Proteste
Deutscher Bauernverband distanziert sich von Blockade-Aktion gegen Habeck

Der Deutsche Bauernverband hat sich von der Blockade-Aktion norddeutscher Landwirte gegen Bundeswirtschaftsminister Habeck distanziert. Zuvor hatten bereits Politiker mehrerer Parteien scharfe Kritik geübt. Landwirte hatten Habeck gestern Abend daran gehindert, auf dem Rückweg von einem Urlaub eine Nordsee-Fähre zu verlassen. Sie versuchten, das Schiff zu stürmen.

    Das Bild ist unscharf und dunkel: Man sieht die Bauern als Menschenmenge von hinten. Im Hintergrund beleuchtet die Fähre.
    Screenshot: Bauern blockieren die Fähre mit Robert Habeck. (- / WestküstenNews / dpa / -)
    Der Präsident des Bauernverbands, Ruckwied, erklärte, Blockaden dieser Art seien ein "No-Go". Man wahre die demokratischen Gepflogenheiten, hieß es in einer Pressemitteilung. Ähnlich äußerte sich Bauernverband-Generalsekretär Krüsken. Er sprach im Westdeutschen Rundfunk von einer Grenzüberschreitung und von einer Verletzung der Privatsphäre. Krüsken wandte er sich gegen Gewalt und Nötigung.

    Kritik auch von Habeck selbst

    Am Vormittag äußerte ich auch Habeck selbst zu dem Vorfall und zeigte sich besorgt über das gesellschaftliche Klima in Deutschland. Die Stimmung im Land sei sehr aufgeheizt, sagte der Grünen-Politiker. Protestieren in Deutschland sei ein hohes Gut, betonte Habeck. Nötigung und Gewalt aber zerstörten es. Er bedaure, dass auf dem Schiff keine Gesprächssituation mit den Landwirten zustande gekommen sei. Habeck war eigentlich zu dazu bereit; die Polizei hatte dies aber als zu gefährlich eingeschätzt. Das Angebot, dass Habeck mit einer Delegation mit nur einigen der Protestierenden redet, wurde von den Landwirten den Angaben zufolge abgelehnt.

    Bauern wollten Fähre stürmen

    Habeck hatte am gestrigen Abend am Fährhafen Schlüttsiel in Schleswig-Holstein von seinem Urlaub auf der Nordseeinsel Hallig Hooge zurückkehren wollen. Nach Angaben der Polizei waren mehr als 100 Demonstranten am Fähranleger. Die wütenden Bauern drohten die Fähre zu stürmen, so dass sie wieder ablegen und zur Insel zurückfahren musste. Auf Filmen im Internet ist zu sehen, wie zahlreiche Menschen Polizisten auf der Fährrampe in Richtung des Schiffs zurückdrängen. Nach Angaben der Polizei setzte sie Pfefferspray ein. Laut einer Sprecherin des Bundeswirtschaftsministers hatte Habeck angeboten, mit einzelnen protestierenden Landwirten vor Ort zu sprechen - das hätten die aber abgelehnt.

    Scholz: "Beschämend"

    Bei der Politik stieß die Aktion der Landwirte in weiten Teilen auf Empörung. Diese Aktion verstoße gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders und sei beschämend, erklärte Kanzler Scholz auf der Online-Plattform X. SPD-Generalsekretär Kühnert sagte dem Tagesspiegel, wer bereit sei, das Faustrecht zu akzeptieren, wenn es politisch grad in den Kram passe, der spiele mit unserer Demokratie. Jede klammheimliche Freude über solche Einschüchterungen verbiete sich. Die Ablehnung von Gewalt als Mittel der Politik dürfe von Demokraten niemals als eine Frage der Opportunität behandelt werden.
    Vielfach Kritik kam auch von Habecks Grünen. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir sagte im ARD-Fernsehen, zwar habe er großes Verständnis für die Nöte der Bauern. Aber von dieser radikalen Minderheit, die - so wörtlich - "feuchte Träume von Umstürzen" habe, sollte sich der Bauernverband distanzieren. Zuvor hatte er bereits erklärt, er messe immer mit gleichem Maß, ob bei Klimaklebern oder bei den Bauern am Fährhafen: Gewalt und Nötigung seien verachtenswert. Auch Umweltministerin Lemke hatte eine klare Distanzierung des Deutschen Bauernverbands verlangt - die nun ja auch kam. Außenministerin Baerbock schrieb, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt würden sei eine demokratische Grenze überschritten.

    Wagenknecht nennt Habecks Reaktion "weinerlich"

    Justizminister Marco Buschmann von der FDP schrieb auf X: "Dass man auch mal wütend ist - geschenkt. Aber klar ist: Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren! Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren."
    AfD-Chefin Weidel warf Habeck dagegen vor, er begehe lieber - Zitat - "Fährenflucht", statt den Dialog zu suchen. Auch die Bundestagsabgeordnete Wagenknecht äußerte Verständnis für die Aktion der Bauern. Sie bezeichnete die Reaktion Habecks als "peinlich" und "weinerlich". Die Ampel mache Bauern zu "Melkkühen ihrer verfehlten Politik", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Jeder Euro Mehrbelastung für Landwirte in Deutschland sei einer zu viel. Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Vorsitzende der Freien Wähler, Aiwanger, nahm die Bauern ebenfalls in Schutz. Die Schuld für die Bauernwut liege allein bei der existenzgefährdenden Ampelpolitik, sagte er der F.A.Z.

    Bundesregierung gibt nach

    Bauern in ganz Deutschland protestieren derzeit gegen Pläne der Bundesregierung, bestimmte Subventionen zu streichen oder zu kürzen - mit Erfolg: Gestern hatte die Bundesregierung angekündigt, dass die Befreiung von der Kfz-Steuer in der Landwirtschaft bestehen bleibt. Die Steuervergünstigungen beim Agrardiesel sollen demnach schrittweise bis 2026 reduziert werden, um den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Anpassung zu geben. Die Proteste sollen dennoch weitergehen.
    Diese Nachricht wurde am 05.01.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.