Hamburg, vor einer Woche. Ein Vorbereitungsturnier für die Basketball-Europameisterschaft, mit dabei auch die polnische Mannschaft. Die Spieler heißen Karnowski, Waczynski, Ponitka. Ihr bester Punktesammler in der Partie gegen Russland ist aber ein anderer: AJ Slaughter. Ein Aufbauspieler, geboren und aufgewachsen in den USA, seit 2015 polnischer Staatsbürger. Das Besondere: Slaughter hat nie in Polen gelebt, nie für einen Verein dort gespielt, er spricht die Sprache nicht und hat auch keine Verwandten in Polen. Slaughter bekam seinen polnischen Pass aus einem einzigen Grund: um für das Land Basketball zu spielen. Er sagt dazu:
"Es ist gut, den Pass zu haben, speziell zum Ende meiner Karriere. Mir war es wichtig, in einem guten Team wie Polen unterzukommen. Das ist also eine tolle Gelegenheit. Gleichzeitig wollte ich die Möglichkeit haben, mich im Sommer weiter zu verbessern. Hier hatte ich die Chance auf beides."
Regeln der FIBA lassen das Geschäft mit dem Pass zu
Die doppelte Staatsbürgerschaft - für den Neu-Polen Slaughter eine Business-Entscheidung. Und er ist nicht der einzige Basketball-Legionär Europas. Bereits im EM-Eröffnungsspiel der Polen gegen Slowenien am 31. August wird Slaughter auf Anthony Randolph treffen. Der ist ebenfalls gebürtiger US-Amerikaner - und seit wenigen Monaten Doppelstaatsbürger, auf Initiative des slowenischen Basketballverbands. Zwei Tage später tritt dann die deutsche Auswahl gegen Georgien an - und gegen Michael Dixon Jr. Auch er, Überraschung, eigentlich Amerikaner und seit 2016 im Besitz georgischer Papiere.
Das Geschäft mit dem Pass - möglich machen es die Regeln des Weltverbandes FIBA. Diese erlauben pro Turnier und Mannschaft den Einsatz eines Spielers, der erst nach seinem 16. Geburtstag von dem Land eingebürgert wurde, für das er antreten möchte. FIBA-Chefjustiziar Andreas Zagklis ist sich bewusst, dass diese Regel den Verbänden einen gewissen Spielraum bietet:
"Es gibt Fälle, in denen überwiegend amerikanische Spieler auf Grund der recht flexiblen Einwanderungsvorschriften einiger Länder für deren Nationalmannschaft auflaufen können. Wir als FIBA haben 213 Mitgliedsländer mit 213 unterschiedlichen Einbürgerungsgesetzen, das ist für uns eine große Herausforderung. Wir können nunmal die Gesetzgebung der Staaten nicht kontrollieren und auch nicht, wem diese Länder einen Pass geben und wem nicht."
Ohne Einbürgerung Wettbewerbsnachteile
Mit anderen Worten: Wenn die Regierung mitspielt, können Verbände mühelos ihre Nationalkader mit einem künstlichen Importspieler verstärken - anstatt den Platz etwa an ein heimisches Talent zu vergeben. Anders als etwa im Fußball, wo die FIFA nur dann eine Spielberechtigung erteilt, wenn der eingebürgerte Sportler eine vorige Verbindung zu seinem neuen Land nachweisen kann. Dies gibt es bei Basketballspieler AJ Slaughter nicht. Dennoch initiierte Polens Nationaltrainer Mike Taylor die Einbürgerung des Amerikaners. Taylor fände es gar fahrlässig, hätte er diese Chance nicht genutzt:
"Viele Länder machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Ich denke, diese Einbürgerungsdebatte ist nationalistisch und seit Jahrzehnten überholt. Es ist Teil der Regeln, Teil des Spiels und offen gesagt: Wenn man keinen Spieler einbürgert, hat man einen Wettbewerbsnachteil."
Katar bürgerte gleich neun bosnische Jugendspieler
Beim Deutschen Basketball-Bund sieht man das anders. Zwar machte sich der DBB selbst schon die Regeln zunutze, als man den Amerikaner Chris Kaman 2008 einbürgerte. Dieser bekam aber nur einen Pass, weil seine Urgroßeltern aus Deutschland stammten. Momentan denkt der Verband nicht über einen neuen Import-Star nach, will lieber mit jungen deutschen Spielern ein Team aufbauen. Und: Man könne mit den Regeln der FIBA leben, versichert DBB-Generalsekretär Wolfgang Brenscheidt:
"Was im Handball möglich ist, ein Team Katar, wäre im Basketball unmöglich. Das heißt, ein Verband, der fünf, sechs, sieben, acht Spieler einbürgert, der hat überhaupt nichts davon, weil er letzten Endes immer nur einen einzigen davon einsetzen kann. Wir sagen: einer okay, mehr nicht. Handballverhältnisse wie Katar wollen wir nicht."
Ein Wunsch, der bald zumindest teilweise überholt sein könnte: 2015 bürgerte Katar gleich neun bosnische Jugendspieler ein - da sie zum Zeitpunkt des Transfers jünger als 16 waren, sind sie von der FIBA-Regel aber nicht betroffen. Allerdings: Für ihre neue Heimat Katar dürfen sie laut Reglement erst mit 21 auflaufen - der katarische Basketball muss also eine Wette auf die Zukunft eingehen, fünf Jahre in die Ausbildung der Nachwuchsspieler investieren, bevor man weiß, ob die Jungen internationales Format erreichen. Falls nicht, muss sich Katar einen ausländischen Star einbürgern - so wie es schon jetzt viele Nationen machen, auch bei der Europameisterschaft.