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Baum und Buch

Zum Auftakt der Buchmesse appelliert WWF-Forstexperte Johannes Zahnen an die Verlage, sicherzustellen, dass durch die verkauften Bücher "kein Raubbau an Wäldern verursacht wird". Viele Bücher würden Tropenhölzer enthalten, die typischerweise nicht aus Plantagen stammten.

Johannes Zahnen im Gespräch mit Britta Fecke |
    Britta Fecke: Heute beginnt die Buchmesse in Frankfurt und wir werden uns in "Umwelt und Verbraucher" nicht den Inhalten widmen, der Biografie von Hoffmann von Fallersleben, der Entmystifizierung des Lawrence von Arabien, oder Argentiniens Tränen. Nein, wir bleiben an der Basis: am Papier. Nach wie vor wird Tropenholz für den Buchdruck gerodet. Doch das ist nicht das einzige Problem.

    Ich bin jetzt verbunden mit Johannes Zahnen, Forstexperte bei der Umweltschutzorganisation WWF. Herr Zahnen, Argentinien ist der Ehrengast auf der Buchmesse in Frankfurt. Gibt das Land nicht nur seine besten Autoren, sondern auch sein bestes Holz? Soll heißen: wird auch dort der Regenwald für die Papierproduktion gerodet?

    Johannes Zahnen: Das kann ich gleich vorweg nehmen: Dem WWF geht es auf der Buchmesse dieses Jahr nicht im Speziellen um Argentinien, sondern im Gegenteil. Wir möchten mit unseren Aktionen und mit unseren Gesprächen mit den Verlagen aufzeigen, dass im Gegenteil die Papierindustrie und auch die Buchindustrie zunehmend sehr, sehr international ist. Der WWF hat vor einem Jahr eine Untersuchung gemacht, Papieranalysen gemacht bei Kinderbüchern, und wir waren selbst sehr überrascht, wie viel verschiedene Holzarten wir in ein und demselben Papier gefunden haben. So waren da zum Beispiel Holzarten enthalten, die aus Nordamerika stammen können, dann waren im selben Papier Plantagenhölzer aus Südamerika, Hölzer, die möglicherweise aus Russland kommen, oder aus Südostasien. Also da kann man sehen, wie extrem international das ist, und wenn man ein Buch in der Hand hält und darin steht, das ist in Deutschland oder in der EU gedruckt, dann heißt das noch überhaupt nicht, dass das Holz für dieses Papier eben auch dort herstammt.

    Fecke: Das heißt, Sie prangern an, dass zum einen sehr viele Hölzer verwendet werden, aber wahrscheinlich auch geschützte Hölzer zur Produktion des Papiers, oder nicht?

    Zahnen: Das war dann der Kernpunkt der Studie, die wir veröffentlicht haben, dass in diesen Papieren eben Tropenhölzer enthalten waren, die typischerweise nicht in Plantagen vorkommen. Das bedeutet, diese Holzarten, die wir gefunden haben, kamen mit allergrößter Wahrscheinlichkeit aus tropischen Urwäldern. Da waren zum Beispiel auch Mangroven dabei, und das sind alles Holzarten, die eben nicht, ich sage mal, in Plantagen angebaut werden für die Papierindustrie, sondern die auf, ich sage mal, unökologische Art und Weise, möglicherweise illegalen Wegen hier in die Papierproduktion reingeraten sind und die wir in erheblich großem Ausmaß insbesondere in Büchern gefunden haben, die in Asien produziert wurden.

    Fecke: Eigentlich gab es ja lange Zeit das Bewusstsein für recyceltes Papier. Warum kommt das denn nicht mehr zum Einsatz?

    Zahnen: Recyceltes Papier kommt auch zum Einsatz bei der Buchproduktion. Allerdings spielt das nur eine sehr, sehr untergeordnete Rolle. Die Empfehlung vom WWF geht ganz klar dahin, recycelte Papiere auch einzusetzen. Die Verlage nehmen diese Papiere nicht so gerne aus ästhetischen Gründen, optischen Gründen. Von den Verlagen wird angebracht, dass die Beschwerden zunehmen, wenn Recycling-Papiere eingesetzt werden, weil dort eben optische Unterschiede in den Papieren anscheinend zu sehen sein können. Es gibt aber auch Verlage, die komplett aus Recycling-Papier Bücher produzieren und die das seit Jahren tun. Es ist also bewiesen, dass es im Prinzip funktioniert.

    Fecke: Neben dem recycelten Papier gibt es andere Lösungsansätze, um seltene Baumarten zu schonen?

    Zahnen: Für den großen Bereich der Frischfaserpapiere - und das ist eben ein ganz, ganz wichtiger Appell gewesen, mit dem wir seit dieser Veröffentlichung unserer Studie mit den Verlagen in Kontakt sind - ist, dass die Verlage doch bitte zertifizierte Papiere einsetzen sollen, und es gibt da ein Zertifikat, das besonders glaubwürdig und sicher ist. Das nennt sich Forest Stewardship Council, abgekürzt FSC, das inzwischen auch, muss man sagen, immer häufiger in Büchern zu finden ist. Aber umgekehrt hat noch ein sehr großer Teil der Buchproduktion, der Bücher, die wir hier in Deutschland auch kaufen können, leider dieses Zertifikat noch nicht, und das ist unser Appell an die Verlage, hier tätig zu werden, die Verantwortung zu übernehmen für die Produkte, die sie auf den Markt bringen, und sicherzustellen, dass kein Raubbau an Wäldern verursacht wird durch die Bücher, die verkauft werden.

    Fecke: Die sogenannten E-Books werden nach Einschätzung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in den nächsten Jahren stark zunehmen. Wäre das eine ökologische Alternative?

    Zahnen: Der WWF hat sich auch schon mit diesem Thema beschäftigt. Wir hätten gerne eine Studie dazu gemacht; wir haben allerdings niemand gefunden, der so richtig mit gutem Gewissen an das Thema heran wollte, weil da doch sehr unterschiedliche Dinge miteinander verglichen werden. Man müsste bildlich gesprochen tatsächlich Äpfel mit Birnen vergleichen, weil es bei Büchern natürlich um Holz, um Wälder geht, um CO2, und bei den elektronischen Geräten, die zunehmend auf dem Markt sind, es sich häufig um Multifunktionsgeräte handelt. Das heißt, schon allein die Frage, wie viel Prozent des ökologischen Fußabdrucks eines Computers kann man dem Lesen von Büchern zurechnen, das ist natürlich sehr individuell verschieden und da sind so viele Unsicherheiten drin, dass Studien da wahrscheinlich in absehbarer Zeit unwahrscheinlich sind, dass so etwas auf den Markt kommt. Umgekehrt muss man einfach schauen: Bücher werden auch in absehbarer Zeit eine große Rolle spielen und man muss schauen, dass sowohl bei den Büchern die ökologisch sinnvollste Variante gewählt wird und der ökologische Fußabdruck minimiert wird, als auch bei elektronischen Geräten.

    Fecke: Danke für diese Einschätzung.