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Baumann (AfD) zu Einwanderungsgesetz
"Ungesteuerte Zuwanderung darf nicht legalisiert werden"

Den von der Union diskutierten Spurwechsel im Einwanderungsgesetz, wegen des Fachkräftemangels auch abgelehnte Asylbewerber zuzulassen, hält AfD-Innenpolitiker Bernd Baumann für ein falsches Signal. Die Politik müsse sich vorrangig für junge Menschen im Land ohne Berufsabschluss engagieren, sagte er im Dlf.

Bernd Baumann im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    07.06.2018, Berlin: Bernd Baumann (AfD) spricht bei der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Hauptthemen der 36. Sitzung der 19. Legislaturperiode sind die geplante Neuregelung des Familiennachzugs für Flüchtlinge, die von der FDP geforderte Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Affäre im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Auslandseinsätze der Bundeswehr, und die steigenden Mieten in Deutschland. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa | Verwendung weltweit
    AfD-Innenpolitiker Baumann zum Spurwechsel: "Fatales Signal" (dpa)
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Bernd Baumann, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Mitglied des Bundestagsinnenausschusses, Wahlkreis Hamburg-Altona. Guten Morgen!
    Bernd Baumann: Ich grüße Sie!
    Heinemann: Sollte es die Möglichkeit, Herr Baumann, eines Spurwechsels geben?
    Baumann: Das wäre natürlich sehr fatal, wenn es dazu käme. Es ist ja so, dass die Asylpolitik rein auf humanitären Gründen basieren sollte. Und wir haben jetzt eine Millionenwanderung gesehen zu uns hin, eine ungesteuerte Zuwanderung, und die darf jetzt auf gar keinen Fall legalisiert werden im Nachhinein durch irgend so was Derartiges, wie Seehofer das gerade plant und andere auch vorgeschlagen haben. Denn das würde ja aus illegaler Einwanderung legale machen und riesige Anreize in die ganze Welt senden, noch mehr Menschen zu uns kommen zu lassen.
    Heinemann: Da bewegen Sie sich auf CSU-Kurs?
    Baumann: Da bewegen wir uns auf einem Kurs, den wir immer schon so betont haben. Eher ist die CSU auf dem Kurs, den die AfD schon lange vorschlägt, nämlich eine vernünftige Einwanderungspolitik zu machen und die beiden Dinge auf gar keinen Fall zu vermengen, weil das, wie gesagt, Anreize in die ganze Welt sendet, die wir gar nicht verkraften können.
    Baumann: "Asylpolitk nicht mit Ausbildung vemengen"
    Heinemann: Herr Baumann, da deutsche Handwerker fehlen, wären ausgebildete Asylbewerber nicht eine Alternative für Deutschland?
    Baumann: Es ist so, man muss diese Gesamteinwanderungspolitik sehen, welche Signale sie aussendet. Asylpolitik ist Asylpolitik, hat humanitäre Gründe. Wer anerkannt ist und bei uns bleiben kann, der kann auch eine Ausbildung erfahren. Wer aber abgelehnt ist, kann nicht nachher noch, im Nachhinein sozusagen, legitimiert werden, weil sonst würde ja in der ganzen Welt jeder sich auf den Weg machen, das Asylrecht in gewisser Weise missbrauchen – er will ja eigentlich wirtschaftlich einwandern. Man darf das auf gar keinen Fall vermengen, und man darf auch nicht abgelehnte Asylbewerber jetzt hier lassen und zur Ausbildung oder zu Arbeitsplätzen oder sonst irgendwas bringen. Erinnern Sie sich nur kurz, wie das mit Syrien war. Da war ja auch versprochen worden, da kommen jetzt Fachkräfte aus Syrien, da kommen jetzt Ärzte, da kamen Akademiker. Und dann hat man erst mal gemerkt, was man da für eine Büchse geöffnet hat der Pandora, was dann passiert ist.
    Heinemann: Aber man kann ja auch mal auf die Interessen des Landes schauen. Warum sollten fleißige und erfolgreiche Asylbewerber wieder gehen?
    Baumann: Wir haben 2,1 Millionen junge Leute zwischen 20 und 34 bisher ohne jeden Berufsabschluss. Um die müssen wir uns kümmern. Die können wir doch nicht links liegen lassen und sagen –
    Heinemann: Aber es geht ja immer um Leute, die dann einen Berufsabschluss geschafft haben und möglicherweise sogar eine Aussicht auf eine Anstellung haben. Nur um die wird diskutiert, wegen Spurwechsel.
    Baumann: Ist doch herrlich, wenn sie das geschafft haben, da sie in ihrem Land dann unterstützen können den Aufbau, der scheinbar nötig zu sein scheint, sonst würden ja nicht solche Massen versuchen, zu uns zu kommen. Wir dürfen diese beiden Dinge auf gar keinen Fall vermengen. Das ist Teufelszeug.
    Fachkräftemangel "Versagen der Politik"
    Heinemann: Aber wenn hier doch ein Bedarf daran ist, an Fachkräften, an Handwerkern, an allem Möglichen, ich meine, Sie ärgern sich ja wahrscheinlich auch, wenn Ihre kaputte Elektronik oder Elektrik zu Hause nicht repariert werden kann, weil keine Handwerker da sind.
