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Bauprojekt des Präsidenten
Eine neue Hauptstadt für Ägypten

Sprit, Strom, Milch und Fleisch werden in Ägypten immer teurer. Viele Einwohner können sich das nicht leisten. In Kairo wuchern die Slums, während Ägyptens Präsident Abdel Fatah El-Sisi für die Reichen den Bau einer neuen Hauptstadt der Superlative vorantreibt: glitzernd, smart, weiträumig.

Von Martin Durm |
    Rohbauten von Ministerien im kuenftigen Regierungsviertel der entstehenden neuen Verwaltungshauptstadt Capital Cairo, aufgenommen am 13.03.2018. Die Errichtung einer neuen Hauptstadt Aegyptens ist ein von Staatspraesident Abdelfattah Al-Sissi im Jahr 2015 auf einem Wirtschaftsgipfel verkuendetes Megaprojekt. Sie soll in einer Entfernung von rund 60 km zur alten Hauptstadt Kairo in Richtung der Kueste des Roten Meers auf einer Flaeche von mehr als 700 Quadratkilometern entstehen. Bereits ab 2019 sollen die ersten Behoerden, Ministerien, Banken und Aemter umziehen und ihre Arbeit in der neuen Verwaltungsmetropole Capital Cairo aufnehmen. Das auf mehr als 45 Mrd. US-Dollar projektierte Prestigeobjekt wird fuer fuenf bis sieben Millionen Bewohner ausgelegt sein, ein Zugestaendnis daran, dass die alte Hauptstadt Kairo mit ihrer unzureichenden Infrastruktur und den ewigen Verkehrsstaus bei rund 20 Mio. Bewohnern bereits heute aus allen Naehten platzt.
    Rohbauten von Ministerien im kuenftigen Regierungsviertel der entstehenden neuen Verwaltungshauptstadt Capital Cairo (dpa / picture alliance / Matthias Toedt)
    Kürzlich hielt Präsident Sisi wieder mal eine Rede ans ägyptische Volk:
    "Soll ich euch etwas Wichtiges sagen? Es gibt dieses Jahr keine Gehaltserhöhung für Beamte. Wollt ihr euer Land aufbauen? Oder wollt ihr euch wegen der gestiegenen Kartoffelpreise beschweren? Gut, sagte Sisi, Kartoffeln kosten jetzt zwischen elf und 13 Pfund, so ist das eben. Aber es geht doch um euer Land. Ein Land wird nicht einfach so aufgebaut sondern mit Mühe und Leiden."
    In Kairo wuchern die Slums
    Mit Mühe und Leiden sind die Leute in Kairos Elendsquartieren vertraut. In der 20-Millionen-Stadt wuchern die Slums als seien sie lebende Organismen; Müllberge und fauliger Gestank in den Gassen, Marktgeschrei und Menschengewimmel. Wer hier lebt, hat nicht die Zeit, sich über den Aufbau des Landes Gedanken zu machen. Was zählt, sind die Preise für Kartoffeln, Brot und Gemüse:
    "Vier Kilo für zehn Pfund, das ist doch nicht zu viel verlangt. Aber niemand kauft mir was ab. Die Leute haben einfach kein Geld mehr. Sie sind erschöpft, ausgelaugt. Wir hören immer nur, dass es aufwärtsgeht und alles gut wird. Aber hier ist nichts gut. Die Leute haben nicht mal genug zu essen", sagt ein Tomatenverkäufer im Armenviertel Imbaba.
    Medien preisen Wirtschaftspolitik des Präsidenten
    Das hier ist sozusagen die mikroökonomische Perspektive am Nil. Der Blick der Armen. Er unterscheidet sich radikal von der makroökonomischen Sichtweise des IWF. Der Internationale Währungsfond verzeichnet für Ägypten im abgelaufenen Jahr eine Wachstumsrate von 5,2 Prozent.
    Der Präsident der Arabischen Republik Ägypten, Abdelfattah Al-Sisi, spricht am 02.03.2017 im Ittihadiya-Palast in Kairo (Ägypten) während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel.
    Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Es gehe voran, jubeln Ägyptens staatshörige Medien und preisen die Wirtschaftspolitik des Präsidenten. Selbst bei der Deutsch-Arabische Handelskammer ist man beeindruckt. Jan Nöther, der Leiter, spricht von positiven Signalen für ausländische Investoren:
    "Also momentan sind die Ampeln grün. Es ist den deutschen Unternehmen nicht verborgen geblieben, dass wir Wachstumsraten jenseits der fünf Prozent haben, dass eine gewisse Stabilität eingetreten ist, und dass insgesamt große Anstrengungen unternommen werden, um die Voraussetzungen für Investitionen attraktiv zu machen."
    Gas, Strom, Milch um ein vielfaches teurer
    Die Regierung bekam vom IWF einen zweistelligen Milliarden-Kredit, weil sie bereit war, den Wechselkurs frei zu geben und Subventionen zu streichen. Vieles hat sich seitdem dramatisch verteuert: Diesel, Gas und Strom, Milch, Fleisch, Gemüse.
    "Die Preise steigen immer weiter und wir werden immer ärmer", klagen ein paar Männer auf dem Markt von Imbaba. "Vom Wachstum kommt bei uns nichts an. Wenn die Hälfte des Monats vorbei ist, haben wir nichts mehr in der Tasche. Da denke ich nur noch dran, wie wir den nächsten Tag überstehen sollen und wie ich an Geld komme."
    Aida Seif al-Dawla ist 63 Jahre alt, längere weiße Haare, weiß-schwarze Bluse, sitzt und lächelt. Sie ist Psychiaterin und eine der Gründerinnen des Nadeem-Zentrums gegen Gewalt und Folter in Kairo.
    Aida Seif al-Dawla ist Psychiaterin und eine der Gründerinnen des Nadeem-Zentrums gegen Gewalt und Folter in Kairo. (Amnesty International / Dana Smillie)
    Das ist das Lebensgefühl, wenn man sich unterhalb der Armutsgrenze bewegt. In Ägypten sind das nach Ansicht unabhängiger Ökonomen etwa 35 Prozent der Bevölkerung. Für Präsident Sisi , meint die Menschenrechts-Aktivistin Aida seif al Dawla, sei das eine zu vernachlässigende Größe:
    "Er nimmt nur einen bestimmten Teil der Gesellschaft wahr. Den kleinen Teil, dem es gut geht, der reich ist, der eine gute Ausbildung hat. Der Rest des Volkes ist für Sisi nur eine Last."
    Neue Kapitale der Superlative: glitzernd, smart, weiträumig
    Ägyptens Reiche und Mächtige versuchten schon immer, auf Distanz zur Masse der Armen. Und kommen im dicht bevölkerten Kairo doch ständig mit ihr in Berührung. Das soll sich bald ändern. 50 Kilometer von Kairo entfernt soll in den nächsten vier Jahren eine neue Hauptstadt entstehen, eine Kapitale der Superlative: glitzernd, smart, weiträumig. Eine geschlossene, exklusive Gesellschaft aus Politikern, Militärs, Diplomaten und Unternehmern soll Ministerien und Botschaften, Villen und Apartmenthäuser bevölkern. Lebensraum für die Oberschicht.
    "Wenn der Präsident seinen Plan umsetzt, dann nur, um sich der Masse der Verarmten, die immer größer wird, zu entledigen. Für ihn ist es eine Masse, die immer nur essen will, versorgt werden will, ihre Kinder zur Schule schicken will ... das alles möchte er loswerden."
    45 Milliarden für den Bau veranschlagt
    45 Milliarden Dollar werden für den Bau der neuen Hauptstadt veranschlagt. Mit so viel Geld ließe sich auch vieles in der alten verändern: Verkehrswege, Müllabfuhr, Strom –und Wasserversorgung. Nur: Präsident Sisi setzt derzeit andere Prioritäten. In Kairos Armenvierteln wird man sie hinnehmen müssen:
    "Gott segne euch alle", ruft ein Bettler auf dem Markt in Imababa. "Ein gutes Leben, genug zu essen, und jemand der euch am Abend zudecken wird."