Es ist eine Kunst, einen Basketball von der Mitte des Spielfelds im Korb zu versenken. Denn das verlangt nicht nur die perfekte Koordination von Armen und Beinen, ein untrügerisches Augenmaß, sondern auch eine Unmenge an Selbstbewusstsein. Also das, was Caitlin Clark besitzt. Sie trifft nicht jedes Mal. Aber im Schnitt mindestens bei jedem dritten Versuch. Mehr schaffen auch die besten Männer wie der NBA-Profi Stephen Curry nicht.
Als die 22-Jährige vor ein paar Wochen ihre Karriere als College-Basketballerin beendete - im Finalspiel um die amerikanische Meisterschaft - wollten denn auch mehr als 18 Millionen Fernsehzuschauer erleben, wie sie das macht. Erstmals mehr als beim Männer-Endspiel einen Tag später.
Werbeverträge in Millionenhöhe
Nicht wenige trauen Clark zu, als nächstes ähnlich deutlich das Interesse an der Frauen-Profiliga WNBA in die Höhe zu treiben. Auch namhafte Werbepartner, die ihr mehrere Millionen Dollar pro Jahr zahlen. Auch wenn sie in Werbespots wie diesem der Getränkefirma Gatorade - allein in einer abgedunkelten Halle - nicht mehr zeigt als das: Sie befördert einen Ball nach dem anderen ins Netz. Die Botschaft liefert eine vielversprechende Schrifttafel am Schluss: “Caitlin fängt gerade erst mal an.”
Der Einstieg bei den Profis in dieser Woche demonstrierte, wo Clark anfängt: ganz unten. Sie und ihr neues Team, Indiana Fever, handelten sich herbe Niederlagen ein. Und die Ballartistin wirkte überfordert. “Natürlich bin ich enttäuscht. Wir müssen einfach daraus lernen und weitermachen.“
Potential des Frauensports in den USA selten gewürdigt
Wenn das so einfach wäre. Denn das Potenzial von Frauensport wird in den USA nur selten gewürdigt: "Etwa 45 Prozent aller Sportfans in Amerika sind Frauen. Aber sie werden nicht gezielt angesprochen." Das sagt David Berri, Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der University of Southern Utah.
Seit Jahren mahnt er, die wirtschaftliche Kraft von Frauensport nicht zu unterschätzen. "Entwicklungsmöglichkeiten wurden nicht nur künstlich, sondern absichtlich verbaut. Warum sind die meisten Trainer Männer und weiß? Das hat mit Sexismus und Rassismus zu tun. Wer weiß schon, wie diese Trainer ihre Jobs bekommen? Es mangelt an Transparenz, die erlaubt, diesen Prozess zu verstehen."
Berri: "Die NBA hat 50 Jahre Vorsprung"
David Berri kritisiert die Mär vom mangelnden wirtschaftlichen Potenzial. Etwas, was das Interesse an Caitlin Clark so eben überdeutlich entlarvt. "Man kann die WNBA und die NBA nicht vergleichen. Die NBA hat einen Vorsprung von 50 Jahren. Und vor 50 Jahren wusste keiner in Amerika, wer Elgin Baylor oder Wilt Chamberlain waren. Chamberlain erzielte in einem Basketballspiel 100 Punkte. Davon gibt es keine Radio- und keine Fernsehübertragung. Nur ein Foto, auf dem er einen Zettel mit der Zahl 100 in die Kamera hält. So etwas wird gerne vergessen, weil Leute glauben: Was heute populär ist, ist schon immer populär gewesen."
Auch so erfolgreiche Sportligen wie die NFL im Football und die NHL im Eishockey brauchten Jahrzehnte, um profitabel zu werden. Allerdings fällt dieser Teil der Sportgeschichte in der Öffentlichkeit unter den Tisch. Genauso wie andere ökonomische Sachverhalte. Beispiel Brittney Griner. Sie spielte aus finanziellen Gründen nicht nur in der WNBA, sondern auch in Russland. Dort wurde sie 2022 festgenommen und zu einer jahrelangen Haft verurteilt. "Sie ist zurück, aber an der Bezahlung, dem Grund, weshalb sie in Russland war, hat sich nichts geändert. Seltsam, oder nicht?"
Berri: WNBA "in 20 bis 30 Jahren ein Multimilliarden-Dollar-Unternehmen"
Trotzdem ist Berri auf lange Sicht optimistisch: "Die Olympischen Spiele 1996 haben gezeigt, dass es eine große und wirtschaftlich tragfähige Fangemeinde für Frauenbasketball gibt. Ich gehe davon aus, dass die WNBA in 20 oder 30 Jahren ein Multimilliarden-Dollar-Unternehmen sein wird. Mit Fans in der ganzen Welt. Und Spielerinnen, die internationale Berühmtheiten sind."