„Hallo!“ schallte es am 25. Juli 1992 zur Eröffnung der Olympischen Sommerspiele aus dem Olympiastadion in Barcelona. Die Spiele haben Kataloniens Hauptstadt weltberühmt gemacht, nicht zuletzt dank eines katalanischen Schäferhundes mit kubistischem Einschlag, ersonnen von dem spanischen Illustrator Javier Mariscal.
Cobi, das beste aller Maskottchen, lebt am Meer in Barcelona, heißt es in diesem Musikvideo, in Anspielung auf die wohl grundlegendste Veränderung, die die Stadt durch die Spiele erfahren hat.
"Dank der Olympischen Spiele hat Barcelona – eine Stadt, die zuvor dem Meer ihren Rücken zugekehrt hatte – sich dem Meer geöffnet. Sie haben das Olympische Dorf geschaffen, Promenaden, tausende Meter neuer Strände", erzählt Emilio Fernández Peña, der Leiter des Zentrums für Olympische Studien an der Autonomen Universität Barcelona. Im Vorzimmer seines Büros steht eine gläserne Vitrine, voller Olympia-Devotionalien, darunter mehrere Cobi-Figuren, sowie eine Olympia-Fackel.
Viertel am Meer haben am meisten profitiert
Die Stadtviertel am Meer haben tatsächlich am meisten von Olympia ’92 profitiert. Wo zuvor Fisch in heruntergekommenen Industriehallen verarbeitet wurde, entstand das Olympische Dorf, außerdem ein Yachthafen für die Segelwettbewerbe. Der einstige Arbeiterbezirk Poble-Nou gefällt sich als das katalanische Brooklyn und nicht zu vergessen: die Strände.
An einem windigen Tag stemmen vorwiegend Männer an einem Freiluft-Sportgerätepark in der Nähe des Olympischen Hafens ächzend Steine, andere machen Klimmzüge oder schwingen sich an einer Hangelleiter entlang - vor den Spielen undenkbar. Emilio Fernández Peña: "Die Gegend war wirklich heruntergekommen, alte Industriehallen. Die Einwohner Barcelonas gingen nicht an den Strand. Die waren voller Steine, in einigen Bereichen gab es Barackensiedlungen. Also das war ein wirklich heruntergekommenes Gebiet, vor allem wegen des Industriegebiets."
Keine Olympia-Ruinen in Barcelona
Verlassene oder gar bröckelnde Olympia-Ruinen sucht man in Barcelona vergeblich. All die Sportstätten, die nach den Spielen geblieben sind, sind weiterhin in Betrieb. Warum das so ist, erklärt Jul Pernas von der Stiftung Olympia Barcelona: "Sie wurden damals in Viertel gebaut, wo es vorher keinerlei Sportanlagen gab. So können die Anwohner hier auch heute noch Sport treiben."
Die Stiftung verwaltet das Vermächtnis der Spiele. Sie hat ihren Sitz beim Olympia Museum auf dem Montjuïc, einem Berg im Süden Barcelonas, der 1992 zum Olympia Park wurde. Aber das Erbe der Olympischen Spiele lebt nicht nur in den Sportstätten weiter. „Die Stadt hat die Olympischen Spiele genutzt, um die Infrastruktur zu verbessern, das U-Bahn-Netz zu schaffen oder zu erweitern, die Stadt durch andere öffentliche Verkehrsmittel wie Busse zu strukturieren. Die Ronda de Dalt und die Ronda Litoral, die Hauptverkehrsringe der Stadt, sind heute, 30 Jahre nach den Spielen, unverzichtbar. Sie sind nach wie vor zwei der wichtigsten Straßen der Stadt, die das Stadtgebiet strukturieren.“
Barcelona hat vor allem für eigene Zwecke gebaut
Außerdem neue Flughafenterminals und, und, und... Barcelona hat also vor allem für seine eigenen Zwecke gebaut, weniger für die Zwecke Olympias und so waren die Spiele besonders in städtebaulicher Hinsicht ein großer Erfolg. Anti-Olympia-Proteste gab es im Vorfeld in Barcelona kaum. Spanien habe sich damals in einer besonderen Situation befunden, sagt Emilio Fernández Peña:
"Die Olympischen Spiele 92 waren der Höhepunkt der Jahre zuvor, die mit der Transformation Spaniens in eine Demokratie begonnen hatten. Die Spiele waren der Höhepunkt eines großen nationalen Paktes, eines Paktes des Zusammenlebens, der Spanien die Demokratie gebracht hatte und auch einer Art kultureller Renaissance."
Das habe sich nicht nur in Bereichen wie Kunst oder Musik gezeigt, sondern auch im Bereich der Bürgerbeteiligung. Die Spiele von Barcelona seien ein perfektes Bespiel für den ehrenamtlichen Einsatz, die Einbindung freiwilliger Helfer, gewesen. Die Sommerspiele von 1992 hätten Barcelona auf die Weltkarte der attraktiven Städte für Wirtschaft und Tourismus gesetzt. In den Jahren nach den Spielen und in den frühen 2000er Jahren habe die Zahl der Touristen in der Stadt sich verzehnfacht. In dieser Hinsicht wurde Barcelona womöglich Opfer des eigenen Erfolges.
Proteste gegen Übertourismus
Auf der Promenade und in den vielen Restaurants flaniert und speist die Welt. La Barceloneta, das alte Fischer-Viertel, ist zuweilen so überlaufen, dass es wie ein Freizeitpark für Partytouristen aus aller Welt wirkt. Zum Leidwesen der Anwohner, in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Proteste gegen den Übertourismus.
Tourimus müsse sich, wie jeder andere Wirtschaftszweig, ausgewogen entwickeln, sagt Emilio Fernández Peña von der Autonomen Universität Barcelona: "Wenn wir uns für höherwertigen Tourismus entscheiden, dann wird die Gesamtzahl der Touristen wahrscheinlich sinken, aber der Sektor wird trotzdem mehr Geld einnehmen. Dazu werden Reformen gebraucht, aber das ist wahrscheinlich ein anderes Thema als die Olympischen Spiele in Barcelona und hat auch mit anderen Entwicklungen zu tun als denen, die sich aus den Spielen ergeben haben."
Unterm Strich hatten die Spiele eine Hauptgewinnerin: Barcelona. Und wer genau hinsieht, findet vielleicht sogar Cobi, den katalanischen Schäferhund, aus der Stadt, die durch die Olympischen Spiele das Meer entdeckt hat.