Das Restrukturierungsverfahren nach "Chapter 11" des US-Insolvenzrechts schützt Northvolt für eine gewisse Zeit vor dem Zugriff seiner Gläubiger und erleichtert damit den finanziellen Neustart. In den Gerichtsunterlagen heißt es: "Das über allem stehende Ziel ist es, mit einem oder mehreren langfristigen strategischen oder Finanzinvestoren zusammenzuarbeiten." Zudem erhält das Unternehmen Zugriff auf 245 Millionen Dollar und kann damit sein Überleben in den kommenden Wochen gewährleisten. 100 Millionen stammen aus einem Darlehen des schwedischen Lkw-Herstellers Scania. Damit solle die Herstellung von Batteriezellen für E-Fahrzeuge im nordschwedischen Skelleftea unterstützt werden. Scania bezieht schon jetzt Batterien von Northvolt. Die weiteren 145 Millionen Dollar sind Mittel von Northvolt, die bislang als Sicherheiten zurückgelegt wurden.
Northvolt galt hinsichtlich der Batterieproduktion für E-Autos lange Zeit als großer Hoffnungsträger der europäischen Automobilindustrie. Der größte Anteilseigner des Herstellers ist der deutsche Autobauer Volkswagen. Zu den Eigentümern gehören auch die US-Investmentbank Goldman Sachs und BMW. Volkswagen erklärte, man stehe mit dem Konzern in engem Kontakt. Northvolt selbst teilte mit, das Unternehmen erwarte, die Restrukturierung bis zum ersten Quartal 2025 abzuschließen. Solange werde der Betrieb wie gehabt weitergehen.
Chinesische Hersteller dominieren Batteriemarkt
Das Unternehmen hatte in den vergangenen Monaten erfolglos mit seinen Geldgebern über ein Finanzierungspaket verhandelt. Northvolt hat noch nie einen Gewinn erwirtschaftet und kämpft mit Qualitätsproblemen und Verzögerungen. Wegen wegbrechender Aufträge und Problemen beim Hochfahren der Produktion hatte der Konzern zuletzt seine Ausbaupläne massiv eingedampft, tausende Mitarbeiter entlassen und Tochtergesellschaften verkauft.
Der Antrag auf Gläubigerschutz ist zudem ein Rückschlag für die europäischen Bemühungen, sich mit einer eigenen Batterie-Industrie unabhängiger von chinesischen Herstellern wie CATL und BYD zu machen. Nach Daten der Internationalen Energieagentur ist 85 Prozent der Batteriezellen-Herstellung in der Volksrepublik beheimatet.
Northvolt-Gigafabrik in Heide geplant
Noch ist nicht abzusehen, was das Verfahren für Bau einer Northvolt-Gigafabrik im schleswig-holsteinischen Heide bedeutet. Das Unternehmen erklärte dazu, die deutsche Tochter werde unabhängig von der Muttergesellschaft finanziert. Sie sei nicht Teil des Restrukturierungsverfahrens. Die Bauarbeiten gehen demnach weiter. Klar ist aber bereits, dass die Fabrik später ihre Arbeit aufnehmen wird als zunächst geplant. Die Zellmontage soll erst in der zweiten Jahreshälfte 2027 starten statt bereits Ende 2026.
Anfang des Jahres hatte die EU-Kommission Fördermittel und Garantien für das Milliarden-Projekt in Heide über 902 Millionen Euro genehmigt. Der Bund und das Land Schleswig-Holstein unterstützen den Bau der Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen mögliche Garantien über weitere 202 Millionen Euro. Bislang hat Northvolt keine Fördermittel abgerufen.
Schleswig-Holsteins Staatskanzleichef Schrödter (CDU) sieht Chancen für einen Restrukturierungsplan gemeinsam mit den Gläubigern. Es sei bedauerlich, dass noch keine gesicherte Finanzierung für den Mutterkonzern in Schweden gelungen sei, sagte er. "Es ist gut, dass nach den Diskussionen der letzten Wochen jetzt Klarheit über das weitere Verfahren und die nächsten Schritte herrscht."
Das Land werde alle förderrechtlichen Fragen gemeinsam mit dem Bund prüfen. "Fragen betreffend etwaige Risiken für den Bund und das Land werden derzeit eingehend mit dem Bund besprochen und bewertet, über die Risikoposition des Bundes und des Landes hinsichtlich der Wandelanleihe kann somit derzeit noch keine Aussage getroffen werden, da das Verfahren unter Chapter 11 erst beginnt", ergänzte er.
Wirtschaftsgespräch - Größter Batteriehersteller in EU braucht Gläubigerschutz (Dlf-Wirtschaftsredakteurin Sandra Pfister in den Informationen am Morgen)
Diese Nachricht wurde am 22.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.