was komplett zu Hause produziert werden kann, vom Schaf bis zum Kleiderbügel. Wer als katalanischer Kreateur etwas auf sich hält, produziert daheim. Bekennerpullis für Conaisseure.