Wenn in einer Mannschaftssportart ein Turnier mit der Bedeutung einer Europameisterschaft in Deutschland stattfindet, dann sorgt das in der Regel für eine ausführliche Berichterstattung - auch abseits des Fußballs. Im Baseball ist das definitiv anders. Nur Insider wissen, dass es in Bonn und Solingen bald auch um die Olympiaqualifikation geht. Und das, obwohl für den Gastgeber bei optimalem Verlauf sogar eine Medaille herausspringen könnte.
Am 7. September startet die Baseball-EM 2019 - und kaum jemand bekommt das dann wohl mit. Denn die Sportart fristet hierzulande ein Schattendasein. Wer von dem Turnier hört, der muss entweder aus einer der beiden Gastgeberstädte kommen oder auf irgendeine Art und Weise dem Baseball verbunden sein. Der DBV, der Deutsche Baseball- und Softball-Verband, richtet das Turnier gemeinsam mit dem amtierenden Meister Bonn Capitals aus.
Olympia änderte die Vorzeichen
Ein Grund für dieses Modell ist - wie so oft bei Randsportarten - das liebe Geld. Das unterstreicht die Aussage von Philipp Würfel, der beim Verband für den Spielbetrieb zuständig ist:
"Die Austragung einer Herren-Europameisterschaft ist natürlich ein finanzieller Kraftakt. Aber solange das Wetter mitspielt, ist das Risiko gut kalkulierbar."
Ursprünglich hätte die EM schon im Vorjahr stattfinden sollen. Doch als bekannt wurde, dass Baseball für Tokio 2020 wieder in das olympische Programm aufgenommen würde, änderten sich die Vorzeichen. Die fünf Erstplatzierten der Europameisterschaft streiten sich nun direkt im Anschluss an das Turnier mit Südafrika um einen Startplatz. Der dort Zweitplatzierte erhält dann eine weitere Chance den Sprung nach Japan zu schaffen.
Baseball-Verband erhält Geld vom Bund
Durch die Wiederaufnahme in das olympische Programm erhält der DBV vom Bundesministerium des Inneren nun eine finanzielle Förderung. Doch frei verfügen kann der Verband über diese Gelder nicht, wie Würfel erklärt:
"Die Mittel sind zweckgebunden, das heißt sie können zu einem Großteil ausschließlich für die Herren-Nationalmannschaft verwendet werden und können nicht in andere Bereiche, beispielsweise den Nachwuchsbereich, verschoben werden."
Daher ist das Turnier umso wichtiger, um für ein höheres Interesse an der Sportart zu sorgen. Rein sportlich betrachtet ist die Veranstaltung weit von den professionellen Bedingungen entfernt, die vergleichbare Turniere im Handball, Eishockey oder Volleyball bieten. Aber das verwundert nicht, denn Baseball-Spieler sind in Deutschland Amateure, so wie der ehemalige Nationalspieler André Hughes. Nachdem er Ende 2017 bereits seinen Rücktritt erklärt hatte, startete der Bundesliga-Rekordspieler ein Teilzeit-Comeback. Ohne jedes Training kann er weiterhin auf einem ordentlichen Niveau mithalten. Hughes:
"Ich trainiere nicht. Ich habe, weil ich Familie und Job habe, damals aufgehört und das hat sich nicht geändert. Der Status ist derselbe. Ich habe keine Möglichkeit fünf, sechs Mal die Woche zu trainieren und das ist nötig, um in der Spitze zu sein in der Bundesliga auf meiner Position."
Ein Grundproblem ist, dass mit Baseball in Deutschland kaum Geld zu verdienen ist. Sich ein sicheres Leben aufzubauen, ist quasi unmöglich. Anders sieht das in den USA aus: Max Kepler beispielsweise, der bei den Minnesota Twins mit seinem neuen Vertrag 35 Millionen US-Dollar in fünf Jahren verdient, ist als erster und bislang einziger deutscher Stammspieler in der nordamerikanischen Profiliga Major League Baseball (MLB) eine absolute Ausnahme. Davon ist man laut Hughes in Deutschland meilenweit entfernt:
"In Solingen habe ich persönlich nie Geld verdient. Die Importspieler kriegen mit Sicherheit Geld, aber das kann man jetzt nicht unbedingt Baseball-Profi nennen. Man wird danach immer noch arbeiten müssen."
Deutschland nur mit Außenseiter-Chancen
Die Auswahl an Topspielern ist entsprechend klein für den neuen Bundestrainer Steve Janssen, der das Amt am 1. Januar von Martin Helmig übernahm und nun dafür sorgen soll, dass Deutschland nach 2010 mal wieder eine Medaille gewinnt. Der Belgier führte die Niederlande 2014 und 2016 als Manager jeweils zum EM-Titel. Er sagt:
"Obwohl Baseball nicht mehr olympisch war, hat der niederländische Baseballverband seinen olympischen Status behalten und weiter Fördergelder vom NOK bekommen."
Janssens Einblick verrät das Erfolgsrezept seines ehemaligen Arbeitgebers. "Insgesamt 26 Spieler können sich dadurch komplett auf den Sport fokussieren und zwei bis drei Mal in der Woche konnten wir zusammen trainieren", so Janssen.
Von solchen Zuständen kann in Deutschland nur geträumt werden. Andere Teams, die auch zu den EM-Favoriten zählen, haben noch weitere Vorteile: Sie können auf viele eingebürgerte Spieler setzen, weiß Janssen.
"Nicht nur die Niederlande haben einen großen karibischen Einfluss, sondern auch Italien. Spanien kann auf Spieler aus der Dominikanischen Republik oder Venezuela zurückgreifen. Daher gehören sie für mich zusammen mit den Niederlanden und Italien zum Kreis der Titelkandidaten."
EM-Titel wäre eine Sensation
Realistisch bleibt der Bundestrainer, wenn es um die Aussichten für die eigene Mannschaft geht:
"Ich denke, dass wir jedes Team schlagen können, wenn wir unsere maximale Leistung bringen. Wir können aber auch gegen jedes Team verlieren."
Europameister wurde Deutschland übrigens noch nie. Es wäre eine Sensation, wenn es dieses Mal anders kommen würde.