Dirk Müller: Greening steht überall geschrieben. Damit sind nicht die deutschen Grünen auf Englisch gemeint, sondern das ganze zielt ab auf die Reform der europäischen Landwirtschaft. Alles soll grüner werden, haben alle Beteiligten versprochen, auch die zuständigen Minister aus den Mitgliedsstaaten. Doch wie so oft sieht die Wirklichkeit etwas anders aus als der Anspruch, denn die Kritiker der neuen Agrarpolitik vermissen gerade das neue Grüne. Dennoch: Die Minister haben kurz nach Mitternacht die Reform unter Dach und Fach gebracht, zumindest erst einmal untereinander.
Die Agrarreform in Europa, unser Thema jetzt auch mit dem Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Helmut Born. Guten Morgen!
Helmut Born: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Born, wollen Sie nicht auch mal wieder eine Tomate essen, die nach Tomate schmeckt?
Born: Ja, das tue ich sogar sehr gerne und, ich glaube, viele Konsumenten mit. Wir werden sagen: Wenn Sie heute in den Laden gehen, finden Sie die Tomaten.
Müller: Können Sie mir die Adresse geben?
Born: Ja. Jeder Lebensmittel-Einzelladen um die Ecke.
Müller: Die kleinen?
Born: Die kleinen, natürlich, wie die großen. Gerade bei Tomaten, glaube ich, ist eine ganze Menge in Züchtung und Anbau gemacht worden, um wirklich den Geschmack wieder reinzukriegen.
Müller: Und das hat der EU-Kommissar dann nicht mit Verwässerung gemeint?
Born: Nein, das hat er nicht gemeint, sondern er meint, das, was von ihm als Vorschlag des Greening kam, sei nicht so lupenrein übernommen worden. Das stimmt. Im Parlament wie jetzt beim Ministerrat hat man das getan, wofür wir immer werben: Wir wollen das Greening, aber man muss dann auch hinschauen, was haben einzelne Länder bisher getan. Und wenn ich durch Deutschland fahre, sehe ich viele Hecken, Büsche, Dinge, die es in erosionsgefährdeten Ländern im Mittelmeerraum nicht gibt. Und uns dann deshalb Regeln für Spanien hier aufzudrücken, das war falsch und das wird jetzt korrigiert.
Müller: Das heißt, ganz klar für den Deutschen Bauernverband, für die Interessensvertretung vieler Bauern, zumindest nicht für alle, ist das alles viel zu grün gewesen, was den Ursprungsentwurf anbetrifft?
Born: Nein! Noch einmal: überhaupt nicht! Wir müssen nur darauf bestehen, das, was Länder als Vorleistung einbringen in dieses Greening, muss anerkannt werden, und das hat der Ministerrat jetzt festgelegt.
Müller: Das habe ich jetzt aber immer noch nicht verstanden. Das heißt, Sie hätten sich jetzt auch gewünscht, dass es noch grüner wird?
Born: Zum Beispiel ein Punkt, wir haben es ja gehört: Grünlandumbruch ist in Deutschland seit Jahr und Tag Gesetz. Ein Punkt war, drei oder fünf oder sieben Prozent jetzt zu greenen, sprich extensiver zu bewirtschaften. Ja wir haben schon 17 Prozent in dieser Kategorie drin! Und uns ging es nur darum, wir sind für Greening, dass das, was wir hier in Deutschland schon machen, wer mal durch Schleswig-Holstein fährt und die Knicks sieht, die seit Jahrhunderten geschützt werden, dass das anerkannt wird, und das ist gestern gelungen.
Müller: Das heißt, bei uns ist im Grunde schon alles in Ordnung?
Born: Bei uns werden wir zum Beispiel hinsichtlich der Düngung in viehintensiven Gebieten etwas tun müssen, aber das war gar nicht Gegenstand des Greenings. Dann müssen wir uns darüber unterhalten, was denn wirklich in diesem Greening drin steckt.
Müller: Es gibt jetzt aber auch, Herr Born, viel Kritik daran, dass es immer noch abhängig ist von der Produktion und nicht von der Fläche. Teilen Sie das?
