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Basketball NBA
"Ausschluss hat nichts mit Sport zu tun!"

Die Türkei wird in allen denkbaren Ebenen auf eine Entscheidungsplattform ihres Präsidenten Recep Tayyip Erdogan reduziert. Der mächtige Politiker greift dabei auch schon mal ins sportliche Geschehen ein. Betroffen sind etwa Gegner Erdogans. Ein Geschädigter ist der türkische NBA-Superstar Enes Kanter.

Von Fatih Aktürk und Hüyseyin Topel |
    Der türkische Basketballer Enes Kanter im Einsatz für Oklahoma City Thunder unter dem Korb
    Der türkische Basketballer Enes Kanter (Vorne) im Einsatz für Oklahoma City Thunder in der NBA (picture alliance / dpa Ezra Shaw/Pool)
    Der Durchbruch gelang Enes Kanter schon mit 16 Jahren, als er Spiele in der ULEB Euro League bestreiten durfte und zwei Jahre später bei der U-18-Europameisterschaft 2009 in Frankreich zum Most Valued Player gewählt wurde. Er wollte trotz Angeboten aus der Türkei und Griechenland in die USA. Dort brach er 2010 beim populären Nike Hoop Summit einen 1998 von Dirk Nowitzki aufgestellten Rekord.
    Kanter erzielte 34 Punkte gegen eine US-Auswahl und zog nun endgültig die Aufmerksamkeit von NBA-Scouts auf sein Talent. Bei Utah Jazz startete seine NBA-Karriere.
    2011, mit 19 Jahren, durfte Kanter auch für die türkische A-Nationalmannschaft spielen. Von seinen Landsleuten wird er als "der Star der Zukunft" gefeiert. Die Türken erhofften sich viel von ihm.
    Verbannung aus dem Nationalteam
    2013 dann der Schock: Der "UnderKanter”, wie er unter NBA-Fans genannt wird, wurde von der türkischen Nationalmannschaft verbannt.
    "Das macht mich äußerst traurig. Anstatt im Trikot der Nationalmannschaft aufzutreten, um die türkische Fahne, die Leute, die man liebt und die gesamte Bevölkerung der Türkei zu vertreten, was ich als ein sehr wertvolles Geschenk betrachte, werde ich einfach ausgeschlossen."
    Doch wie kommt es zu dieser Entscheidung? Für Kanter gibt es keinen Grund zum Zweifel:
    "Das hat rein gar nichts mit Basketball zu tun. Diejenigen, die diesen Prozess mitverfolgen werden genau wissen, dass es mit Basketball nichts zu tun hat."
    Kanters Nähe zum Prediger Gülen
    Kanter glaubt, sein Ausschluss habe ausschließlich mit seiner Nähe zu dem islamischen Prediger Fethullah Gülen zu tun. Gülen lebt im US-Amerikanischen Exil und wird von Erdogan verantwortlich für den Putschversuch vom 15. Juli in diesem Jahr gemacht. Gülen galt bis 2013 als Verbündeter des heutigen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Zum Bruch zwischen den beiden kam es, als in der Türkei im Dezember 2013 eine Verhaftungswelle wegen Korruptionsvorwürfen losging. Die Vorwürfe galten mehreren Ministersöhnen und namhaften Personen aus dem AKP-Umfeld. Schließlich erreichte die Welle auch Erdogan und seinen jüngeren Sohn Bilal. Der Skandal hätte Erdogan beinahe das Amt gekostet. Erdogan sah damals bei den Korruptionsvorwürfen, wie heute hinter dem Putschversuch, eine Verschwörung des Predigers Gülen.
    "Ich werde leider durch die Entscheidung der oberen politischen Schicht, von der türkischen Nationalmannschaft ausgeschlossen, weil ich mich mit denen solidarisiere, die im Recht sind."
    Der türkische Nationaltrainer Ergin Ataman sieht das anders. Kanter habe sich einfach undiszipliniert verhalten. Man habe keine klare Antwort von ihm bekommen, so die Ausführung von Ataman:
    "Ich habe ihn oft versucht zu kontaktieren, aber das hat irgendwie nie geklappt. Er hat uns zwar mitgeteilt, dass er an der Weltmeisterschaft teilnehmen wird. Kurz vor der WM aber, sagte man uns, habe er sich eine Verletzung zugezogen. Seine Verletzung hat dann länger gedauert. Der WM Kader hatte dann schon einen guten Teamgeist entwickelt."
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und ein Ball im neuen Stadion von Besiktas Istanbul
    Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan (picture alliance / dpa EPA/TURKISH PRESIDENT PRESS OFFICE)
    "Faule Ausreden"
    Diese Vorwürfe findet Kanter lächerlich. Er sieht in den Worten seines Trainers nur faule Ausreden.
    "Warum haben sie mich denn auch in diesem Jahr nicht berufen?",
    fragt er klagend. Ein ehemaliger türkischer NBA Basketballer Hidayet Türkoglu ist mittlerweile Präsident des türkischen Basketballverbandes und einer der sportlichen Lieblinge Erdogans. Türkoglu sieht eine Instrumentalisierung Kanters durch die Gülen-Bewegung. Vorwürfe, die Kanter wenig beeindrucken:
    "In so einer Zeit sich auf die Seite von Fethullah Gülen und seine weltweit agierende Bewegung zu stellen, ist leider so schwer, wie eine glühende Flamme in den Händen zu halten. Es braucht Mut. Der Ausschluss ist deren Rache an mir."
    Kanter ist sich sicher, dass, wenn er heute in der Türkei wäre, ihn viel härtere Sanktionen treffen würden.
    "Weil ich gegenwärtig in den USA unter Vertrag stehe und weil ich in der NBA spiele, können sie mir nicht anderweitig schaden. Ich bin mir ganz sicher, dass sie das zur Weißglut bringt. Ihre größte Rache mir gegenüber ist es bisweilen, mich von der Nationalmannschaft auszuschließen."
    Weitere Sportler betroffen
    Kanter ist nicht der einzige Sportler, der unter dem Einfluss der Politik auf den Sport leiden muss. Auch gegen die türkische Stürmerlegende Hakan Sükür und drei weitere ehemalige Spieler des Istanbuler Fußballclubs Galatasaray laufen Ermittlungen. Einigen Schiedsrichtern wurde wegen angeblicher Nähe zu Gülen die Lizenz entzogen. Darunter soll es auch einen Schiedsrichter geben, der als "vierter Offizieller" in der türkischen Süper-Lig tätig war. Die Mitglieder des Zentralen Schiedsrichter-Komitees wurden beispielsweise komplett ausgetauscht, so die Regierungsnahe Zeitung Habertürk.