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Batman als Dekadenzporträt

In dieser Woche startet der abschließende Teil von Christopher Nolans Batman-Trilogie. Im Rahmen eines auf Unterhaltung geeichten Hollywood-Kinos liefert der britische Regisseur eine Dekadenzstudie - als kühle Diagnose und Prognose extremer Verhältnisse.

Von Rüdiger Suchsland |
    "Was bist Du?"
    "Ich bin Gothams Bestrafung."

    Gotham-City, diese universale Metropolis, eine Mischung aus 30er-Jahre-Art-Deco-Manhattan und gesichtsloser Megacity unserer Tage ist wieder mal bedroht, und die Heimsuchung ist wieder mal schlimmer denn je. Nur einer kann helfen: Batman.

    Der schwarze Rächer im ledernen Fledermauskostüm muss offenbar der absolute Held unseres Zeitalters sein, weit vor allen Spinnen, X-, Wolf-, und Eisenmännern, die das US-Blockbusterkino ansonsten so in immer kürzeren Abständen durch den Durchlauferhitzer des Sequeltis und des Remake-Fiebers jagt:

    Nicht weniger als fünf "Batman"-Verfilmungen gab es bereits in den 90er-Jahren, zwei weitere seit 2005 und nun schließt Christopher Nolan mit "The Dark Knight Rises", der Nummer acht seit Tim Burtons erstem Batman seine persönliche Trilogie ab.

    Dass Batman Bestand hat, hat Gründe. Er ist einer der wenigen Erwachsenen unter lauter pubertären Superhelden, und er ist der Einzige, der uns wirklich etwas zu erzählen hat.

    Batmans Geschichte ist schon in den zugrunde liegenden Comics und erst recht in der Kino-Wiedergeburt des britischen Regisseurs Christopher Nolan psychoanalytisch und existenziell, die Geschichte des demokratischen Zeitalters und seiner Abgründe, seiner Nachtseite - als ein Drama des begabten Kindes.

    Der Multimillionär Bruce Wayne und seine Abspaltung Batman will Gerechtigkeit, will ein Streiter sein gegen Fundamentalisten aller Couleur. Er ist technikverliebt, und hat damit die gleichen Probleme wie wir: Er muss und möchte immer zu viel auf einmal tun.

    Man kann natürlich einwenden, das sei alles schon einmal da gewesen: Die Persönlichkeitsspaltung, Multitasking, sogar die halb Gegenspielerin, halb Verbündete Catwoman:

    "I am Catwoman ... Miao."

    So tauchte sie vor genau 20 Jahren in Tim Burtons wohl bisher bestem "Batman"-Film auf. Und es gehört zu den besten Einfällen Nolans, dass er und seine Darstellerin Anne Hathaway gar nicht erst versuchen, den damaligen Auftritt von Michelle Pfeiffer in den Schatten zu stellen. Was sie stattdessen leisten: Eine Neuinterpretation, die ganz anders gelagert ist.

    Der versierte Brite, dessen zweiter Batman mit dem Börsen-Verbrecher Joker vor drei Jahren bereits als unmittelbarer Kommentar zur Finanzkrise gelesen wurde, bedient sich der Motivik der Wutbürger - Proteste von links bis zur rechten Tea-Party, und seine Catwoman ist eine Robin-Hood-artige anarchistische Meisterdiebin, die mit der Occupy-Bewegung sympathisiert und den Reichen des Westens ihr Schicksal prophezeit, eine Katze, die die Wahrheit spricht:

    "Glauben sie, das kann so weitergehen? Ein Sturm zieht auf, Mr. Wayne - Sie und ihre Freunde sollten sich lieber vorbereiten. Denn wenn er losbricht, werden sie sich alle fragen, wie sie je so maßlos leben konnten, während Sie uns anderen so wenig lassen."

    Nolans Batman ist ein Dekadenzporträt. Es erzählt ernster, kühler als früher, wenn man so will: Den Zeiten angemessen. Dieser Superheld ist manchmal gar nicht so super. zunächst ein traumatisierter Millionär, der zurückgezogen und verwahrlost wie ein zweiter Howard Hughes einsam in seinem alten festungsartigen Schloss vor sich hin vegetiert.

    Dann ein Angeschlagener, Hinkender. Dann ein Opfer von Folter und Gefangenschaft. Kein Winner, sondern ein Überlebender. Nolans dritter Batman ist auch ein böses, bitteres Porträt der schmutzigen Seiten der CIA, des geheimen Pakts zwischen Regierenden und Terroristen.

    Man kann nun einwenden, dass es hier keine Figur mehr gibt, die zur Identifikation einlädt - noch nicht einmal das Böse. Dass es hier keine echte Liebe mehr gibt, dass überhaupt in diesem Film die Emotionen weitgehend brach liegen. Man kann auch fragen: Wo ist der Spaß, das Heldentum, wo ist er hin, der Exzess und Überschuss.

    Er ist nicht mehr da, und genau dadurch ist dieser "Batman" auch ein künstlerisches Meisterwerk im Rahmen und in den Möglichkeiten des Mainstream-Kinos. Denn mag dies auch Eskapismus sein, und Spektakelkino sowieso, erzählt es uns doch viel über unsere eigene nicht eben rosige Lage.

    Daneben, so kann man alle beruhigen, die es nun mit der Angst zu tun bekommen, ist dies auch immer noch ein richtiger Batman-Film, mit viel Action und Geballer, und visuell glücklicherweise ganz ohne 3-D, aber um so mehr ganz große Oper.