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Bariumsulfat: Flüssigkorken für Tiefbohrungen

Wie wichtig es ist, Bohrlöcher in der Tiefsee schnell und dauerhaft verstopfen zu können, hat die Katastrophe der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko gezeigt. Bariumsulfat ist ein Zuschlagstoff zu Bohrspülungen, der das Ausströmen der Ölmengen hätte verhindern können, wenn er denn benutzt worden wäre. Bariumsulfat, ist ein Stoff, der in der Natur als das Mineral Schwerspat oder Baryt vorkommt, industriell aber auch durch chemische Umsetzungen erzeugt wird.

Von Volker Mrasek |
    Das Molekül dieser Woche heißt Bariumsulfat. Ein echt schwerer Brocken.

    Harms: "Hat eine Dichte von ungefähr 4,5 Gramm pro Kubikzentimeter."

    Damit übertrifft das Salz Granit fast um das Doppelte. Und ist

    Harms: "im Verhältnis zu Wasser 4,5-mal so schwer."
    Manche von uns kennen Bariumsulfat vielleicht als Füllstoff in Farben und Fotopapier. Oder als Röntgenkontrastmittel. Die größten Mengen aber verbraucht die Öl- und Gasindustrie. Sie verwendet Bariumsulfat bei ihren Tiefbohrungen. Wie wichtig das Salz dabei ist, zeigte sich im letzten Jahr.


    "Im Golf von Mexiko droht nach dem Untergang einer Ölbohrinsel eine Umweltkatastrophe." - "Die Plattform war vor der Küste Louisianas gesunken." - "Aus dem Bohrloch könnten täglich mehr als eine Million Liter Rohöl ausströmen." - "... versuchen sie mithilfe eines Unterwasserroboters, den Austritt von Rohöl zu stoppen ..."

    Rund anderthalb Jahre ist es jetzt her, dass die Deepwater Horizon explodierte und die größte Ölpest in der US-Geschichte auslöste.

    Womöglich hätte ein einzelnes Molekül die Katastrophe verhindern können. Und zwar Bariumsulfat. Das Salz steckt in den Schlämmen oder Spülungen, die bei Tiefbohrungen zum Einsatz kommen.

    Harms: "Dieser Stoff ist für uns in Bohrungen besonders interessant, weil er das Element Barium enthält und dadurch sehr schwer ist. Barium ist eines der schwereren Elemente. Kommt in der Natur praktisch immer im Mineral Schwerspat vor oder Baryt."

    Ulrich Harms, Leiter der Sektion Wissenschaftliches Bohren am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam.

    "Im Moment schließen sie das Ventil. Um den Druck in der Bohrung konstant zu halten."
    Harms: "Man muss ja den Bohrmeißel kühlen. Man muss auch das das erbohrte Material, nach außen bringen. Und dazu benutzt man normalerweise Wasser. Aber das Wasser allein ist zu leicht. Man muss es schwerer machen. Deshalb fügt man gemahlenes Bariumsulfat hinzu."

    Der Bohrschlammbeschwerer hat eine weitere wichtige Funktion, wie Ulrich Harms erläutert. Er erzeugt einen Gegendruck im Bohrloch und dichtet so mögliche Risse im Tiefengestein ab:

    Harms: "Das ist so eine Art Flüssigkorken. Man verhindert, dass Flüssigkeiten, Gase in das Bohrloch in größeren Mengen eintreten können."

    Nach dem Untergang der Deepwater Horizon ist viel über den Blow-out Preventer diskutiert worden. Das ist ein meterhoher Bohrlochaufsatz mit Absperrventilen. Sie versagten im entscheidenden Moment.

    Doch möglicherweise war das nur zweitrangig. Der entscheidende Fehler könnte schon vorher gemacht worden sein, nämlich, so Harms:

    "dass die Bohrspülung nicht vernünftig beschwert war beziehungsweise ausgetauscht worden ist gegen Meerwasser."

    Die Erkundungsbohrung war beendet, das Bohrloch schon teilweise versiegelt. Da hat man wohl geglaubt, man benötige den schweren Bariumsulfatschlamm nicht mehr.

    "Da ist einfach ein Fehler gemacht worden."

    Befreit vom Gegendruck, traten immer mehr Öl und Gas aus dem Gestein tief unter dem Meeresboden aus - es kam zum folgenschweren Blow-out.

    Eine Katastrophe, die vermutlich nicht geschehen wäre, hätte sich der Energiekonzern BP bloß bis zum Schluss auf das Schwergewichtsmolekül Bariumsulfat verlassen.

    "Sie öffnen jetzt das Ventil. Danach können wir unsere Spülvorrichtung vom Bohrkopf trennen."