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Bauen im Einklang mit der Natur

Als Architekt ist er Ingenieur, als Konstrukteur ist er Künstler: Frei Otto, der Utopist der Baumeisterei, der unter anderem mit Günter Behnisch das Münchner Olympiastadions konstruierte und erbaute, wird in München mit einer Ausstellung zu seinem 80. Geburtstag bedacht. Das menschliche Handeln - und vor allem das Bauen - mit der Natur in Einklang zu bringen, war von Anbeginn sein Ziel.

Von Falk Jäger |
    "Ein glänzender Mann, mehr Wissenschaftler als Künstler, voller origineller Ideen", so hatte ihn Walter Gropius schon 1963 weitsichtig charakterisiert. Damals hatte Frei Otto noch nicht mit dem gläsernen Zelt des deutschen Pavillons der EXPO ´76 in Montreal den Prototypen seiner Arbeit errichtet. Er hatte noch nicht das berühmte Münchner Olympiadach entwickelt und noch nicht sein Institut gegründet, in dem er mit Hunderten von Studenten und Kollegen zusammen geforscht und sie auf die Spur gesetzt hat. Doch er war schon damals Vordenker und Mahner.

    " Es wird sehr viel Oberflächliches gemacht. Man sucht die Show und weniger den Inhalt. Da wo viel gebaut wird, da gibt es Architekten, die ich die Investorenarchitekten einmal genannt habe, die für Großinvestoren bauen, denen es hauptsächlich darauf ankommt, und das ist ihre Triebfeder – mit Gebäuden Geld zu verdienen. Die dann durchaus auch Geld rausschmeißen, um Gebäude attraktiv zu machen, aber sie bauen nicht so sehr für Menschen, die sie ja gar nicht kennen, die später drin arbeiten müssen, und an vielen Stellen machen die Kollegen dann Großskulpturen, um sie finanzieren zu können setzen sie Menschen rein. "

    Als Architekt ist er Ingenieur, als Konstrukteur ist er Künstler, so könnte man seine Sonderstellung charakterisieren. Architekten betrachten oft Bauschäden als gottgegeben; Bauingenieure wiederum konstruieren schauerliche Fußballarenen und die Landschaft verwüstende Normbrücken für ICE-Strecken. Gesucht wird die ideale Kombination, der gestaltende Ingenieur, Frei Otto eben.

    1964 begann er an der TU Stuttgart "leichte Flächentragwerke" zu entwickeln, also Zelte, Seilnetze und Ballondächer. Dort betrieb er Forschung im "konstruktiven Ingenieurbau", fürwahr ein Terrain, auf das sich normalerweise kein Architekt verirrt. "Natürliche Konstruktionen" war das nächste Thema. Wieder holte er Konstrukteure, Materialtechniker, und Biologen aus aller Welt nach Stuttgart. Interdisziplinär untersuchte man Knochen und Grashalme, Spinnennetze, Seifenblasen und Termitenhügel, um ihnen brauchbare Ideen abzuschauen.

    " Was leider wenig geschieht, ist das ökologische Bauen weiterzubringen, wobei ich unter ökologischem Bauen nicht das allgemeine verstehe, denn ich halte mich immer noch an dem alten Begriff der Ökologie fest, dem Biologischen, das heißt das Zusammenleben vieler Individuen untereinander. Für mich ist das menschliche Haus und die menschliche Stadt ein Teil der lebenden Natur, so wie ein Vogelnest zu der Art des Vogels gehört, von der es gebaut wird, so ist das mit dem Menschenhaus. "

    Frei Otto forderte schon vor fünfzig Jahren ökologisches Bauen. Das menschliche Handeln und vor allem das Bauen mit der Natur in Einklang zu bringen, ist von Anbeginn sein Ziel gewesen. In diesem Sinn äußert er sich immer wieder zu philosophischen und architekturtheoretischen Grundsatzfragen des Bauens. Er ist das Gewissen der Architektenschaft.

    Frei Ottos ganzen Kosmos an Ideen präsentiert jetzt das Architekturmuseum in München auf eindrückliche Weise. Zahlreiche Zeichnungen von seiner Hand sind erstmals öffentlich ausgestellt. Experimentiermodelle vermitteln die Lust am Entdecken. Viele seiner Ideen sind so einleuchtend, dass man sich fragt: Warum ist die Welt nicht schon viel früher darauf gekommen?