Friedrich Schleiermacher, dessen Geburtstag sich im November 2018 zum 250. Mal jährte, habe eine Theologie entfaltet, die für die heutige Welt sehr viel besser nachvollziehbar sei als die Theologie von Karl Barth, so Claussen – obwohl Barth deutlich später lebte als Schleiermacher. Im Dezember 2018 steht Barths 50. Todestag an.
Claussen sei im Theologiestudium selbst für kurze Zeit Barthianer gewesen, könne diese Form von Dogmatik heute aber nicht mehr lesen. Auch der Gestus Barths, das Gesamte des christlichen Glaubens deutend vorlegen zu können, sei ihm im Anspruch zu steil.
Barths 1919 veröffentlichter "Römerbrief" gelte als "revolutionäres Werk", der "unaufgeklärte Militarismus der eigenen Sprache" sei ihm jedoch fremd und löse bei ihm nichts Positives aus, sagte Claussen. Wörtlich fügte er hinzu: "Entschuldigen Sie, liebe Barthianer, die Sie zuhören."
Trotzdem sei Barth bis heute ein Vorbild für Entschiedenheit, betonte der EKD-Kulturbeauftragte. Seine Theologie sei dezidiert antitotalitär gewesen und habe "in einer entscheidenden Phase der deutschen Geschichte" zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus beigetragen. Der Schweizer Karl Barth war einer der Mitbegründer der Bekennenden Kirche, die sich in Deutschland dem NS-Regime widersetzte.
An Schleiermacher fasziniere ihn der Versuch, so Claussen, sich den Glauben über das individuelle religiöse Leben zu erschließen. Was ihm an Schleiermacher missfalle? "Gar nichts. Reine Liebe und Bewunderung."
Zugleich sagte Claussen, er sei froh darüber, dass es in der evangelischen Kirche heute kein so starkes Lager- und Frontendenken mehr gebe wie früher, sondern eine "entspannte Pluralität." Dennoch betonte er mit Blick auf die evangelische Theologie: "Streiten ist unser Kerngeschäft."