Pünktlich zum ersten Tag der Grünen Woche in Berlin rollten auch die Traktoren - und zwar gleich in mehreren Städten. Protest gegen eine Agrarpolitik, die die Interessen und Nöte vieler Landwirte aus dem Blick verloren habe. Aufgerufen hatte die noch recht neue Initiative "Land schafft Verbindung" - und im Gegensatz zu früheren Protesten, wo auch Vertreter rechtspopulistischer Strömungen lautstark mitmachten, gab man heute auch den sogenannten etablierten Parteien eine Bühne. In Berlin warb deshalb beispielsweise Carina Konrad, Agrarexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, dafür, den Dialog nicht abreißen zu lassen:
"Auch wenn die Hand mal weggeschlagen wird, muss man sie trotzdem wieder reichen. Dann geht es auch weiter. Denn nur so können wir die Agrarbetriebe auch zukunftsfähig machen und in die nächste Generation führen."
"Die Stimmung ist generell nicht gut"
Ein paar Kilometer weiter öffnete am Morgen die Grüne Woche ihre Pforten, die weltgrößte Messe der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Dass die Stimmung unter den Landwirten derzeit nicht die beste ist, ließ schon vorab der Deutsche Bauernverband verlauten. Die Investitionsbereitschaft gehe zurück. Nach Berlin gekommen ist auch Axel Ricke, ein Milchbauer aus Bayern:
"Ja, die Stimmung ist generell nicht so gut. Weil wir durch Auslandsprodukte immer wieder unter Preisdruck geraten. Wir werden praktisch staats- und industrieabhängig gemacht, dass das Produkt den Preis, den es eigentlich erzielen sollte, nicht erzielen kann."
Klimaschutz geht auch an der Landwirtschaft nicht vorbei
Glaubt man den Experten, dann ist die Grüne Woche politischer denn je. Klimaschutz ist ein großes Thema. Das Umweltbundesamt schreibt der Landwirtschaft hierzulande einen Anteil von rund sieben Prozent am Ausstoß der Treibhausgase zu. Handlungsbedarf - auch für Joachim Rukwied, den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes:
"Wir haben uns beispielsweise das Ziel gesetzt, die Emissionen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Wir wollen auch den Anteil von Gülle im Biogas steigern. Derzeit haben wir da rund 20 bis 25 Prozent - das wollen wir auf etwa 60 Prozent erhöhen. Auch das hat am Ende Emissionsreduktionen zur Folge."
Erstmals auf der Grünen Woche vertreten ist die Fridays-for-Future-Bewegung: Die jungen Klimaschützer wollen auf jeden Fall weniger Agrarindustrie, stattdessen mehr Wertschätzung für Lebensmittel, sagt Niklas Schober:
"Dass man auf jeden Fall auf Massentierhaltung verzichten sollte. Fleisch essen ist für mich jetzt nichts Schlimmes, aber Massentierhaltung eben schon. Und wir wollen auch faire und lokale Produkte. Das sind ganz wichtige Punkte."
Die Bundesregierung setzt die falschen Schwerpunkte
Mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft fordert auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU). Hähnchenschenkel für lediglich ein paar Eurocent - das sei - so wörtlich - unanständig. Doch Kritiker wie Felix Prinz zu Löwenstein vom Bundesverband Ökologische Lebensmittelwirtschaft beruhigt das nicht, besonders auf europäischer Ebene engagiere sich die Regierung zu wenig.
"Wir müssen heute sagen, dass wir am Ende eines Prozesses eine Agrarpolitik brauchen, die für mehr Klima-, Tier- und Umweltschutz sorgt. Und zwar ausschließlich. Stattdessen halten wir am alten Schema von Einkommensübertragungen fest, je mehr Fläche einer hat, desto mehr die Belohnung. Da machen wir etwas falsch."
Und auch morgen werden in Berlin Proteste weitergehen. Dann versammeln sich in Berlin all jene, die für eine nachhaltigere Agrarpolitik werben wollen. Rund 10.000 Teilnehmer werden erwartet.