Born: Das stimmt überhaupt nicht! Ob auf diesem Hektar Biodiversität oder Artenschutz gemacht wird, ob da ein Acker ist oder dieser Hektar sich im Gebirge als Alm befindet, haben wir in Deutschland – in dem Vorspann ist es ja eben angeklungen – bisher alle Hektare gleich behandelt. Das heißt, im Grunde ist der Hektar, wo wenig produziert wird, sogar bessergestellt als der, wo mehr produziert wird, und deshalb haben wir ein Modell, was sehr gut in diese Ideen von Herrn Ciolos hineinpasst. Nur er hat es bisher nie aufgenommen.
Müller: Aber mehr Kühe bringen also auch in Deutschland nicht mehr Geld?
Born: Nein! Wenn jemand – ich sage es mal sehr hart, was ja häufig der Vorwurf ist: Wir haben Regionen, wo Tiere ohne Fläche gehalten werden. Der bekommt keinen Pfennig nach unserem deutschen Modell, und das ist richtig so.
Müller: Und wieso wird das jetzt kritisiert? Verstehen Sie das, wenn selbst der Kommissar sagt, wir hätten da eigentlich ein bisschen mehr abkoppeln sollen von der Produktion?
Born: Nein. Sie merken ja, er hat für diese Idee ja viel Rückendeckung. Auch wir haben immer wieder gesagt, wir sind für das Greening. Aber er hat, ich sage mal, seine Schwierigkeiten gehabt, von Rumänien, Bulgarien bis Portugal oder Finnland, zu akzeptieren, dass die Ausgangsbasis sehr, sehr unterschiedlich ist, und da bringen wir als Deutsche sehr viel ein.
Müller: Es gibt ja auch immer viel Verbraucherkritik, und wir kommen ein bisschen zu den Tomaten zurück, vielleicht auch zum Fleisch. Wir haben sehr viel in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder über diverse Skandale und so was gesprochen. Es gibt immer viel Kritik von den Umweltverbänden, aber auch von den Verbraucherverbänden an einer zunehmenden Industrialisierung auch gerade der deutschen Landwirtschaft. Warum ist es so weit gekommen?
Born: Weil das Bild, was wir beispielsweise in der Tierhaltung liefern, nicht mit dem übereinstimmt, was man in Kinderbüchern, in der Schule wie auch immer als idyllischen Bauernhof geliefert bekommt. Und ja, da ist auf unserer Seite auch eine Bringschuld. Die Landwirtschaft ist Teil einer Produktionskette. Es geht nicht nur um die 300.000 landwirtschaftlichen Betriebe mit einer Million Menschen. Wir haben in Deutschland fünf Millionen Menschen, die auch heute Morgen jeden Tag dafür sorgen, dass unser tägliches Brot geliefert wird, und das funktioniert heute sehr wohl tiergerecht, aber in anderen Tierbestandsgrößen. Das funktioniert heute nicht in der kleinen Bäckerei, sondern in größeren Fabrikanlagen.
Müller: Und das ist die einzige Alternative, das muss so sein?
Born: Nein, das ist erst einmal Realität und das entspricht in hohem Maße nicht dem, was man sich darunter vorstellt, und darüber müssen wir reden. Ja, auch wir können einiges besser machen.
Müller: Ist das denn richtig, was man sich darunter vorstellt?
Born: Es ist erst einmal eine fantastische Geschichte, dass wir in Deutschland in diesem, man nennt so etwas heute Cluster, in dieser Produktionskette bei Nahrungsmitteln, angefangen vorne beim Landwirt bis zur Bäckerei und zum Einzelhandelsladen, dass wir dort heute mehr Menschen beschäftigt haben als bei denjenigen, die Automobile herstellen. Und man muss aufhören, hier Feindbilder aufzubauen. Wir sind bereit, unsere Höfe zu öffnen. Die Ernährungsindustrie ist bereit, ihre Betriebe zu öffnen, mit dem Verbraucher zu diskutieren und ihm zu zeigen, wie es in der Realität ist. Ich gebe zu, wenn ich mir die Werbung für manche Milchprodukte anschaue, dann muss ich den Eindruck gewinnen, als würden wir als Senner immer noch das einzelne Kilo Butter erzeugen, und das ist natürlich was anderes heute.
