Breite Marmortreppen, übergroße Gemälde an den Wänden, von einer Terrasse fällt der Blick über die Weststadt Lissabons und die große rote Hängebrücke, die sich über den Tejo-Fluss spannt. Seit fast 70 Jahren ist die ehemalige Königsresidenz "Palácio das Necessidades" der Sitz des portugiesischen Außenministeriums. Und im ersten Stock kümmert sich Staatssekretär José Luís Carneiro um all die Portugiesen, die nicht in Portugal leben.
Seit dem Regierungswechsel im Jahr 2015 leitet der sozialistische Politiker ein Aufgabengebiet, das nicht nur einen hohen symbolischen Wert hat. Mittlerweile werben Carneiro und sein Team unter den derzeit 2,3 Millionen ausgewanderten Portugiesen mit einer klaren Botschaft:
"Wir wollen, dass ein Teil der Emigranten zurückkommt. Nur so können wir den Bevölkerungsschwund in Portugal aufhalten, unsere Wirtschaft beleben und die Sozialsysteme langfristig erhalten. Die Emigranten sind ein wichtiger Motor für die Modernisierung Portugals. Denn ein Emigrant ist von Natur aus jemand, der die Dinge anpackt. Man braucht Mut, um seine Heimat zu verlassen, man braucht Kraft und Durchsetzungsvermögen, um sich im Gastlande gegen Vorurteile durchzusetzen. Und der Erfolg, den die Emigranten im Ausland haben, ist ein Beweis ihrer Stärke. Solche Bürger brauchen wir hier in Portugal."
Kommunen als Anlaufstellen für Rückkehrwillige
Die Suche nach Portugiesen, die wieder in ihre Heimat zurückkommen wollen, muss jedoch nicht im Ausland beginnen. Jeden Sommer verbringen Emigranten aus Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Luxemburg ihre Ferien in Portugal – und viele von ihnen bleiben dabei ein paar Tage in dem Dorf, in dem sie geboren wurden oder aus dem ihre Eltern stammen.
Das Netzwerk von Kontaktstellen für Emigranten sei deshalb auf lokaler Ebene weiter ausgebaut worden, sagt Luís Carneiro, der diese Mikroebene gut kennt: Bevor er ins Außenministerium gewechselt ist, war Carneiro über zehn Jahre lang als Lokalpolitiker in seinem nordportugiesischen Heimatbezirk Baião tätig.
"Die Portugiesen, die zurückkehren wollen, richten sich in der Regel mit ihren Fragen an die lokalen Behörden in ihrem ehemaligen Heimatbezirk. Deshalb müssen wir diesen Leuten gleich in den Kommunen helfen, wenn sie Fragen zu ihrer Wiedereingliederung in die portugiesische Gesellschaft haben. 90 Prozent aller Emigranten, die nach Portugal zurückkommen, gehen in das Dorf oder die Stadt ihrer Familie zurück. Die Emigrantenbüros in den Kommunen haben nun noch eine andere Aufgabe: Sie sollen Emigranten ausfindig machen, die investieren wollen, und ihnen dann dabei helfen, das richtige Projekt auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene zu finden."
"Büro zur Unterstütztung von Investitionen aus der Diaspora"
Der Staatssekretär läuft ein paar Schritte über einen Gang und öffnet die Tür zu einem Besprechungsraum. Die Mitarbeiter des "Büros zur Unterstützung von Investitionen aus der Diaspora" sitzen um einen rechteckigen Tisch und planen die nächste große Konferenz von investitionsbereiten Emigranten. Über 100 Unternehmer und wohlhabende Auslandsportugiesen sollen im Juni auf der Atlantikinsel Madeira zusammenkommen.
Das Wirtschaftsministerium und die staatliche Investitionsagentur AICEP arbeiten an dem Projekt mit, doch die Fäden laufen im ersten Stock des "Pálacio das Necessidades" in Lissabon zusammen.
Dank dieser Treffen würde das Netzwerk zwischen portugiesischen Unternehmern im In- und Ausland gestärkt, sagt Luís Carneiro. Und davon wiederum profitierten auch die Hersteller von regionalen Produkten aus strukturschwachen Regionen, die es bisher schwer hatten, sich in den Exportmärkten zu positionieren. Carneiro nennt ein Beispiel:
"Eine Gruppe von Olivenöl- und Weinproduzenten aus Trás-os-Montes im Nordosten Portugals hat sich zusammengetan und den Kontakt zur portugiesischen Community in Brasilien gesucht. In São Paulo und Rio de Janeiro gibt es rund 250 portugiesische Gaststätten und Bäckereien. Und in diesen Lokalen wird jetzt Wein und Olivenöl aus Trás-os-Montes verkauft."
Persönlicher Kontakt statt Werbekampagnen
Carneiros Büro fährt keine groß angelegte Werbekampagne, um portugiesische Emigranten wieder für ihr Heimatland zu gewinnen. Die Kontakte laufen häufig auf einer persönlichen Ebene über die Botschaften und Konsulate. Der Staatssekretär verbringt fast die Hälfte seiner Zeit in den vielen portugiesischen Emigrantengemeinden im Ausland, um immer auf Tuchfühlung mit den Auslandportugiesen zu bleiben.
Mitten im Gespräch bittet José Carneiro um eine kurze Pause. Er muss seinem Chef, dem Außenminister, schnell ein paar Infos zum Brexit schicken. In Portugals schwerer Finanz- und Staatsschuldenkrise zwischen 2011 und 2015 haben fast eine halbe Millionen Portugiesen das Land verlassen – und qualifizierte Fachkräfte sind vor allem nach Großbritannien gegangen.
Der drohende Brexit, so der Staatssekretär, habe die Abwanderung portugiesischer Migranten ins Vereinigte Königreich deutlich reduziert. Seit dem Ende der Krise sei der Exodus spürbar schwächer geworden, so Carneiro, und 60 Prozent derjenigen, die gehen, würden nur für einen begrenzten Zeitraum ihr Land verlassen.
1,4 Millionen wahlberechtigte Auslandsportugiesen
Der Staatssekretär ist zu bescheiden, um diesen Erfolg auf seine Arbeit zurückzuführen. Doch wenn er über eine bestimmte politische Maßnahme spricht, die er mitdurchgesetzt hat, zeigt er seine persönliche Genugtuung ganz offen:
"Wir haben neue Wahlgesetze verabschiedet, die die Zahl der wahlberechtigten Portugiesen im Ausland drastisch erhöht hat. Von etwas über 300.000 auf nun über 1,4 Millionen. Außerdem können jetzt auch Portugiesen mit doppelter Staatsbürgerschaft in das portugiesische Parlament gewählt werden. Die politische Macht der Emigranten ist dadurch deutlich gestiegen – und das wird auch direkte Konsequenzen auf die Politik in Lissabon haben."