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Basketball ohne Publikum
Wie umgehen mit Hochrisikospielen israelischer Teams in Deutschland?

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel steht der deutsche Sport vor Herausforderungen: antisemitische Vorfälle, Proteste und Fan-Sicherheit - die Baskets Bonn haben aus Sicherheitsgründen ohne Publikum gespielt. Kann das wirklich eine Lösung sein?

Von Christian von Stülpnagel |
Andrew Crawford von Holon, Harald Frey von Bonn und C. J. Harris von Holon springen vor dem Korb hoch zum Ball, hinter innen leere Ränge
Aus Sicherheitsgründen fand das Spiel zwischen den Telekom Baskets Bonn und der israelischen Mannschaft Hapoel Holon als Geisterspiel statt. (IMAGO / Jürgen Schwarz / IMAGO / Jürgen Schwarz)
Es war wie eine Reise zurück in alte Corona-Zeiten. Statt Zuschauerjubel nur das Quietschen der Schuhe auf dem Parkett – und der Applaus der Teamkollegen. Und so ruhig, wie es beim Champions-League Spiel zwischen den Basket Bonn und dem israelischen Verein Hapoel Holon in der Halle ist, so ruhig ist es auch draußen. Lediglich die Fahnen flattern im Wind und im Nieselregen.
Auch, als die Mannschaft aus Holon knapp zwei Stunden vor Tip-Off mit großer Polizeieskorte an der Halle ankommt, ist weit und breit niemand zu sehen. Kein Fan der Baskets Bonn – aber auch kein Unterstützer oder Gegner der Mannschaft aus Israel, wie es einige im Vorfeld befürchtet hatten.

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"Ich glaube, wir hätten uns alle keinen Gefallen damit getan, wenn wir das Spiel mit Zuschauern durchgeführt hätten“ verteidigt Wolfgang Wiedlich, Präsident der Baskets Bonn, die Geisterspiel-Entscheidung mit zwei Tagen Abstand zum Spiel gegen die aufkommende Kritik.
„Die Belästigungen der Besucher beim Durchsuchen… Ich sage mal so: Das Einlassprozedere hätte mehrere Stunden gedauert, so genau wäre da hingeschaut worden. Naja, und dann kam auch noch die Meinung des Gastes dazu, und dann war es eigentlich eine runde Sache mit der Absage.“

Geisterspiele als Zukunftsoption?

Denn nach Gesprächen mit den Spielern aus Holon habe er den Eindruck gehabt, dass es ein Geisterspiel auch für sie die beste Option sei. Eine Einschätzung, die der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, in der tagesschau überhaupt nicht teilt:
„Die Terroristen können nicht die Oberhand haben. Sie können unser Leben nicht stören. Sie können unsere demokratischen Werte nicht in Frage stellen, dann gewinnen sie. Wir müssen alle zusammenhalten, damit das nicht geschieht.“
Auch Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, fordert, dass Sportereignisse mit israelischen Mannschaften in Deutschland möglich sein müssen:
„Es kann keine Lösung sein, dass wir Spiele mit israelischen Mannschaften in einer Sondersituation nur erleben, weil wir sie allenfalls noch mit einer Kamera im Stadion sehen können, anstatt sie live zu erleben. Dieses Othering, das ohnehin ein Problem wird, wird dann noch einmal befördert. Und dann sortiert der Terror auch unsere gesellschaftliche Wahrnehmung.“

Vorschlag: Sicherheitsvorkehrungen wie am Flughafen

Othering, also das Abgrenzen einer Gruppe vom Rest der Bevölkerung. Gerade der Sport lebe von der Stimmung der Fans in der Halle, sagt Beck. Trotzdem sieht er auch die Herausforderungen für die Vereine vor Ort:
„Man muss schon sehen, dass es da ein Sicherheitsproblem gibt. Da braucht es Sicherheitsvorkehrungen. Da müssen wir vielleicht auch zu Vorkehrungen kommen, wie wir sie von den Flughäfen kennen. Wenn wir davor kapitulieren, hat der Terror gesiegt.“
„Das ist genau richtig, den Anspruch, den darf eine jüdische Community, den dürfen Menschen in Deutschland haben“, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Jochen Kopelke:
„Und es ist Aufgabe des Staates da zu helfen. Und das ist auch eine klare Meinung der Gewerkschaft der Polizei. Denn das ist genau der Satz: Der Schutz jüdischen Lebens hat oberste Priorität.“
Ein Satz, der für die Beamt*innen allerdings in der Praxis deutlich mehr Arbeit bedeutet:
„Dass wir jetzt jeden Anlass, Sportveranstaltungen, egal welche Sportart, welche Sportliga, welche anderen Rahmenbedingungen - jede einzelne Veranstaltung bekommt jetzt einen Fokus der Sicherheitsbehörden.“

Vor allem Fußball-EM in Deutschland im Fokus der Polizei

Ein Sportereignis in Deutschland steht dabei ganz oben auf der Liste von Kopelke: Die Fußball-EM in Deutschland im kommenden Sommer. Das Nationalteam von Israel könnte sich dafür noch qualifizieren.
„Dann haben wir mindestens Mitte des nächsten Jahres eine ganz andere Sicherheitsbewertung für Deutschland und die Europameisterschaft. Das heißt, dass uns dieses aktuelle Thema bis auf weiteres überhaupt nicht loslässt. Und das ist auch richtig so. Diese Spiele müssen stattfinden, damit der Terrorismus nicht gewinnt.“

Basketball: feste Rahmenbedingungen in Ligen schaffen

Auf die Polizei, den DFB und die UEFA kommen in diesem Fall komplizierte Entscheidungen zu. Entscheidungen, die im Basketball schon getroffen wurden – aber auch noch getroffen werden müssen. Denn israelische Vereine sind dort weiter im internationalen Wettbewerb aktiv – und spielen auch in Deutschland.
„Da muss es Absprachen geben“, fordert Marco Baldi, Geschäftsführer vom deutschen Spitzenclub Alba Berlin:
„Das wiederholt sich jetzt Woche für Woche, und da sind jetzt auch die Ligen gefordert, sich mit ihren Clubs zu besprechen und möglicherweise auch einen Rahmen vorzugeben.“
Zwar könne es nicht die eine Lösung für alle Spiele in Europa geben, die Lage in Berlin, wo es zuletzt viele antisemitische Proteste gegeben hat, sei eine andere als in Städten in Lettland. Aber die Vereine sollten bei der Entscheidung, ob und wie die Spiele durchzuführen sind, von den internationalen Ligen unterstützt werden.
„Das muss alles in einen Topf geworfen werden und uns gut überlegen und auf die eigenen Gegebenheiten anpassen und dann den Weg finden. Aber es wird kein Muster geben, das auf alle Orte zu übertragen ist, das wird so sicher nicht sein.“