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"Basiswissen Islam"
Mit Fakten gegen Missverständnisse

Über den Islam wird in Politik und Medien viel diskutiert, aus Sicht der Islamwissenschaft allerdings oft fehlerhaft. Ein Professor aus München will das ändern und gewissermaßen nochmal ganz von vorne anfangen: Die Gesellschaft brauche mehr grundlegendes Islamwissen.

Von Christian Röther |
Ein Imam in der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin.
Ein Imam in der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin. (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
"Denken Sie nicht, meine Damen und Herren, dass Religion in der islamischen Welt der alles überscheinende, alles bestimmende Faktor ist. Es ist einer unter mehreren. In einer halben, dreiviertel Stunde wissen Sie mehr."
Andreas Kaplony ist Professor für Arabistik und Islamwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mit Vorträgen wie diesem will er die breitere Öffentlichkeit erreichen. "Basiswissen Islam" heißt die Reihe, die 2016 gestartet ist. Es geht Andreas Kaplony also um Grundlegendes, und darum, von ihm ausgemachte Missverständnisse zu korrigieren. Zum Beispiel:
"Wie sich der Islam ausgebreitet hat. Die Wissenschaft weiß genau, dass sich der Islam vor 1.000 Jahren nicht mit Mission ausgebreitet hat und auch nicht mit 'Heiligem Krieg', sondern als eine Art von Heruntertropfen aus einer Elitekultur. Das ist alles Wissen, was man eigentlich weiß."
"Für Fachleute ganz klar"
Doch was die Wissenschaft weiß, weiß deswegen noch lange nicht die Allgemeinheit. Deshalb soll die Reihe gesicherte wissenschaftliche Fakten vermitteln.
"Das Missverständnis ist eigentlich nicht eine Wissensfrage, sondern es gibt so ganz grundsätzliche Sachen, die für die Fachleute ganz klar sind. Ein Beispiel ist, dass der Koran vordergründig ein Buch ist, aber eigentlich eine Predigtsammlung. Das wusste aber sonst niemand. Die Leute dachten immer, der Koran ist das Gleiche wie die Bibel, sozusagen in grün oder blau oder gelb, einfach ein bisschen anders. Und wir wussten alle: Nein, es sind eigentlich mündliche Predigten, die man aufgeschrieben hat. Eine Sammlung von 111 Predigten."
Wichtig ist Andreas Kaplony auch, dass der Islam nicht einfach "der Islam" ist, sondern sich in verschiedene Strömungen unterteilt. Er nennt vier: Sunniten, Schiiten, Mystiker und moderne politisch-religiöse Bewegungen wie Muslimbrüder oder Salafisten.
"Das in die breite Gesellschaft auch herüberzubringen, ist vielleicht nicht so unsere Stärke gewesen. Und das wollen wir ausbauen."
"Das ist unsere Stärke und unsere Schwäche"
Mit der Resonanz auf "Basiswissen Islam" ist Andreas Kaplony sehr zufrieden: Teils kamen über 600 Interessierte zu den einzelnen Veranstaltungen – obwohl die deutschsprachige Islamwissenschaft teils als ein wenig spröde gilt:
"Wir sind dafür bekannt, dass wir besonders nüchtern sind. Und wir sind dafür bekannt, dass wir auch in den Einzelheiten besonders nah an den Texten dran sind. Das ist unsere Stärke und unsere Schwäche."
Die Kaaba in der Mitte der Heiligen Moschee in Mekka, Saudi Arabien, 17.8.2018
Darf nicht fehlen, wenn es um Basiswissen zum Islam geht: die Kaaba im saudi-arabischen Mekka (picture alliance / Anadolu Agency / Mustafa Ciftci)
Eine Schwäche sei diese Genauigkeit, weil die Islamwissenschaft dadurch oft verzögert reagiere.
"Das bedeutet eben auch, dass wir in der Kommunikation nach außen nicht so schnell sind. Wir sind langsam und einfach genau auf den Punkt."
"Es gibt viele Leute, die mehr wissen"
Andreas Kaplony hofft, mit dieser wissenschaftlichen Exaktheit das Schwarz-Weiß-Denken zu unterwandern. Er erkennt auch schon erste Veränderungen in der Islamdebatte:
"Ich würde sagen, es gibt viele Leute, die mehr wissen."
Und so will der Professor weiter vermitteln zwischen Islamwissenschaft und Öffentlichkeit, auch wenn dieser Versuch den einen oder anderen erstaunen mag.
"In unserem Wissenschaftsbetrieb ist dieser Dienst an der Öffentlichkeit eigentlich gar nicht so geschätzt. Besser, Sie schreiben noch einen Artikel mehr oder Sie schreiben noch ein Buch mehr oder sie machen eine Konferenz mehr."
"Den Leuten auch gut zuhören"
Andreas Kaplony hingegen setzt sich ein für den Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, weil das die Debatten – in diesem Fall über den Islam – versachlichen könne: eben durch ganz grundlegendes "Basiswissen".
"In Kontakt zu bleiben, den Leuten auch gut zuzuhören, Fragen aufzunehmen und nach bestem Wissen und Gewissen – ja wirklich versuchen, zu beantworten – ich glaube, da sollten wir einfach noch mehr machen. Ich bin dankbar, dass viele da mitgemacht haben und weiter mitmachen. Und ich glaube, das ist eine gute Richtung."