Archiv


Bauen über Lucullus' Gärten

Das kunsthistorische Institut der deutschen Max-Plank-Gesellschaft - die Hertziana - soll eine neue Bibliothek bekommen. Kein leichtes Unterfangen, denn errichtet werden soll sie auf archäologisch wichtigem Terrain. Um neu entdeckte Mosaiken von beeindruckender Farbintensität zu bewahren, wird der Bau der Bibliothek zu einer ingenieurtechnischen Meisterleistung.

Von Thomas Migge | 12.06.2007
    Der Blick ist fantastisch. Im Rücken die spanische Treppe, rechts unter uns das historische Zentrum von Rom, linkerhand der Pincio-Hügel und direkt unter uns ein riesiges Loch. Das Innere des Gebäudes, das sich hier einmal erhob, ist verschwunden. Nur die beiden Fassaden zur Via Sistina und zur Via Gregoriana stehen noch. Die beiden anderen Seiten der fast viereckigen tiefen Baugrube werden von den Seitenwänden des Palazzo Zuccari und des Palazzo Stroganoff begrenzt - beides Gebäude, die zur Hertziana gehören, dem kunsthistorischen Institut der deutschen Max-Plank-Gesellschaft.

    Aus der Tiefe erhebt sich ein über 30 Meter hoher Kran. Zu sehen sind Dutzende von Stahlträgern und, tief darunter, aufgewühltes Erdreich. Elisabeth Kieven ist über diesen Anblick immer wieder erstaunt, wenn sie auf das Panoramadach der Hertziana steigt, deren Direktorin sie ist:

    "Der Neubau wurde notwendig, weil die Bibliothek, die erst in den 60er Jahren errichtet worden war, den strukturellen Anforderungen des ständig wachsenden Bücherbestandes nicht mehr standhielt und weil natürlich auch jetzt im Zuge der EU-Gesetzgebung neue Brandschutzanforderungen kamen. Wir mussten also hier einen Neubau errichten."

    Und was für einen! Der spanische Stararchitekt Juan Navarro Baldeweg entwarf ein ingenieurtechnisches Bravourstück, eine Neugestaltung, die auf das Innenleben einer historischen Hülle beschränkt. Ein für Roms historisches Zentrum einmaliges Projekt, das für zukünftige Neubauten auf archäologisch wichtigem Terrain beispielhaft sein wird.

    Elisabeth Kieven:

    "Der Wettbewerb für den Neubau ist 1995 geschehen und bei der Ausschreibung wusste man von den Schwierigkeiten. Wir stehen auf einer archäologischen Zone, die freibleiben musste für Ausführungen. Damit lastet ein ungeheures Gewicht auf den Fundamenten, gleichzeitig konnten wir aber nicht eine breite Fundamentierung machen, weil wir auf den Gärten des Lukull stehen, weil wir wissen, dass wir auf einem Nymphäum stehen."

    Die Baustelle der neuen Bibliothek der Hertziana erhebt sich über den bereits in den 60er Jahren entdeckten Resten einer Gartenanlage aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, die dem römischen General, Politiker und Feinschmecker Lukull gehörte. Erst vor kurzem wurden Mosaiken eines Nymphäums freigelegt, die einen Putto, Blumenmotive, Säulen und eine Brüstung zeigen. Mosaiken von beeindruckender Farbintensität.

    Um diese archäologischen Funde zu bewahren und später einmal zugänglich zu machen, musste Baldeweg sein Projekt den Gegebenheiten anpassen. Der Architekt ließ dafür unterhalb der beiden Fassaden bei der Via Sistina und der Via Gregoriana 170 so genannten Mikropfähle mit einem Durchmesser von rund 15 Zentimetern 36 und 48 Meter tief ins Erdreich rammen. Auf diesen an zwei Seiten des Bauwerks aus dem Boden ragenden Pfählen wird die zukünftige Bibliothek ruhen: mit ihren sechs Stockwerken und mehr als 250 Tausend Büchern. Die Pfähle werden also ein enormes Gewicht tragen. Die gesamte Konstruktion hat das Ziel, die archäologischen Funde zu bewahren und weiter auszugraben. Eine ingenieurtechnische Meisterleistung - und die einzige Methode überhaupt, um in Rom auf einem archäologisch wichtigen Terrain etwas bauen zu können. Diese Umstände führten zu zeitlichen Verzögerungen bei der Realisierung der neuen Bibliothek, erklärt Hertziana-Direktorin Kieven:

    "Natürlich ist keiner glücklich, dass sich die Bauarbeiten länger hinziehen als gedacht. Jeder versteht aber, dass wir hier vor außergewöhnlichen Schwierigkeiten stehen. Hinzu kommt, das wir viel früher als erwartet auf archäologische Substanz stießen. Das bedeutete, wir mussten ein Treppenhaus umplanen. Das hat uns dann wieder sieben Monate gekostet. Wir sind von der römischen Denkmalbehörde als Musterfall gepriesen worden, als Beispiel, wie man mit archäologischer Substanz umgehen soll. Es ist lästig, aber wir müssen hindurch."

    Der Abschluss der Bauarbeiten ist für das Jahr 2009 geplant.

    Unsicher ist noch ein Teil der Finanzierung der neuen Bibliothek: zwei Drittel des rund 10 Millionen teuren Neubaus übernimmt die Max-Plank-Gesellschaft, einen weiteren Teil finanzieren Sponsoren, doch rund 1,8 Millionen Euro fehlen noch und Institutsdirektorin Elisabeth Kieven sucht händeringend nach neuen Geldgebern. Sie hofft, dass die archäologischen Grabungen am römischen Nymphäum des Lukull noch ein großes Mosaik freilegen werden. Eine solche Nachricht, weiß sie, lockt schnell Sponsoren an.