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Baustopp für Mastanlagen?

Zehntausende Tiere sind in engen Ställen auf engstem Raum eingepfercht. Die Tierhaltung entwickelt sich - trotz Bio-Trend - immer mehr in diese Richtung. In Niedersachsen werden viele neue Ställe gebaut, Gegner im Emsland haben einen neuen Verbündeten entdeckt: den Brandschutz.

Von Hedwig Ahrens | 27.09.2010
    Sandra Papen betreibt ein idyllisches Gartencafé mitten im Grünen: Das Ausflugslokal im emsländischen Surwold ist Ziel vieler Radtouristen. Das könnte sich bald ändern, befürchtet sie. Ein Landwirt plant 500 Meter entfernt den Bau von sechs Geflügelmastställen mit je 50.000 Tieren. Solche landwirtschaftlichen Bauvorhaben sind laut Baugesetzbuch im Außenbereich privilegiert.

    "Erst haben wir gedacht, das müssen wir jetzt so hinnehmen, Landwirtschaft hat Priorität. Aber irgendwie war uns mulmig dabei und den anderen Nachbarn auch. Wir haben dann einen Gutachter empfangen, der uns auf Unstimmigkeiten hingewiesen hat, und das war dann der Ansatzpunkt."

    Auch im Nachbarort Bockhorst gärt es: Dort sind Ställe für 84.000 Tiere geplant. Beide Protestparteien haben sich jetzt zu einer Anwohnerinitiative zusammen geschlossen und Rechtsbeistand von Anwalt Peter Kremer in Berlin geholt. Der brachte das Genehmigungsverfahren mit einer einfachen Frage ins Wanken: Was passiert mit den Tieren, wenn es brennt? Nach der niedersächsischen Bauordnung muss bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren möglich sein. Um das zu gewährleisten, empfiehlt das Landwirtschaftsministerium in Hannover, eingezäunte Flächen oder Notunterkünfte für die Tiere bereit zu halten. Diese Einwände sind für den Landkreis neu, räumt der Landrat des Emslandes Hermann Bröring ein.

    "Wir haben vier Erörterungstermine verschoben, weil eine Fragestellung aufgeworfen ist, mit einer Definition von Tierschutz, wie wir das bisher so nicht gesehen haben. Das hat zu Nachprüfungsergebnissen geführt, hat auch zu Rückkontakten geführt zu Nachbarlandkreisen, zum zuständigen Fachministerium und es gibt darauf keine abschließende Antwort, die uns veranlassen könnte, jetzt schon wieder in Erörterungstermine zu gehen."

    Das Landwirtschaftsministerium gehe davon aus, dass die derzeitigen Rechtsvorschriften den Tierschutz im Brandfall gewährleisteten, so eine Sprecherin in Hannover. Zu dem konkreten Fall im Emsland könne sich das Ministerium nicht äußern. Für die Behörde von Hermann Bröring hängt viel von der Klärung dieser Gesetzeslücke ab.

    "Wenn es zu einer anderen Beurteilung des Brandschutzes kommt, dann muss geprüft werden, inwieweit das auf die bestehenden Ställe Auswirkung hat. Nur: So weit sind wir noch längst nicht! Auch wenn sich das einige so leicht vorstellen. Die haben aber keine Prozesse zu verlieren vor Gericht, die wir alle gegebenenfalls schadensersatzpflichtig zu verlieren haben."

    Allein in diesem Jahr hat der Landkreis Emsland 46 Anträge für Geflügel- und 35 für Schweinemastanlagen genehmigt. Ob das immer rechtens war, bezweifelt Nikolaus Schütte zur Wiek. Er sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im emsländischen Kreistag.

    "Man hat festgestellt, dass in den letzten Jahren rund 80 Prozent der Ställe wohl nicht hätten genehmigt werden dürfen. Da sehen wir ein ganz klares Fehlverhalten seitens des Landkreises. Hier wurde nicht ordentlich genug geprüft."

    Dagegen wehrt sich der Landkreis vehement. Auch er stehe den Agrarfabriken reserviert gegenüber, so Landrat Bröring. Seit einiger Zeit versuchen Dörfer auch auf sein Anraten hin, der Massentierhaltung durch Bauleitplanungen entgegenzuwirken. 25 Kommunen betreiben sie bereits. So hat die Gemeinde Dohren einen niederländischen Investor gestoppt, der dort einen Stall für 16.000 Schweine bauen wollte. Wenn es allerdings um die eigenen Belange geht, tun sich Landwirte in der Region mit dieser Form der Einschränkung schwer. Hermann Bröring:

    "Allein diese Ansage führt ja dazu, dass wieder unzählige Anträge ins Haus flattern. Wo noch jemand sozusagen kurz vor Toresschluss versucht, eine solche rentierliche Anlage auf den Weg zu bekommen. Natürlich gibt es eine Situation, wo man sagen muss: Wie kann man eigentlich eine Steuerung hinbekommen, wenn man nicht eine Überbelastung der Region haben will. Da beginnt das eigentlich rechtliche Problem: das nach wie vor solche Anlagen, und insbesondere wenn es sich um Großanlagen der Industrie handelt mit entsprechenden Kapitalgesellschaften, weil alles was nach Landwirtschaft riecht, privilegiert ist."

    In Surwold hat der Streit um die Massentierhaltung indes zu Konflikten in der Nachbarschaft geführt. Anonyme Schmähbriefe an die Gegner, Attacken gegen die Biogasanlage des Stallbauers. Sandra Papen hofft nun, dass bald die Idylle in ihr Gartencafé zurückkehrt- ohne Stallgeruch.