"Guten Morgen meine Damen und Herren. Ich darf Sie herzlich begrüßen zu einem Weltrekord, der heute gefahren wurde – doppelt gefahren wurde. Und das ist technologisch sicherlich ein Durchbruch."
Zweifel an der "Superbatterie"
Sichtlich stolz schüttelte der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle die Hand von Mirko Hannemann. Der junge Erfinder hatte soeben die erste Langstreckenfahrt mit einem Elektro-Auto absolviert. Angetrieben wurde es von der brandneuen Kolibri-Batterie von Hannemanns Firma DBM Energy. Die Presse überschlug sich: Von einer "Rekordfahrt" mit einem "Wunder-Akku" war die Rede, einer "Sensation" mit einer "Superbatterie". Doch schon bald nach der Fahrt im Jahr 2010 werden Zweifel an der Kolibri-Technologie laut. Der Batterie-Experte Uwe Sauer von der RWTH Aachen ist einer der Kritiker – und erinnert sich bis heute an den Fall:
"Es waren zwei wesentliche Kritikpunkte. Der eine ist, dass die Nachprüfbarkeit dieser Rekordfahrt sehr wenig gegeben gewesen ist. Es hat ja Journalisten gegeben, die irgendwie dort auch in Autos hinterher gefahren sind, die aber dann zwischenzeitlich das Auto auch aus den Augen verloren haben. Das ist das eine: Es hat sich nie jemand diese Batterie ordentlich angucken können. Und das andere ist, dass grundsätzlich diese Strecke zu fahren mit bekannter Technologie jetzt auch nicht unmöglich ist."
"Was bitteschön ist also so innovativ an der Kolibri-Batterie? Und welche Technologie steckt wirklich dahinter?" fragen Journalisten und Wissenschaftler. Auch die Geldgeber aus dem Wirtschaftsministerium wollen mehr wissen. Doch bevor sich unabhängige Experten ein Bild machen können, geht die Garage mit dem Prototyp in Flammen auf. Die Kolibri-Batterie wird zerstört, ihre Funktionsweise bleibt rätselhaft. Uwe Sauer:
"Die Frage ist eben, ob die Zelle wirklich eine deutlich höhere Kapazität gehabt hat. Aber da ja die Zellen als solches nicht zugänglich gewesen sind, nur auf anderem Weg nochmal, über stationäre Systeme, da sin d auch Kolibri-Zellen nochmal verbaut worden können wir nur sagen, dass nichts Außergewöhnliches in Bezug auf deren Leistungs- und Energiedaten dran gewesen ist zu dem Zeitpunkt. Also keine Sprunginnovation gegenüber dem Stand der Technik."
Insolvenz, Betrug - und ein Neuanfang
War also alles nur ein clever inszenierter PR-Coup? Viel Lärm um Nichts? Um diesen Verdacht zu entkräften, lässt der Batteriehersteller DBM 2011 einen Nachbau des Rekord-A2 testen: Auf dem Rollenprüfstand der DEKRA schafft das Elektroauto immerhin knapp 455 Kilometer mit einer Akkuladung. Doch die Stimmung ist da bereits gekippt. Der Erfinder Mirko Hannemann wird als "Blender" bezeichnet, Zeitungen schreiben vom "Batterie-Bluff" und fragen: "Ist der Kolibri eine Ente?"
Es wird still um das Unternehmen, das zeitweise unter dem Namen Kolibri Power Systems AG auftritt. 2015 dann der große Knall: Hannemann fliegt aus seiner eigenen Firma, gegen ihn wird wegen Betruges ermittelt. Auf dem Firmengelände in Berlin hat er bis heute Hausverbot. Helmuth von Grolman ist damals Geschäftsführer und muss Insolvenz anmelden. Unter neuem Namen stellen er und seine Kollegen das Unternehmen neu auf. Colibri schreibt sich jetzt mit ‚C‘, statt wie früher mit ‚K‘.
"Also unser Ansatz ist im Grunde gewesen, aus einer Entwicklungsgesellschaft, die davon redet, die Welt zu retten, eine solide Produktionsgesellschaft zu machen, und keine Entwicklungsstunde in ein Produkt zu stecken, wo wir nicht sicher wissen, dass wir es auf ein paar Hundert Stückzahlen skalieren können."
