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Basketball-Nachwuchsförderung
"Local-Player-Regel" bewegt die Basketball-Basis

Die sogenannte "Local-Player-Regelung", die eigentlich den deutschen Nachwuchs in der 1. Basketball-Regionalliga stärken sollte, sorgt an der Basis für heftige Gegenwehr. Schließlich sei die Regel ein Schnellschuss - was manch einer im DBB auch offen zugibt.

Von Thilo Neumann |
    Ein Basketball fliegt in einen Korb.
    An der Basketball-Basis gibt es Unmut über die "Local-Player-Regel" (imago sportfotodienst)
    Hartmut Oehmen ist sauer. Der sportliche Leiter des Basketball-Regionalligisten aus Grevenbroich in Nordrhein-Westfalen ist sich sicher: "Mittelfristig wird es zu einem Sterben von kleineren Regionalligisten führen in ganz Deutschland." Das glaubt auch Michael Mayr, Spieler bei den Baskets Vilsbiburg, einem bayerischen Regionalligisten. Er sagt: "Das ist ganz plakativ gesagt mit Kanonen auf Spatzen schießen."
    Was Oehmen und Mayr so erzürnt, ist eine Regel-Änderung für die 1. Regionalliga, der vierthöchsten deutschen Spielklasse. Mannschaften müssen demnach mit mindestens drei Spielern, die 23 oder jünger sind, antreten, zwei davon müssen zu jeder Zeit auf dem Feld stehen. Zudem müssen sie als Jugendliche drei Jahre in einem deutschen Verein gespielt haben. Dies sind dann sogenannte "Local Player". Stehen im Laufe eines Spiels weniger als zwei von ihnen zur Verfügung - etwa wegen Verletzungen oder Sperren - muss die Mannschaft die Partie mit nur noch vier oder gar drei Spielern statt der üblichen fünf fortsetzen.
    Ein Teufelskreis, der zu sinkendem Niveau führen könnte
    Rigorose Regeln zum Wohle der Nachwuchsförderung, so heißt es aus dem Deutschen Basketball-Bund. DBB-Präsident Ingo Weiß: "Wir wollen von oben bis nach unten unsere Nachwuchsspieler ordentlich und vernünftig ausbilden. Und das fängt schon in der Regionalliga an. Weil sonst habe ich Mannschaften mit zwölf Slowenen oder fünf Kroaten, drei Slowenen und vier Serben. Und das bringt mir am Ende des Tages gar nichts für den deutschen Basketball."
    Weniger Ausländer, mehr Deutsche. Für Michael Mayr von den Baskets Vilsbiburg ist die Local-Player-Regel aber der falsche Weg. Der 30-jährige Bayer befürwortet gute Jugendarbeit, ist aber überzeugt, dass die Auflage viele Vereine vor große Probleme stellen wird, "weil der Nachwuchs, der mit dieser 'Altersbeschränkung U23' benötigt wird, nicht existiert. Auf dem Land wie jetzt bei uns mit einer 10.000-Einwohner-Stadt ohne Universität, ohne Fachhochschule ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit."
    Auch Manager Hartmut Oehmen aus Grevenbroich hat Bauchschmerzen. Denn "es geht einfach nicht mehr darum, die besten Amerikaner zu holen oder die besten EU-Spieler oder die besten deutschen Spieler. Als allererstes musst du erstmal Local Player holen." Oehmen befürchtet ein Wettbieten um die aus seiner Sicht wenigen Local Player mit Regionalliganiveau. Dabei könnten aber viele Klubs finanziell nicht mithalten - mit der Folge, dass sie gute Spieler verlieren und zwangsläufig schlechtere Local Player aufbieten müssen, die aber dank der Regel eine Einsatzgarantie bekommen. So sinke das Niveau der Regionalliga, die damit unattraktiver für Sponsoren und Zuschauer werde. Ein Teufelskreis, der nicht im Sinne des deutschen Basketballs sein könne.
    DBB wehrt sich gegen Vorwürfe
    Die Sorgen von Mayr und Oehmen teilen viele Regionalligisten. Dennoch wurde die Regeländerung beim DBB-Bundestag im Juni von den Vertretern der 16 Landesverbände beschlossen. Die Vereine waren erst kurz zuvor schriftlich über den Antrag informiert worden - und sprachen sich mehrheitlich dagegen aus, wie Grevenbroichs Hartmut Oehmen versichert.
    DBB-Präsident Ingo Weiß sieht das anders: "Das stimmt nicht, entgegen des Votums vieler Regionalligisten. Es gibt viele Regionalligisten, die sich nicht an der Diskussion beteiligt gefühlt haben, aber die auch verstehen, dass wir so eine Local-Player-Regelung einführen." Weiß wehrt sich zudem gegen den Vorwurf, die Regel sei übereilt eingeführt worden: "Wir haben schon vor fünf Jahren gesagt, dass wir diese Regelung irgendwann mal anstreben. Wann wir sie umsetzen, wissen wir nicht, und jetzt haben wir sie halt umgesetzt."
    Allerdings stand der DBB unter Druck. Denn im deutschen Basketball gibt es bereits Regelungen, um die Zahl der Ausländer zu begrenzen. Dagegen wollte ein Regionalligist klagen und seine vielen Ausländer unter Verweis auf EU-Recht weiter einsetzen. Der DBB wiederum kam mit der neuen Local-Player-Regelung einer Klage des Vereines zuvor. Diese ermöglicht es nun, weiter etliche Ausländer einzusetzen, solange man eben die drei deutschen Nachwuchsleute aufstellt.
    DBB-Generalsekretär Wolfgang Brenscheidt sagt dazu: "Ich muss ganz klar sagen: wir wollen die Regionalliga als Partner, die Regionalligen. Sie sollen nicht überfordert werden. Aber die Forderung steht ganz klar im Raum: Ihr müsst oder ihr sollt bitte mitmachen im System." Brenscheidt betont, man nehme die Sorgen der Vereine ernst. Anders als zunächst angedacht wird die Local-Player-Regel in der Regionalliga deshalb nicht zur jetzigen, sondern erst zur Saison 2018/19 eingeführt.
    Local-Player-Regel steht weiter zur Debatte
    Für Kritiker wie Spieler Michael Mayr von den Baskets Vilsbiburg macht das allerdings keinen Unterschied: "Wer solide Vereinsarbeit betreibt, der weiß, dass Strukturen nicht innerhalb von zwölf Monaten entstehen, sondern das ist etwas, was langfristig wachsen muss. Und wenn wir jetzt von U23-Spielern reden, die ausgebildet werden sollen, dann braucht man eine Vorlaufzeit. Und eine Vorlaufzeit, um seriös, langfristig etwas aufbauen zu können, ist nicht ein Jahr."
    Die Local-Player-Regel ist zum Politikum geworden. Bis zum nächsten DBB-Bundestag im kommenden Jahr wollen die Kritiker nun Änderungsanträge vorbereiten. Ein mögliches Ziel: die Altersgrenze von 23 Jahren für Local Player zu kippen. Dann wäre es vielleicht immer noch eine Regel zum Wohle des deutschen Basketballs. Aber eben eine, mit der alle leben könnten.