Müller: Sagen Sie das auch den Unternehmen, die so werben?
Born: Das sagen wir sehr deutlich. Da wird genau das verfestigt, was uns in der Darstellung dessen, was wir gut in die Wirtschaft, in den Arbeitsmarkt, aber auch in die Umwelt hinein tun, einfach dadurch immer wieder konterkariert, dass diese alten Bilder tradiert transportiert werden.
Müller: Herr Born, würden Sie das unterschreiben: klein ist besser als größer?
Born: Nein, auf jeden Fall nicht. Ich komme aus einer Zeit, wo in einem kleinen Bauernhof zehn angekettete Kühe das ganze Jahr mit dem Kopf vor der Wand standen. Heute haben wir Kühe in 100 oder 150er-Größenordnungen, frei laufend, die selbst wählen können, wann sie fressen oder gemolken werden können. Dann geht es der Kuh zehnmal besser als in dem kleinen Betrieb von anno dazumal.
Müller: Haben die Hühner bei uns auch Platz genug?
Born: Darüber wird gerade mit dem Lebensmittel-Einzelhandel diskutiert. Wir möchten den Hühnern mehr Platz geben. Dann muss man aber bei völlig offenen Märkten den deutschen Hühnerhaltern auch eine Möglichkeit geben, das was das an Mehrkosten gegenüber einem brasilianischen Anbieter bedeutet auch tatsächlich zu erstatten, und über diese Tierwohlinitiative reden wir ganz konkret. Ja, die Hühner sollen mehr Fläche haben.
Müller: Sie werden ja vom Bauernverband häufig damit konfrontiert, mit dieser Kritik - wir haben darüber gesprochen -, von den Verbrauchern, von den Umweltschutzverbänden. Jetzt einmal umgekehrt gedacht: Könnte ein etwas höherer Preis mit einer besseren Qualität mittelfristig nicht auch ein Marktvorteil sein?
Born: Natürlich! Dafür werben wir ja gerade beim Lebensmittel-Einzelhandel. Wir haben doch in den letzten 20, 25 Jahren erlebt, dass Lebensmittel nur über den Preis, und zwar nach unten, verkauft werden. Wir wollen einen echten Qualitätswettbewerb, dass derjenige, der mehr für Tierschutz, der mehr für die Umwelt und die Landschaft tut, tatsächlich auch einen höheren Erlös bekommt. Und ich habe den Eindruck, so langsam dämmert es auch dort, dass bei den großen Unternehmen, die dort letztendlich den Verbraucher ja ansprechen, etwas getan werden muss, damit wir vorne die Produktion ändern. Das ist keine Frage von Herrn Ciolos, sondern wie wir miteinander in der Lebensmittelkette auch mit dem Verbraucher umgehen.
Müller: Herr Born, letzte Frage mit Blick auf die Uhr. Wir haben jetzt den Kompromiss der Minister eben gehört in den Details. Sie ziehen da voll mit?
Born: Nein, nicht voll mit. Das ist aber gar keine Frage des Greening. Ich habe gesagt, unsere Kritik setzt woanders an, das ist ja angeklungen. Es geht auch um Mittelverteilung in Europa. Es geht auch darum, wie wir Märkte überhaupt gestalten können, und dort stecken im Detail noch einige Sachen drin, die uns Kopfzerbrechen machen, alle miteinander, auch den Verbrauchern. Wenn ich zum Beispiel an die Vorschläge bei Zucker denke, da müssen wir noch einmal drüber reden.
Müller: Heißt zu wenig Geld?
