Ein perfekter Schlag im Baseball ist etwas Besonderes im professionellen Sport: Der sogenannte „Batter“ braucht viel Präzision, Timing, Körperspannung und Kraft, um den Ball, geworfen vom Pitcher, mit seinem Schläger möglichst weit zu befördern. Wird daraus sogar ein Homerun, wenn der Ball aus dem Innenraum des Stadions fliegt, dann kann das Publikum schon mal explodieren.
Aber Baseball, der lange als die liebste Freizeitbeschäftigung der Amerikaner galt, hat in den vergangenen Jahren an Zuspruch verloren. Die World Series der Major League Baseball (MLB), die Final-Serie zum Ende einer Saison, verbuchte 2022 nur 11,7 Millionen Fernsehzuschauer im Schnitt, die zweitniedrigste Quote jemals, lediglich unterboten vom Pandemie-Jahr 2020. 2016 lag der Schnitt noch bei 22,8 Millionen. Neben einer immer härteren Fernsehlandschaft lagen die Gründe am Schwund auch am Spiel selbst. Es wirkte nicht mehr zeitgemäß. Alles dauerte zu lange ohne Action auf dem Spielfeld.
Thies: "Viel tote Zeit"
Andreas Thies ist Baseball-Kommentator für Sport1 und hat alles hautnah mitverfolgt: „Der Status quo war, dass wir eigentlich keine Zeitbeschränkungen hatten. Die Pitcher durften sich Zeit lassen. Die Spieler am Schlag durften sich auch Zeit lassen, durften zum Beispiel ihre Handschuhe, ihre Batting Gloves, nochmal richten, durften sich noch mal richtig aufstellen und durften sich Zeit lassen. Das hat in den letzten 30 Jahren dann sehr überhandgenommen. Das durchschnittliche Spiel dauerte im Jahr 1985 noch zwei Stunden 44 Minuten. Das hatte sich in den letzten Jahren so erhöht, dass das Spiel 2022, ein durchschnittliches MLB-Spiel, drei Stunden elf gedauert hat. Und es war zu viel tote Zeit dazwischen, zu viel von irgendwelchem Richten von Handschuhen etc. und von Dingen, die einfach nicht dem Spiel guttaten.“
Deshalb hat die MLB neue Regeln eingeführt. Jetzt gibt es etwa eine sogenannte „Pitch Clock“. Ein Wurf muss innerhalb einer vorgegebenen Zeit ausgeführt werden. „Wenn ein Pitcher sich aufrecht hinstellt und den Pitch werfen will, dann hat er 15 Sekunden Zeit, um diesen Pitch zu abzuwerfen. Der Schlagmann an sich darf allerdings auch nicht verzögern, er muss acht Sekunden, bevor diese Uhr abgelaufen ist, bereit zum Schlag sein. Und das hat dieses Spiel erheblich beschleunigt. Es gibt noch eine Zusatzregel: Also, wenn zum Beispiel ein Läufer schon auf Base ist, dann hat der Pitcher 20 Sekunden statt dieser 15 Sekunden. Und zwischen zwei Schlagleuten gibt es eine Zeitregel von 30 Sekunden, in der der neue Schlagmann wieder am Schlag stehen soll. Und das hat dieses Spiel gerade in den ersten Tagen erheblich verkürzt.“
Hinzu kommen größere Base-Platten, die das Verletzungsrisiko verringern sollen, aber gleichzeitig den Läufern mehr Chancen einräumen, diese Platten zu erreichen, bevor sie aus dem Spiel eliminiert werden können. Auch die Defensivwechsel sind nicht mehr in gewohnter Manier möglich. Denn zuletzt wurden die Fänger im Outfield sehr häufig gewechselt, damit die besten von ihnen in jenen Zonen standen, in denen die Batter den Ball laut vorheriger Analyse hinschlugen. Das hat die Zahl erfolgreicher Schläge, die nur dann gelten, wenn der Ball das Feld berührt und nicht aus der Luft gefangen wird, verringert.
"Spiel hatte sich für Fans nicht zum Besseren entwickelt"
Theo Epstein hat als Teammanager lange Zeit selbst die vorhandenen Regeln ausgenutzt. Zuletzt hat er jedoch die Kommission geleitet, welche die Regeländerungen auf dem Weg brachte. Er sagt: "Es gibt keine Zweifel daran: Das Spiel hat sich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten sehr verändert. Manche dieser Veränderungen kamen durch die Optimierung, die Teamleitungen und Personen wie ich vorangebracht haben. Während es uns vielleicht ein paar mehr Siege einbrachte, hatte sich das Spiel für die Fans nicht zum Besseren entwickelt – in dem Sinne, wie das Spiel auf dem Feld aus ästhetischer Sicht wirkte."
Vor der Einführung wurden einige Regelideen in rund 8000 Spielen der Minor Leagues, also unterer Spielklassen, getestet. Während der Saisonvorbereitung der MLB kam das neue Regelwerk erstmals zum Einsatz – mit gemischten Reaktionen der Spieler. Daniel Lynch, Pitcher der Kansas City Royals, sagt: „Ich habe es ehrlich gesagt gar nicht richtig gemerkt. Ich tendiere dazu, recht schnell zu agieren. Ich habe ein paar Mal in Richtung Uhr geblickt, aber ich hatte vielleicht noch zwölf Sekunden Zeit. Also wusste ich, dass alles gut für mich aussah.“
Manny Machado bekommt erste Zeitstrafe
Manny Machado von den San Diego Padres war der erste Batter, der eine Zeitstrafe erhielt und im Duell mit dem Pitcher 0:1 zurücklag: „Ich muss eine große Umstellung vornehmen. Ich werde wahrscheinlich einige Male 0:1 zurückliegen. Es geht sehr schnell und es braucht auf jeden Fall eine Anpassungsphase, aber ich gehe zumindest in die Geschichtsbücher ein. Man muss acht Sekunden vor Ablauf bereitstehen und den Pitcher anschauen, mit ihm quasi ins Duell gehen. Als ich nach oben geschaut habe, wurde mir gesagt: ‚Du hast noch zwei Sekunden, zwei Sekunden.‘ Und als ich auftrat, Bäng, es war schon geschehen. Ich wurde erwischt und lag 0:1 zurück.“
In der ersten Woche der regulären Saison, die am 30. März begann, hatten sich jedoch schon viele Spieler an den neuen Rhythmus gewöhnt. Dass der amerikanische Baseball nach fast 150 Jahren die Regeln ändert, mag manch einem Traditionalisten nicht schmecken, aber es war nötig. Zuletzt schlitterte eine TV-Anstalt, die viele Spiele der MLB regional übertragen hatte, in die Pleite. Die Konkurrenz aus NFL und NBA wächst und der Zuschauerschwund im Baseball schien unvermeidlich. Vielleicht werden mehr Action und kürzere Spielzeiten eine Trendwende herbeiführen.