    Baumann: Wir haben Leute, die wir ausbilden müssen, Millionen Menschen. Die können wir nicht in den Sozialstaat schicken, nur weil jetzt gerade vielleicht ein Elektriker aus irgendeinem Entwicklungsland zu uns kommt. Man darf diese beiden Dinge nicht vermengen. Wer ein bisschen was von Einwanderungspolitik versteht, der weiß das. Wir müssen unsere Leute selber ausbilden.
    Heinemann: Aber das Handwerk findet keinen Nachwuchs in Deutschland.
    Baumann: Das ist genau die Frage der Politik, die versagt hat, und die ihr Versagen jetzt nicht noch durch Einwanderung, zusätzliche Einwanderung zu den Millionenwanderungen, die wir jetzt schon hatten. Das darf nicht umgekehrt werden. Wir müssen die Leute ausbilden, die jetzt zu uns gekommen sind. Wenn sie anerkannt sind, ist das ja okay, wenn sie bei uns bleiben können. Aber abgelehnte Asylbewerber jetzt noch bei uns zu lassen und 2,1 Millionen Leute, die wir schon bei uns haben, ohne jeden Schulabschluss in den Sozialstaat zu schicken – eine schlimmere Politik kann man nicht betreiben.
    Heinemann: Ist für Sie in dieser Politik "Ausländer raus" die Hauptsache?
    Baumann: "Ausländer raus" ist doch überhaupt kein Thema.
    Heinemann: Gerade bei Ihnen schon.
    Baumann: Ist doch aber – wieso denn "Ausländer raus"? Wir wollen doch das Recht einhalten. Wir dürfen diese beiden Dinge nicht vermengen. Wir müssen unsere Leute selbst ausbilden. Wir dürfen keine falschen Anreize nach außen senden. Im Übrigen hatte die AfD als erste deutsche Partei in ihrem Parteiprogramm, dass es so etwas geben könnte wie ein kanadisches Einwanderungsmodell, nach Punktesystem, für besondere Engpässe im Arbeitsmarkt und so was alles. Für Ausnahmefälle, in besonderen Fällen kann man so was machen, aber man darf auf keinen Fall in die Welt das Signal senden, kommt nach Deutschland, ob ihr Recht habt oder nicht, ihr werdet hier ausgebildet, ihr kriegt alles – das darf nicht sein.
    Forderung nach Ausbildungsoffensive
    Heinemann: Damit zum Eckpunktepapier der Bundesregierung. Benötigt Deutschland ein solches Einwanderungsgesetz?
    Baumann: Die Regierung Schröder, SPD, und dann Merkel haben immer versprochen, dass sie eine große Ausbildungsoffensive machen wollen. Das brauchen wir auch in Deutschland. Wir haben Hunderttausende Leute, die keinen Schulabschluss haben, 50.000 kommen jedes Jahr hinzu, und wir haben, wir sprachen schon darüber, 2,1 Millionen junge Leute ohne jeden Berufsabschluss. Da muss was getan werden, und da ist zu wenig passiert. Und da müsste die Politik sich vorrangig engagieren.
    Heinemann: Nun rechnen alle Verbände vor, in Deutschland besteht weitgehend Vollbeschäftigung. Sie haben Zahlen genannt. Es fehlen trotzdem Fachkräfte, es fehlen Auszubildende. Woher sollen diese Fachkräfte alle kurzfristig kommen?
    Baumann: Ich hab doch gesagt, wir müssen diese – die deutsche Berufsausbildung war mal die beste der Welt. Wir werden doch in der Lage sein, diese Millionen, die bei uns sind, auszubilden. Wenn wir das nicht schaffen, ist ja eh alles zu spät. Überlegen Sie sich doch, wir holen jetzt Hunderttausende von außen rein, und die schicken wir in den Sozialstaat, die bei uns sind. Wir sagen, ein paar Millionen kriegen wir irgendwie nicht ausgebildet. Das kann nicht sein, das darf nicht sein. Da hat die Politik eklatant versagt. Schröder, SPD, die Merkel-Regierung, alle wollten eine Ausbildungsoffensive machen. Es ist ja nicht passiert. Es muss jetzt endlich passieren.
    Heinemann: Die Frage ist ja auch, ob jeder qualifiziert ist. Wird man diejenigen, die schon lange arbeitslos sind, zum Beispiel zu IT-Fachkräften ausbilden können?
    Baumann: Die schon lange arbeitslos sind, ist ja was ganz anderes. Ich sage, die jungen Leute, die wir haben, da haben wir Millionen ohne jeden Berufsabschluss, da ist schon ein Großteil mit Migrationshintergrund ...
    Heinemann: Aber auch bei denen könnte es doch schwierig werden? Entschuldigung …
    Baumann: Da könnte es schwierig werden – ein paar Leute werden das immer sein, die es nicht schaffen. Aber wir hatten doch früher weit niedrigere Prozentsätze. Da waren das ganz wenige Leute, die das nicht geschafft haben. Da hat unser Berufsausbildungssystem funktioniert. Es hatte mal den besten Ruf der Welt. Das ist darnieder gegangen. Das ist ähnlich wie Straßen, wie Schulen, wie Brücken, wie die digitale Infrastruktur bei uns. Da ist einfach nicht investiert worden. Das müssen wir machen. Da müssen Milliarden in die Hand genommen werden.
    Heinemann: Bernd Baumann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch, und auf Wiederhören!
    Baumann: Ich bedanke mich, Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.