Born: Nein, eben nicht, sondern heißt, ob wir wieder eine Rolle rückwärts, den Staat in die Gestaltung, in die "Ordnung" der Märkte hinein nehmen, oder ob wir miteinander versuchen, genau das zu machen, was wir eben diskutiert haben: den Verbraucher davon zu überzeugen, mehr für preiswerte, ihren Preis werte Lebensmittel zu zahlen, und dass das durch eine Agrarreform gestützt und nicht wieder aufgehoben wird.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Helmut Born. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Born: Bitte schön – auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Agrarreform in Europa, unser Thema jetzt auch mit dem Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Helmut Born. Guten Morgen!
Helmut Born: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Born, wollen Sie nicht auch mal wieder eine Tomate essen, die nach Tomate schmeckt?
Born: Ja, das tue ich sogar sehr gerne und, ich glaube, viele Konsumenten mit. Wir werden sagen: Wenn Sie heute in den Laden gehen, finden Sie die Tomaten.
Müller: Können Sie mir die Adresse geben?
Born: Ja. Jeder Lebensmittel-Einzelladen um die Ecke.
Müller: Die kleinen?
Born: Die kleinen, natürlich, wie die großen. Gerade bei Tomaten, glaube ich, ist eine ganze Menge in Züchtung und Anbau gemacht worden, um wirklich den Geschmack wieder reinzukriegen.
Müller: Und das hat der EU-Kommissar dann nicht mit Verwässerung gemeint?
Born: Nein, das hat er nicht gemeint, sondern er meint, das, was von ihm als Vorschlag des Greening kam, sei nicht so lupenrein übernommen worden. Das stimmt. Im Parlament wie jetzt beim Ministerrat hat man das getan, wofür wir immer werben: Wir wollen das Greening, aber man muss dann auch hinschauen, was haben einzelne Länder bisher getan. Und wenn ich durch Deutschland fahre, sehe ich viele Hecken, Büsche, Dinge, die es in erosionsgefährdeten Ländern im Mittelmeerraum nicht gibt. Und uns dann deshalb Regeln für Spanien hier aufzudrücken, das war falsch und das wird jetzt korrigiert.
Müller: Das heißt, ganz klar für den Deutschen Bauernverband, für die Interessensvertretung vieler Bauern, zumindest nicht für alle, ist das alles viel zu grün gewesen, was den Ursprungsentwurf anbetrifft?
Born: Nein! Noch einmal: überhaupt nicht! Wir müssen nur darauf bestehen, das, was Länder als Vorleistung einbringen in dieses Greening, muss anerkannt werden, und das hat der Ministerrat jetzt festgelegt.
Müller: Das habe ich jetzt aber immer noch nicht verstanden. Das heißt, Sie hätten sich jetzt auch gewünscht, dass es noch grüner wird?
Born: Zum Beispiel ein Punkt, wir haben es ja gehört: Grünlandumbruch ist in Deutschland seit Jahr und Tag Gesetz. Ein Punkt war, drei oder fünf oder sieben Prozent jetzt zu greenen, sprich extensiver zu bewirtschaften. Ja wir haben schon 17 Prozent in dieser Kategorie drin! Und uns ging es nur darum, wir sind für Greening, dass das, was wir hier in Deutschland schon machen, wer mal durch Schleswig-Holstein fährt und die Knicks sieht, die seit Jahrhunderten geschützt werden, dass das anerkannt wird, und das ist gestern gelungen.
Müller: Das heißt, bei uns ist im Grunde schon alles in Ordnung?
Born: Bei uns werden wir zum Beispiel hinsichtlich der Düngung in viehintensiven Gebieten etwas tun müssen, aber das war gar nicht Gegenstand des Greenings. Dann müssen wir uns darüber unterhalten, was denn wirklich in diesem Greening drin steckt.
Müller: Es gibt jetzt aber auch, Herr Born, viel Kritik daran, dass es immer noch abhängig ist von der Produktion und nicht von der Fläche. Teilen Sie das?
