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Bauhaus und NS-Design
"Es gibt kein an sich gutes Design"

Im Jubiläumsjahr werde das Bauhaus zu sehr idealisiert, findet Designexperte und Kunsttheoretiker Michael Erlhoff. Etliche der Absolvent*innen seien tief in NS-Dimensionen involviert gewesen. Zu sagen: Präzision, Perfektion, Funktion seien an und für sich gut, sei völliger Blödsinn, sagte er im Dlf.

Michael Erlhoff im Corsogespräch mit Sigrid Fischer |
    Der Architekt Ludwig Mies van der Rohe (M) mit Herbert S. Greenwald (l) und Robert H. McCormick jr. (r) vor dem Modell eines von ihm entworfenen und in Chicago gebauten Hauses aus Glas und Stahl (undatiert).
    Ludwig Mies van der Rohe (M.) in den USA: Das Foto zeigt ihn im Exil mit Herbert S. Greenwald (l.) und Robert H. McCormick jr. (r.) vor dem Modell eines von ihm entworfenen und in Chicago gebauten Hauses aus Glas und Stahl (undatiert) (dpa/A0001_UPI)
    2019 ist das Jahr des Bauhausjubiläums, wie man unschwer merkt an der vielseitigen Berichterstattung. Vor 100 Jahren wurde die Schule für Architektur, Kunst und Design in Weimar gegründet. Das Erinnern daran kreuzt sich dieses Jahr mit einer Ausstellung in den Niederlanden über Kunst und Design im Dritten Reich. Die ist für September angekündigt, dagegen regt sich Widerstand, der Bund der niederländischen Antifaschisten "AFVN" möchte die Ausstellung im Designmuseum in Den Bosch verhindern, weil sie provoziere. Gezeigt werden sollen auch Exponate aus deutschen Museen: Möbel, Werbeplakate, der Volkswagen.
    Kooperation mit der NSDAP
    Endlich gebe es so eine Ausstellung, die wir für die Auseinandersetzung bräuchten. Wir müssten auch eine Kritik gegen Design und Architektur entfalten - wie auch gegen das Bauhaus, sagte der Designexperte und Kunsttheoretiker Michael Erlhoff im Dlf.
    Das Bauhaus werde im Jubiläumsjahr zu sehr idealisiert. Es wäre dringend nötig, dass so eine Ausstellung auch in Deutschland stattfinde, denn etliche der Bauhausabsolvent*innen seien tief in nationalsozialistische Dimensionen involviert gewesen, und auch viele der berühmten Bauhäusler hätten mit der NSDAP kooperiert. Nach 1945 hätten sie aber nicht mehr davon geredet. Nach dem 2. Weltkrieg sei das Bauhaus von den USA "sauber geputzt" zurückgegeben worden, so Erlhoff. Erst Anfang der 80er-Jahre sei im Rahmen der Diskussionen über die Postmoderne Kritik aufgekommen.
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    Nach dem 2. Weltkrieg sei das Bauhaus von den USA "sauber geputzt" zurückgegeben worden, sagte Michael Erlhoff im Dlf (Kerstin Janse / Deutschlandradio)
    Das Bild des Nationalsozialismus als Idylle mit Dirndl, Heimatkultur, kleinbürgerlicher Trostlosigkeit sei nur ein Teil. Goebbels und Göring hätten die von ihnen als "entartet" deklarierte Kunst selbst gesammelt. Dieses Bild diene dazu, dass wir heute das Bauhaus als sauber und ordentlich annehmen könnten, so Erlhoff. Der Nationalsozialismus habe die Moderne durchaus angenommen. Das Bauhaus habe eine rationalisierte Bauweise als Vorläufer für industrielles Bauen geliefert, mit einfachen, klaren Strukturen, die industriell vorproduziert werden konnten. Denn die Großindustrie sei ganz normal weiter gelaufen.
    Mit Präzision kann man töten
    Es gebe nicht an und für sich gute Architektur und gutes Design, es sei immer auch anders nutzbar. Mit Präzision bringe man Menschen um. Einer der berühmtesten Designer der 80er/90er-Jahre in den USA, Fred Leuchter - der nur in Kategorien des Bauhauses gesprochen habe: Funktion, Ordentlichkeit, Sauberkeit, Komfort und so weiter - der habe alle elektrischen Stühle der Vereinigten Staaten gestaltet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.