Archiv


Baustopp an der Elbe

Die Kosten für die Elbphilharmonie in Hamburg explodieren und das Ende der Bauzeit ist ungewiss. Zurzeit gibt es Sicherheitsbedenken beim Dach. Die Folge: Baustopp. Die Stadt Hamburg und Hochtief schieben sich gegenseitig die Schuld zu und treffen nun vor Gericht aufeinander.

Von Verena Herb |
    Der Wind pfeift über die Stahlkonstruktion der Elbphilharmonie, die entlang der Elbe an der Spitze der Hamburger Hafencity aufragt. Ansonsten: Stille auf der wohl zurzeit berühmtesten Kulturbaustelle Deutschlands. Kein Hämmern, kein Fräsen, kein Bohren. Baustopp. Den hat der Baukonzern Hochtief verhängt. Es gebe Sicherheitsbedenken am komplizierten Tragwerk des Daches. Sagt Thomas Möller. Niederlassungsleiter von Hochtief in Hamburg im Norddeutschen Rundfunk.

    "Grund dafür sind Widersprüche in den Ergebnissen der Statik, des Prüfstatikers und unserer Statik. Diese Widersprüche müssen komplett aufgeklärt werden."

    Sonst wird eben nicht weiter gebaut. Das Architekturbüro Herzog und de Meuron aus der Schweiz ist Generalplaner des Riesenprojekts und für die Bauüberwachung zuständig. Sicherheitsbedenken – nicht bei den Architekten. David Koch, Partner bei Herzog und de Meuron:

    "Das Dach ist sicher. Daran haben wir keine Zweifel."

    Die Auseinandersetzung um die Sicherheit der Stahlträger ist nur ein weiteres Kapitel in dieser "Never ending Story" Elbphilharmonie. Oder anders ausgedrückt: Willkommen in Absurdistan. Dabei hatte alles so schön angefangen.

    Juni 2003: Die Augen des damaligen CDU-Bürgermeisters Ole von Beusts leuchteten, als er sich vorstellte, wie das neue Wahrzeichen der Hansestadt zu noch mehr Prestige, noch mehr Touristen, noch mehr Einnahmen letztlich führen würde. Erste Kostenschätzung für die Stadt 2005: 77 Millionen Euro. Fertigstellung des Gebäudes: Herbst 2011.

    Also eigentlich hätte in diesen Tagen das erste Konzert in der Elbphilharmonie stattfinden sollen – doch dieser Traum ist längst geplatzt. Die Kosten sind zwischenzeitlich um das Vierfache angestiegen auf 323 Millionen Euro, weitere Kostenexplosionen nicht ausgeschlossen. Neuer Übergabetermin der Elbphilharmonie: April 2014.

    Christoph Lieben-Seutter, seit 2006 bereits Generalintendant des Konzerthauses, hat bereits zwei Eröffnungskonzerte erdacht: Ein Programm erarbeitet, Künstler überzeugt und eingekauft. Und: Wieder abgesagt: Mittlerweile hält er sich zurück mit der Planung für den großen Tag:

    "Jetzt planen wir mal nicht. Sondern jetzt warten wir mal, bis auf der Baustelle alle wichtigen Fragen geklärt sind und bis man wirklich mit Sicherheit sagen kann: der nächste Termin, der hält."

    SPD-Kultursenatorin Barbara Kisseler macht wenig Hoffnung, dass es bald zu einer verlässlichen Aussage kommen wird:

    "Ich werde weder zu den Kosten noch zu dem Termin eine dezidierte Aussage treffen können, weil ich das im Augenblick nicht sagen kann."

    Ziel ist es, die Elbphilharmonie so schnell wie möglich und in der geforderten Qualität fertigzustellen, betont auch Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz:

    "Deshalb ist jetzt auch die Zeit dafür, dass mit klarer Kante vorgegangen wird. Das macht der Senat, das macht die Senatorin. Und wir kümmern uns sehr sorgfältig darum, dass die Interessen der Stadt wahrgenommen werden."

    "Keine Spielchen mehr","

    kündigt die Kultursenatorin an und zerrt zum zweiten Mal den Baukonzern vor den Kadi. Im April 2010 verklagte die Stadt erstmals Hochtief, einen verlässlichen Terminplan vorzulegen. Das hatte der Essener Konzern bislang nämlich versäumt. Jetzt folgt Klage Nummer zwei: Ab Freitag streiten die Stadt und Hochtief erneut vor Gericht. Karl Olaf Petters, Sprecher der Kulturbehörde für die Elbphilharmonie:

    ""Mit dieser Klage wollen wir gerichtlich feststellen lassen, wer für die bisherigen Verzögerungen bei dem Bau der Elbphilharmonie verantwortlich ist. Wir sind der Überzeugung, dass das ganz überwiegend ein Verschulden von Hochtief ist."

    Die Hansestadt beziffert die aktuelle Bauzeitverlängerung mit 14 Monaten, drei davon nimmt sie auf ihr eigenes Konto – schließlich hatte es Planungsänderungen gegeben. Für die verbleibenden 11 Monate wird Hamburg eine saftige Rechnung schreiben: Pro Tag Verzögerung fordert man von Hochtief eine Zahlung von 200.000 Euro.

    Morgen ist Stararchitekt Pierre de Meuron als Zeuge im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft geladen. Auch die politischen Abgeordneten wollen der Sache auf den Grund gehen. Für de Meuron ist die Elbphilharmonie ein einmaliges Bauwerk, ein hochkomplexes Projekt, das jedoch nach einer starken und hoch professionellen Projektsteuerung verlangt, sagte er der FAZ. Beim neuen Konzerthaus diktiere Hochtief dem Bauherrn, der Stadt, die Spielregeln. Das heißt: In Hamburg wackelt der Schwanz mit dem Hund.