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Bauhaus-Ausstellung in Oldenburg
"Zwischen Utopie und Anpassung"

Hundert Jahre nach ihrer Gründung wird die Kunstschule „Bauhaus“ überall in Deutschland gefeiert. Das Landesmuseum Oldenburg leistet sich einen unabhängigen Blick – und ermöglicht großartige Entdeckungen: das Bauhaus als Talent- und nicht als Heldenschmiede.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Maja Ellmenreich |
"Zwischen Utopie und Anpassung" im Landesmuseum Oldenburg
"Zwischen Utopie und Anpassung" - eine Bauhaus-Ausstellung im Landesmuseum Oldenburg (Sven Adelaide, Landesmuseum Oldenburg)
Genau heute vor einhundert Jahren erschien in der "Frankfurter Zeitung" der erste Artikel über die damals gerade erst gegründete Kunstschule "Bauhaus". Sie wollte das Handwerk wiederbeleben und gleichzeitig nach neuen Formen für Kunst und Design suchen. Der Autor des Artikels, der Kunsthistoriker Walter Müller-Wulckow, war begeistert - und erhielt wenig später den Auftrag, im niedersächsischen Oldenburg ein Landesmuseum aufzubauen. Auch dort bekannte er sich zu den neuen Ideen und stellte Produkte des Bauhauses als einer der ersten Museumsdirektoren in Deutschland aus. Ein privater Kunstverein unterstütze ihn dabei.
Die Ausstellung "Zwischen Utopie und Anpassung" zeigt nun aber nicht allein die Folgen, die die innovativen Ansätze aus Weimar – und später auch aus Dessau und Berlin – bis in die norddeutsche Provinz hatten. Sie erzählt auch die Lebens- und Werkgeschichte von vier Bauhausschülern aus der Region, die völlig unterschiedlich verliefen: Hans Martin Fricke wurde zum Kulturfunktionär und Auftragsarchitekten der Nationalsozialisten und beteiligte sich nach 1945 am Wiederaufbau. Dabei behielt er trotzdem sein Gespür für Qualität. Hermann Gautel eröffnete ein Ausstattungsgeschäft mit angeschlossener Tischlerei – und kehrte nicht mehr aus dem Krieg zurück. Karl Schwoon überlebte und eröffnete zunächst eine Galerie in Oldenburg, bevor er sein Geld als Bildredakteur verdiente.
Erste Reihe der Bauhaus-Künstler
Die größte Entdeckung der Ausstellung, die neben Möbeln, Einrichtungsgegenständen, Lampen, Entwurfszeichnungen, Textilien und Fotografien auch Werke von Klee, Kandinsky, Schlemmer, Muche, Moholy-Nagy, Feininger und anderen berühmten Bauhaus-Meistern zeigt, ist aber wohl der nahezu unbekannte Hin Bredendieck. In der Metallwerkstatt des Bauhauses arbeitete der gelernte Tischler unter anderem mit Marianne Brandt an deren berühmten Lampen, später in Berlin dann gemeinsam mit László Moholy-Nagy und Herbert Bayer. Bredendieck ging zunächst zu Siegfried Giedion in die Schweiz, kehrte dann nach Oldenburg zurück, wechselte 1937 ans von Emigranten gegründete "New Bauhaus" in Chicago und 1952 dann als Professor ans Georgia Institute of Technology in Atlanta.
Individuelle Talente formten den Ruhm
Der Weg dieser vier Bauhaus-Schüler, ihre Rückkehr in die Heimat und der Einfluss sowie die neuen Gestaltungsansätze, bildet die zweite Ebene der Oldenburger Ausstellung, für die Kuratorin Gloria Köpnick und Museumsdirektor Rainer Stamm im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojektes in Europa und den USA recherchiert haben. Noch kurz vor Ausstellungsbeginn gelang sogar der Ankauf des Nachlasses von Hin Bredendieck, der damit in die erste Reihe der Bauhaus-Künstler aufrücken dürfte. Nicht allein diese echte Entdeckung lohnt aber den Weg nach Oldenburg: Hier und im hervorragenden Katalog (Michael Imhof Verlag) wird Bauhausgeschichte nicht als Heldengeschichte verstanden. Hier wird – in einem Museum, das sich noch als Ort von Bildung, Forschung und überzeugender Vermittlung versteht – endlich einmal über eine Institution erzählt, deren berechtigter Ruhm nicht auf abstrakten Ideen und Orten, sondern bis heute auf dem Talent von Individuen beruht.