Archiv


Barockes Zaubertheater

Zunächst faszinierend an der Neuinszenierung war das beeindruckende Bühnenbild der Seebühne. Auch gesanglich war die Oper hervorragend besetzt, besonders Ana Durlovski überzeugt bei einem spektakulär inszenierten Auftritt. Die Reizfülle nahm dem Abend allerdings das Tempo.

Von Wolf-Dieter Peter |
    "O ew’ge Nacht, wann wirst du schwinden, wann wird das Licht mein Auge finden..."

    … Taminos ewig moderne Frage nach dem Sieg des Lichts der Aufklärung wurde leider nicht zu einem der Höhepunkte des Abends. Gleich zu Anfang faszinierte die Seebühne: In einem der Weltentstehungsmythen ist die Erde der Rücken einer Ur-Schildkröte - und genau die liegt vor Bregenz im Bodensee. Bühnenbildner Johan Engels heimste prompt den ersten Szenenbeifall ein, als auf dem etwa fünfzig Meter breiten, kuppelartig gewölbten Rückenpanzer blitzschnell ein Wald aus riesigen Grashalmen wuchs: 125 aufblasbare, schlanke Ballonsäcke rankten sich da plötzlich empor und wiegten sich leicht in der Abendbrise - oft naturgrün, aber auch geheimnisvoll blau oder gefährlich rot ausgeleuchtet. Dieser Zauberwald ist tatsächlich auch die "bezaubernde" Bilderfindung der Neuinszenierung.

    Dahinter blieb die Überfülle der Hinzuerfindungen von Regisseur David Pountney zurück: Die drei, den Schildkrötenrücken umstehenden gut 15 Meter hohen Drachenhunde samt Gebrüll, Feueratem und Rauch; eine fabelhaft gespenstische Wasserschlangenattacke auf den "übers Meer" reisenden Tamino; die großen Saurier-Reitpferde der drei Damen; die durch Luft, Wasser und über die ganze Bühne wirbelnde schwarze Kämpfertruppe von Monostatos’ Stuntmen; drei übergroße Knabenpuppen; über 100 LED-Leuchtsterne im dunklen Rückenpanzer für die "sternflammende" Königin der Nacht; jede Menge Pyro-Technik und, und, und … In der Premiere nahm die Reizfülle dem Abend das Tempo und machte die fast zweieinhalb pausenlosen Stunden "lang".

    Zunächst interessant: Pountneys Neuansatz. In einem stummen Vorspiel fuhr eine Totenbarke heran. Königin und Pamina betrauerten Ehemann und Vater im Beisein des Oberpriesters Sarastro. Der riss alle Herrschaft an sich, indem er von Monostatos das Machtsymbol "Sonnenscheibe" vom Sarg rauben ließ und Pamina entführte. Dass er - laut Pountney - am Ende aber von dem durch "Feuer und Wasser" geläuterten Paar entmachtet wird, dass Königin und Sarastro in einer finalen Schlacht sterben und ein humanes "Regenbogenfarben-Zeitalter" beginnt – all das prägte den Abend nicht, trotz der hübschen Finalutopie: Unbelastet und frei konnten Pamina und Tamino "über Wasser gehen" - auf einem unsichtbaren Gitterrost direkt unter der Wasseroberfläche.

    Auch wenn Dirigent Patrick Summers mit den schlank klingenden Wiener Symphonikern im zweiten Teil zu wenig beschleunigte, gesungen wurde überwiegend sehr gut. Herausragend: Ana Durlovski fuhr zur Höllen-Rache-Arie in einer phänomenalen Riesenkrinoline von Kostümbildnerin Marie-Jeanne Lecca auf einem Teleskoparm hoch und schleuderte ihre Koloratur-Staccati wie Leuchtgeschosse in den Nachthimmel. Gisela Stilles liebliche Pamina verfiel zurecht dem süßem Tenor-Timbre und den beseelten Tönen von Norman Reinhardts überragendem Tamino - da hatte sogar der Wolkenhimmel ein Einsehen: Zu Finale und einhelligem Beifall hörte der kurz einsetzende Nieselregen wieder auf. Vielleicht wirkt mit mehr Tempo Pountneys Botschaft stärker: "Weib und Mann, reichen an die Gottheit an..."

    "Mann und Weib und Weib und Mann reichen an die Gottheit an."