Born: Das stimmt überhaupt nicht! Ob auf diesem Hektar Biodiversität oder Artenschutz gemacht wird, ob da ein Acker ist oder dieser Hektar sich im Gebirge als Alm befindet, haben wir in Deutschland – in dem Vorspann ist es ja eben angeklungen – bisher alle Hektare gleich behandelt. Das heißt, im Grunde ist der Hektar, wo wenig produziert wird, sogar bessergestellt als der, wo mehr produziert wird, und deshalb haben wir ein Modell, was sehr gut in diese Ideen von Herrn Ciolos hineinpasst. Nur er hat es bisher nie aufgenommen.
Müller: Aber mehr Kühe bringen also auch in Deutschland nicht mehr Geld?
Born: Nein! Wenn jemand – ich sage es mal sehr hart, was ja häufig der Vorwurf ist: Wir haben Regionen, wo Tiere ohne Fläche gehalten werden. Der bekommt keinen Pfennig nach unserem deutschen Modell, und das ist richtig so.
Müller: Und wieso wird das jetzt kritisiert? Verstehen Sie das, wenn selbst der Kommissar sagt, wir hätten da eigentlich ein bisschen mehr abkoppeln sollen von der Produktion?
Born: Nein. Sie merken ja, er hat für diese Idee ja viel Rückendeckung. Auch wir haben immer wieder gesagt, wir sind für das Greening. Aber er hat, ich sage mal, seine Schwierigkeiten gehabt, von Rumänien, Bulgarien bis Portugal oder Finnland, zu akzeptieren, dass die Ausgangsbasis sehr, sehr unterschiedlich ist, und da bringen wir als Deutsche sehr viel ein.
Müller: Es gibt ja auch immer viel Verbraucherkritik, und wir kommen ein bisschen zu den Tomaten zurück, vielleicht auch zum Fleisch. Wir haben sehr viel in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder über diverse Skandale und so was gesprochen. Es gibt immer viel Kritik von den Umweltverbänden, aber auch von den Verbraucherverbänden an einer zunehmenden Industrialisierung auch gerade der deutschen Landwirtschaft. Warum ist es so weit gekommen?
Born: Weil das Bild, was wir beispielsweise in der Tierhaltung liefern, nicht mit dem übereinstimmt, was man in Kinderbüchern, in der Schule wie auch immer als idyllischen Bauernhof geliefert bekommt. Und ja, da ist auf unserer Seite auch eine Bringschuld. Die Landwirtschaft ist Teil einer Produktionskette. Es geht nicht nur um die 300.000 landwirtschaftlichen Betriebe mit einer Million Menschen. Wir haben in Deutschland fünf Millionen Menschen, die auch heute Morgen jeden Tag dafür sorgen, dass unser tägliches Brot geliefert wird, und das funktioniert heute sehr wohl tiergerecht, aber in anderen Tierbestandsgrößen. Das funktioniert heute nicht in der kleinen Bäckerei, sondern in größeren Fabrikanlagen.
Müller: Und das ist die einzige Alternative, das muss so sein?
Born: Nein, das ist erst einmal Realität und das entspricht in hohem Maße nicht dem, was man sich darunter vorstellt, und darüber müssen wir reden. Ja, auch wir können einiges besser machen.
Müller: Ist das denn richtig, was man sich darunter vorstellt?
Born: Es ist erst einmal eine fantastische Geschichte, dass wir in Deutschland in diesem, man nennt so etwas heute Cluster, in dieser Produktionskette bei Nahrungsmitteln, angefangen vorne beim Landwirt bis zur Bäckerei und zum Einzelhandelsladen, dass wir dort heute mehr Menschen beschäftigt haben als bei denjenigen, die Automobile herstellen. Und man muss aufhören, hier Feindbilder aufzubauen. Wir sind bereit, unsere Höfe zu öffnen. Die Ernährungsindustrie ist bereit, ihre Betriebe zu öffnen, mit dem Verbraucher zu diskutieren und ihm zu zeigen, wie es in der Realität ist. Ich gebe zu, wenn ich mir die Werbung für manche Milchprodukte anschaue, dann muss ich den Eindruck gewinnen, als würden wir als Senner immer noch das einzelne Kilo Butter erzeugen, und das ist natürlich was anderes heute.
