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Baumsterben im Amazonas
Kein so starker CO2-Absauger mehr

Bisher wurde angenommen, dass Wälder noch für Jahrzehnte stabile C-Speicher sein werden, die der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen und die Erwärmung so abpuffern. Doch eine neue Langzeitstudie in "Nature" weckt begründete Zweifel daran: Hauptschuld trägt die Baumsterblichkeit im Amazonasgebiet.

Von Volker Mrasek |
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    Die Baumsterblichkeitsrate ist um 30 Prozent gestiegen. (dpa/picture alliance)
    Der Regenwald am Amazonas ist die größte grüne Lunge der Erde. Jahr für Jahr entziehen seine Baumriesen der Atmosphäre zwei Milliarden Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid. Das nahm man jedenfalls bisher an ...
    "Um diese Zahl besser einordnen zu können: Das ist gut dreimal so viel wie die CO2-Menge, die Großbritannien jährlich ausstößt."
    Doch dieser klimakühlende Effekt hat stark nachgelassen, wie Roel Brienen von der Universität Leeds in England feststellen musste.
    Neue Studie zum Amazonas Regenwald
    Gemeinsam mit fast hundert anderen Forschern präsentiert der niederländische Biologe jetzt eine neue Studie über den Amazonas-Regenwald. Es ist die bisher Aufwändigste in dem Gebiet, das fast 20mal so groß ist wie Deutschland. Drei Jahrzehnte lang verfolgten die Wissenschaftler, wie sich Tropenwald und Bäume entwickeln - auf mehr als 300 ausgewählten Untersuchungsflächen ...
    "Nach unseren Beobachtungen hat der Amazonas-Wald im vergangenen Jahrzehnt 30% weniger CO2 aufgenommen als noch in den 90er Jahren."
    Der Wald saugt immer noch Kohlendioxid aus der Atmosphäre ab und mildert so die globale Erwärmung. Doch er tut das offenbar immer schlechter.
    Den Forschern zufolge hat das zwei Gründe. Zum einen lässt CO2 in seiner Wirkung als zusätzlicher Pflanzendünger nach, die Bäume haben heute nicht mehr so starke Massen-Zuwächse. Was wohl daran liegt, dass dieser Düngeeffekt begrenzt ist. Und zum anderen sterben die Bäume am Amazonas vermehrt. Und geben den eingelagerten Kohlenstoff bei der Zersetzung des Holzes später wieder ab ...
    "Die Sterblichkeitsrate ist um 30 Prozent gestiegen, also ziemlich kräftig. Haben wir in den 80er und 90er Jahren im Schnitt noch sieben absterbende Bäume pro Hektar registriert, so waren es zuletzt elf."
    Bäume wachsen schneller und sterben früher
    2005 und 2010 waren ungewöhnlich trockene Jahre am Amazonas. Infolge der beiden Dürren seien Millionen Bäume abgestorben, sagt Roel Brienen. Das allein könne die hohe Sterblichkeit unter den Urwald-Riesen aber nicht erklären. Der Trend sei auch vorher schon erkennbar gewesen.
    Es ist wohl so, dass Bäume, die schneller wachsen, weil der CO2-Gehalt der Atmosphäre erhöht ist, am Ende früher sterben. Zu diesem Schluss kam der Waldökologe Harald Bugmann von der ETH Zürich schon in einer früheren Studie. Dafür hatte er die Wirkung der CO2-Düngung auf Wälder im Computermodell simuliert. Sie erwies sich als lebensverkürzend, "dadurch, dass die Bäume, die unter einem erhöhten CO2-Gehalt heranwachsen, beispielsweise eine Holzqualität haben, die schlechter ist, als wenn sie nicht gedüngt worden wären. Und dann deswegen früher umfallen. Und dann wird das CO2 wieder früher in die Atmosphäre freigesetzt."
    Klimaforscher haben den Amazonas-Regenwald bisher als stabile Senke für Kohlendioxid betrachtet. Auch in der nahen Zukunft und in ihren Modellen für die nächsten Jahrzehnte. Doch da irren sie sich vermutlich, wie die neue Studie nahelegt. Der südamerikanische Regenwald scheint als Gegenspieler der globalen Erwärmung zusehends zu schwächeln. Und vielleicht nicht nur er, wie Roel Brienen fürchtet:
    "Falls das Gleiche auch in anderen tropischen Wäldern abläuft, dann könnte es so sein, dass wir mit der Zeit einen Großteil der CO2-Senke in unserer Land-Vegetation verlieren. Noch ist es aber zu früh, um das zu beurteilen. Es gibt zwar auch Untersuchungen in den Tropenwäldern Afrikas und Asiens. Aber sie laufen noch."
    Wälder, die weniger CO2 schlucken und das Klima nicht mehr so stark kühlen - was das bedeutet, ist klar: Die Menschheit muss ihre Treibhausgas-Emissionen in noch stärkerem Maße vermindern.