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Barockmusik von Schmelzer und Biber
Kurzweilige Vielseitigkeit

Komponisten der Barockzeit haben ihr eher schlichtes musikalisches Material gerne mit Effekten wie Verzierungen, Steigerung, oder auch Kontrast gehörig aufgepeppt. Das Ensemble "Les Passions de L'Ame" zeigt diese Vielfalt mit Biber und Schmelzer und experimentiert spielfreudig mit der Instrumentierung.

Von Bernd Heyder |
    Ein grün-blaues hält sich an einem Ast fest. Es ist ein Panther Chamaeleon, furcifer pardalis.
    Ein Meister der Vielfalt: ein Chamäleon. So ein Tier schmückt die neue CD von "Les Passions de l'Ame". (Zaruba Ondrej / dpa picture-alliance)
    Musik: Heinrich Ignaz Franz Biber, Sonata Nr. 3 in d, aus: Fidicinium Sacro-Profanum
    Im kernigen Sound der Tiroler Barock-Streichinstrumente von Jacobus Stainer dürften sie besonders authentisch klingen, die Sonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber. Schließlich hatte der böhmische Ausnahmegeiger im Jahr 1670 eine Einkaufsreise zu Stainer genutzt, um seinem Arbeitgeber, dem Bischof von Olmütz, den Rücken zu kehren. Er wechselte in die Dienste des Fürsterzbischofs von Salzburg und brachte es dort bis zum Kapellmeister.
    Musik: Heinrich Ignaz Franz Biber, Sonata Nr. 3 in d, aus: Fidicinium Sacro-Profanum
    Abwechslungsreichtum in Barockmusik aus Wien und Salzburg
    Meret Lüthi und Sabine Stoffer von "Les Passions de lʼAme" spielen die d-Moll-Sonate aus Bibers Sammlung "Fidicinium Sacro-Profanum" auf Stainer-Violinen von 1659, und auch das Instrument des Cellisten Alexandre Foster stammt aus Stainers Werkstatt. Die Bratschen und der Kontrabass sind ebenfalls historisch, die übrigen Instrumente des Ensembles nach alten Vorbildern kopiert. Aber was wären die barocken Originale wert, würden die Musikerinnen und Musiker aus Bern nicht so selbstverständlich und im besten Sinne "spielerisch" mit ihnen umgehen? Die neue CD verspricht schon im Titel "Variety", und den Abwechslungsreichtum der süddeutsch-österreichischen Streichermusik kosten "Les Passions de lʼAme" genussvoll aus – hier in der d-Moll-Gigue aus Bibers Sammlung "Harmonia artificioso-ariosa" von 1696.
    Musik: Heinrich Ignaz Franz Biber, Partia Nr. 1 in d, Gigue, aus: Harmonia Artificioso-ariosa
    Dies ist die vierte CD, die das Ensemble "Les Passions de l’Ame" beim Label "Deutsche Harmonia Mundi" vorlegt, und auch nicht seine erste, die den Fokus auf Heinrich Ignaz Franz Biber richtet. Der ist heute vor allem wegen seiner "Rosenkranzsonaten" bekannt. Um besondere Klangeffekte hervorzubringen, müssen die Saiten der Solo-Violine dort auf immer neue Art eingestimmt werden. Solch eine Skordatur verlangt Biber auch sonst schon einmal, so 1681 in seiner sechsten "Sonata, Violino solo".
    Klangeffekte, um die Zuhörer zu überraschen
    Musik: Heinrich Ignaz Franz Biber, Sonata Violino solo Nr. 4 g-Moll, Parte 2
    Meret Lüthi lässt sich in Bibers bisweilen exzentrischen Violin-Partien von den wechselnden Farben einer reich besetzten Generalbassgruppe begleiten, die über ein kraftvolles Kontrabass-Fundament verfügt. Mal hört man dazu Theorbe und Orgel, mal Barockgitarre und Cembalo. Ein Hackbrett spielt hier und da nicht nur Continuo-Akkorde, sondern doppelt auch die Violinpartien. "Salterio" nannte man dieses Instrument, das die historische Aufführungspraxis gerade für sich wiederentdeckt, in der Kunstmusik der Barockzeit. Ob Biber es auch so präsent neben dem eigenen Violinspiel duldete?
    Musik: Heinrich Ignaz Franz Biber, Partia Nr. 1 in d, Aria, aus: Harmonia Artificioso-ariosa
    Fünf der sieben Werke auf der CD stammen aus der Feder von Heinrich Ignaz Franz Biber: Ensemblestücke, Trio- und Solosonaten, die er teils für die Kirche, teils fürs weltliche Ambiente geschrieben hat. Sein Salzburger Dienstherr war schließlich Erzbischof und zugleich Fürst. Zwölf Minuten des gut eine Stunde langen Programms sind aber der Musik am Kaiserhof in Wien vorbehalten. Dort trumpfte Johann Heinrich Schmelzer schon 1664 mit den Soli seiner "Sonatae Unarum Fidium" auf.
    Musik: Johann Heinrich Schmelzer, Sonata tertia, aus: Sonatae Unarum Fidium
    Etwas aus der Reihe tanzt auf der CD Johann Joseph Fux. Der Wiener Oberkapellmeister ist eine Generation jünger als Biber und Schmelzer, und das hört man seinem "Rondeau" für sieben Stimmen auch an. Da spielen sich Meret Lüthi auf der Piccolo-Violine und Gabriele Gombi auf dem Fagott konzertant in den Vordergrund. Ihr Auftritt wird durch Schlagwerk-Akzente aufgepeppt. Das ist nach einer halben Stunde Biber ein unerwarteter, aber auch reizvoller Blick in eine schon etwas andere musikalische Welt. Zur "Kunst der Variation" gehört eben auch die Überraschung.
    Musik: Johann Joseph Fux, Rondeau a 7
    Am Ende der CD steht wieder Heinrich Ignaz Franz Biber: die 5. Sonate seiner "Harmonia artificioso-ariosa", die in eine Passacaglia mündet. Hier entfalten sich über einem lapidaren Bassthema scheinbar unendlich viele melodische Variationsmöglichkeiten. Ob es da auch die Schlagzeug-Akzente braucht, die sich zum tänzerischen Rondeau von Fux so schön gefügt haben, sei dahingestellt.
    Im Ohr bleibt die charmante Passacaglia noch lange. Es sei denn, man hört sich gleich noch einmal eines der anderen Highlights dieser kurzweiligen Aufnahme an.
    Musik: Heinrich Ignaz Franz Biber, Partita Nr. 5 in g, Passacaglia, aus: Harmonia Artificioso-Ariosa
    Variety – die Kunst der Variation
    Instrumentalmusik von Heinrich Ignaz Franz Biber, Johann Joseph Fux und Johann Heinrich Schmelzer
    Les Passions de l’Ame
    Ltg.: Meret Lüthi (Barockvioline)
    Deutsche Harmonia Mundi (19075919572)