Müller: Sagen Sie das auch den Unternehmen, die so werben?
Born: Das sagen wir sehr deutlich. Da wird genau das verfestigt, was uns in der Darstellung dessen, was wir gut in die Wirtschaft, in den Arbeitsmarkt, aber auch in die Umwelt hinein tun, einfach dadurch immer wieder konterkariert, dass diese alten Bilder tradiert transportiert werden.
Müller: Herr Born, würden Sie das unterschreiben: klein ist besser als größer?
Born: Nein, auf jeden Fall nicht. Ich komme aus einer Zeit, wo in einem kleinen Bauernhof zehn angekettete Kühe das ganze Jahr mit dem Kopf vor der Wand standen. Heute haben wir Kühe in 100 oder 150er-Größenordnungen, frei laufend, die selbst wählen können, wann sie fressen oder gemolken werden können. Dann geht es der Kuh zehnmal besser als in dem kleinen Betrieb von anno dazumal.
Müller: Haben die Hühner bei uns auch Platz genug?
Born: Darüber wird gerade mit dem Lebensmittel-Einzelhandel diskutiert. Wir möchten den Hühnern mehr Platz geben. Dann muss man aber bei völlig offenen Märkten den deutschen Hühnerhaltern auch eine Möglichkeit geben, das was das an Mehrkosten gegenüber einem brasilianischen Anbieter bedeutet auch tatsächlich zu erstatten, und über diese Tierwohlinitiative reden wir ganz konkret. Ja, die Hühner sollen mehr Fläche haben.
Müller: Sie werden ja vom Bauernverband häufig damit konfrontiert, mit dieser Kritik - wir haben darüber gesprochen -, von den Verbrauchern, von den Umweltschutzverbänden. Jetzt einmal umgekehrt gedacht: Könnte ein etwas höherer Preis mit einer besseren Qualität mittelfristig nicht auch ein Marktvorteil sein?
Born: Natürlich! Dafür werben wir ja gerade beim Lebensmittel-Einzelhandel. Wir haben doch in den letzten 20, 25 Jahren erlebt, dass Lebensmittel nur über den Preis, und zwar nach unten, verkauft werden. Wir wollen einen echten Qualitätswettbewerb, dass derjenige, der mehr für Tierschutz, der mehr für die Umwelt und die Landschaft tut, tatsächlich auch einen höheren Erlös bekommt. Und ich habe den Eindruck, so langsam dämmert es auch dort, dass bei den großen Unternehmen, die dort letztendlich den Verbraucher ja ansprechen, etwas getan werden muss, damit wir vorne die Produktion ändern. Das ist keine Frage von Herrn Ciolos, sondern wie wir miteinander in der Lebensmittelkette auch mit dem Verbraucher umgehen.
Müller: Herr Born, letzte Frage mit Blick auf die Uhr. Wir haben jetzt den Kompromiss der Minister eben gehört in den Details. Sie ziehen da voll mit?
Born: Nein, nicht voll mit. Das ist aber gar keine Frage des Greening. Ich habe gesagt, unsere Kritik setzt woanders an, das ist ja angeklungen. Es geht auch um Mittelverteilung in Europa. Es geht auch darum, wie wir Märkte überhaupt gestalten können, und dort stecken im Detail noch einige Sachen drin, die uns Kopfzerbrechen machen, alle miteinander, auch den Verbrauchern. Wenn ich zum Beispiel an die Vorschläge bei Zucker denke, da müssen wir noch einmal drüber reden.
Müller: Heißt zu wenig Geld?
Born: Nein, eben nicht, sondern heißt, ob wir wieder eine Rolle rückwärts, den Staat in die Gestaltung, in die "Ordnung" der Märkte hinein nehmen, oder ob wir miteinander versuchen, genau das zu machen, was wir eben diskutiert haben: den Verbraucher davon zu überzeugen, mehr für preiswerte, ihren Preis werte Lebensmittel zu zahlen, und dass das durch eine Agrarreform gestützt und nicht wieder aufgehoben wird.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Helmut Born. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Born: Bitte schön – auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.