Am Ende war es natürlich LeBron James, der Team USA vor einer riesigen Blamage bewahrte. Acht Sekunden vor Spielende nahm sich der Basketball-Superstar den Ball und versenkte den entscheidenden Korbleger zum 101:100-Erfolg für das NBA-Star-Ensemble. Gegner war nicht etwa Weltmeister Deutschland oder das ebenfalls mit NBA-Spielern gespickte Team aus Kanada, sondern der Südsudan. Zwischenzeitlich lagen die Amerikaner sogar mit 20 Punkten in Rückstand.
Für den krassen Außenseiter aus Ostafrika war das Spiel in London trotz der knappen Niederlage ein großer Erfolg. "Viele Menschen auf der ganzen Welt wussten nicht, was der Südsudan überhaupt ist. Heute konnten wir unser Land mit Stolz vertreten. Wir haben einen großen Kampf geliefert und haben gezeigt, wozu unser Land fähig ist. Ein stolzer Moment für unser Volk", sagte Center Wenyen Gabriel nach der Partie.
Südsudan für Olympia qualifiziert
Das Spiel war der nächste Höhepunkt in der noch jungen Basketball-Geschichte des Südsudans. Und der nächste Meilenstein steht bereits kurz bevor: die Olympischen Sommerspiele. Dass der Südsudan bei den Spielen dabei ist, ist nichts weniger als eine Sensation. Denn das Land existiert seit gerade einmal 13 Jahren. Als der Südsudan unabhängig wurde, hatte LeBron James bereits seine achte NBA-Saison hinter sich.
In den vergangenen Jahren hat der Südsudan im Basketball einen steilen Aufstieg hingelegt. Seit 2013 ist das Land Mitglied im Basketball-Weltverband FIBA. 2021 nahm der Südsudan erstmals an der afrikanischen Basketball-Meisterschaft teil, 2023 dann erstmals bei einer Weltmeisterschaft. Als 17. war das Team zwar weit von einer WM-Medaille entfernt, löste als bestes afrikanisches Team aber das Olympia-Ticket. Neben dem deutschen Titelgewinn war das die Sensation des Turniers.
Armut und Korruption im Südsudan Alltag
Denn die Voraussetzungen für Basketball im Südsudan sind schlecht. Seit der Unabhängigkeit gab es mehrere Bürgerkriege im Land. Armut und Korruption gehören zum Alltag. Im UN-Entwicklungsindex steht das Land auf Rang 192 von 193. Nur Somalia ist noch schlechter platziert. Überdachte Hallen für Basketball gibt es überhaupt nicht. Auch Outdoor Courts gibt es kaum.
"Es gibt Kinder in den Dörfern, die keine Möglichkeit haben, Basketball zu spielen. 2,10 Meter große Kids, die Kühe herden. Manche müssen angeln gehen, um etwas zu essen zu haben. Das ist Überlebenskampf", sagte Gabriel.
Verbandspräsident Deng schiebt Entwicklung an
Doch es tut sich etwas. Und das hat vor allem mit einem Mann zu tun: Luol Deng. Der ehemalige NBA-Spieler ist seit 2020 Präsident des südsudanesischen Basketball-Verbandes und schob die Entwicklung an. Zwischenzeitlich trainierte er sogar die Nationalmannschaft.
Deng will seinem Heimatland etwas zurückgeben, dabei hat er nur kurz im Südsudan gelebt. Als Kind floh er mit seiner Familie vor dem Bürgerkrieg nach Ägypten. Mit dem Basketball angefangen hat er aber in London, wo er schnell der beste Nachwuchsspieler des Landes wurde. Über die Duke University schaffte er schließlich den Sprung in die NBA, wo er 16 Jahre lang unter anderem für die Chicago Bulls, Miami Heat und Los Angeles Lakers spielte.
"Ich bin sehr stolz. Als ich Verbandspräsident wurde, habe ich alles gesagt, mein Ziel ist es, erst zu AfroBaskets zu kommen, dann zur Weltmeisterschaft und dann zu Olympia. Bis jetzt haben wir das alles geschafft. Ich wusste, dass wir es schaffen können und ich wusste, dass es ein hartes Stück Arbeit wird", sagte Deng.
Erfolg sorgt für Zusammengehörigkeitsgefühl
Über seine Stiftung finanziert er den Aufbau von Basketball-Infrastruktur im Südsudan. So treibt er den Bau einer Halle voran und baute auch zwei Außenplätze nahe der Universität in der Hauptstadt Juda.
Geleitet wird die Stiftung von Dengs Schwester Arek, die ebenfalls Basketballerin ist. Die Olympia-Qualifikation der Nationalmannschaft habe einen Boom im Land ausgelöst, sagte sie: "Einen Boom an Einheit und Zusammengehörigkeit. Jetzt tragen die Menschen mit Stolz unsere Fahne und sie sind stolz auf jeden einzelnen Spieler, der zu diesem Erfolg beigetragen hat."
Team besteht aus Flüchtlingen
Das Teams des Südsudans besteht ausschließlich aus Flüchtlingen, die wie etwa Gabriel in den USA bessere Bedingungen vorgefunden haben. Jetzt ist das Team Hoffnungsträger für eine ganze Nation.
Und Gabriel hofft, dass der Erfolg des Basketballteams auch die Gesellschaft im Land verändern kann: "Wir haben viel durchgemacht. Jedes Jahr wurde viel Blut vergossen. Jetzt haben wir etwas, was uns zusammenbringt, damit wir mit dem Stammesdenken aufhören und nicht mehr gegenseitig als anders betrachten"m sagte er. "Wir hoffen einfach, dass wir weiterhin Dinge tun, um eine Einheit zu werden. Wir bauen unser Land weiter auf, damit wir eines Tages wirklich stolz darauf sein können, dass wir aus dem Südsudan kommen."
Am 28. Juli feiert der Südsudan gegen Puerto Rico seine Olympia-Premiere im Basketball. Dann geht es gegen erneut gegen die USA, ehe Serbien um NBA-MVP Nikola Jokic letzter Gruppengegner ist. Der Südsudan geht als krasser Außenseiter ins Turnier. Der sportliche Erfolg steht hier jedoch nur an zweiter Stelle.