Die Colibri-Batterie ist ein Lithium-Polymer-Akku, der auch Pouch-Bag-Batterie genannt wird und in ähnlicher Form von verschiedenen Firmen hergestellt wird. Die Zellen solcher Batterien werden in der Regel in Asien eingekauft und für verschiedene Anwendungsbereiche zu größeren Einheiten verbaut. Es sei eine unternehmerische Entscheidung gewesen, nicht auf die Automobilindustrie zu setzen, sondern einen überschaubaren Markt zu suchen, sagt Geschäftsführer von Grolman. "The Shortest way to money" nennt er das. Ingenieur Lorenz Müller entwickelte den Colibri-Akku weiter und suchte nach neuen Einsatzmöglichkeiten. Mit Erfolg.
"Wir sind auch durchaus stolz darauf, welche Projekte zu dem Zeitpunkt teils zum weltersten Mal umgesetzt werden konnten. Dinge wie die erste Batterie für den ersten Hybrid-Traktor der Welt, fahrerlose Transportsysteme in Häfen, ein Haufen Systeme, bei denen wir natürlich auch das gesamte Fundament für das spätere Massenproduktions-Knowhow legen konnten."
Nische gefunden - auf Flughäfen
Inzwischen hat das Unternehmen seine Nische gefunden: Auf dem Flughafen-Vorfeld. Dort gibt es Elektromobilität schon seit 20 Jahren – Gepäckwagen, Hubwagen oder Schleppfahrzeuge wurden dort mit konventionellen Bleibatterien betrieben. Die Colibri-Akkus erwiesen sich als überlegen: Da ihnen hohe Temperaturen und Vibrationen weniger ausmachen, halten sie länger.
"Wir sind weltweit der Einzige mit im realen Betrieb bewiesener Lebensdauer von 10.000 Betriebsstunden. In heißen Ländern ist das fünf Mal ein Bleibatterie-Leben. Und das haben wir im Moment als Einzige im Markt bewiesen. Das ist auch der Grund, warum wir uns als noch relativ kleines Unternehmen einen Markennamen erarbeitet haben."
Sagt Helmuth von Grolman. Die Colibri-Batterien sind bereits auf mehreren Flughäfen im Einsatz – meist unter extremen Bedingungen: bei heißer und feuchter Luft im mittleren Osten und Asien, bei frostigen Temperaturen in Kanada. Zu den Vorzügen gegenüber konventionellen Blei-Akkus komme eine intelligente Steuerung des Ladevorgangs, betont Lorenz Müller. Die ermögliche es Flughafenbetreibern, ihre Fahrzeugflotten effizienter zu nutzen.
"Mein Lieblingsbeispiel dafür lautet: Ein Flughafenbetreiber, der die Ladestation neben den Coffee-Shop gepackt hat, und somit die Leute davon überzeugen konnte, wenn sie doch eh Kaffeepause machen, noch bitte kurz zehn Minuten zu laden. Und plötzlich habe ich Drei-Schicht-Betrieb abgedeckt mit einem Fahrzeug."
Realistische Ziele statt Hype
Der Markt wächst weltweit, und mit ihm die Nachfrage nach der Colibri-Technologie, ist sich Geschäftsführer Helmuth von Grolman sicher. In angrenzende Märkte, zum Beispiel die industrielle Logistik, wolle man langsam reinwachsen, sagt er. Das sei ein realistisches Ziel und kein Vergleich zum Hype von damals, findet Uwe Sauer:
"Die hatten auch damals gesagt, dass sie Batterien für Gabelstapler liefern wollten, aber da war der Zungenschlag doch sehr stark in Richtung "Wir haben da eine Wundertechnologie, und die wollen wir keinem zeigen". Das sehe ich jetzt hier nicht mehr. Das sieht mir erstmal total seriös aus, was man da sieht."
Die Colibri-Batterie hat in einem umkämpften Markt ihre Nische gefunden. Solide Ingenieursarbeit und gutes Management ebneten den Weg zum Erfolg. Von einem Durchbruch in der Batterietechnik spricht heute aber keiner mehr.