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Bautzen
Gewalt zwischen Rechten und Flüchtlingen

Die sächsische Kleinstadt Bautzen ist wieder in den Schlagzeilen. In der Nacht waren Flüchtlinge und Rechte aneinander geraten, auch die anrückende Polizei wurde attackiert. Für die Ermittler ist inzwischen klar: Die Gewalt ging von den Flüchtlingen aus. Die Rechten hatten sich vorher im Netz verabredet.

    Mitarbeiter der Sächsischen Sicherheitswacht gehen über den Kornmarkt in Bautzen.
    Mitarbeiter der Sächsischen Sicherheitswacht gehen über den Kornmarkt in Bautzen. (dpa-Zentralbild)
    Laut den bisherigen Ermittlungen standen sich auf dem zentralen Kornmarkt in der Innenstadt von Bautzen rund 80 Einheimische und etwa 20 junge Asylbewerber gegenüber. Nach Angaben der Polizei waren die Einheimischen "augenscheinlich gewaltbereit" und dem "politisch rechten Spektrum" zuzurechnen. Die Menge habe Parolen skandiert, wonach Bautzen und der Kornmarkt den Deutschen gehörten. Aus der Gruppe der Flüchtlinge sollen Flaschen und Steine geflogen sein, daraufhin wurden auch die Asylbewerber angegriffen.
    Der Bautzener Polizeichef Uwe Kilz berichtet, dass die Gewalt von jungen Flüchtlingen ausgegangen sei. Er machte aber auch deutlich, dass sich die Rechten zuvor im Netz verabredet hätten, um dann Flüchtlinge anzugreifen.
    Die Polizei war mit einem Großaufgebot von etwa hundert Beamten im Einsatz, um beide Seiten zu trennen. Aus der Gruppe der Asylbewerber heraus seien die Beamten mit Flaschen, Holzlatten und anderen Gegenständen beworfen worden. Die Polizei wehrte sich mit Pfefferspray und Schlagstöcken. Die Ausländer flüchteten sich in ein Asylbewerberheim, das von der Polizei abgeriegelt wurde, um weitere Übergriffe zu verhindern. Später wird ein Krankenwagen mit Steinen beworfen. Bis in die Nacht überwachte die Polizei das Stadtgebiet.
    Ermittelt wird jetzt wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung. Im Moment wird Videomaterial ausgewertet. Zahlreiche Personalien seien aufgenommen worden, eine Reihe von Personen der Polizei bereits bekannt, hieß es.
    Alkoholverbot und Ausgangssperre
    Bereits am vergangenen Freitag soll es einen ähnlichen Zwischenfall gegeben haben, auch dabei sei die Gewalt zunächst von jungen Flüchtlingen ausgelöst worden. Am Dienstagabend war ein Einheimischer bei einer Auseinandersetzung mit Asylbewerbern durch einen Flaschenwurf verletzt worden. Von den Asschreitungen gestern wurde die Polizei nach eigener Darstellung überrascht. Die Zuspitzung der Lage sei "aus dem Nichts" entstanden. Der leitende Kriminaldirektor Klaus Mehlberg räumte ein, es sei "nicht optimal" gelaufen, was die verfügbaren Polizeikräfte betreffe.
    Als Konsequenz aus den Ausschreitungen will der Landkreis Bautzen jetzt ein Alkoholverbot gegen die etwa 30 in der Stadt lebenden jugendlichen Flüchtlingen aussprechen. Zudem soll für sie eine Ausgangssperre ab 19.00 Uhr gelten. In Bautzen wird bereits seit Wochen über ein allgemeines Alkoholverbot auf dem Kornmarkt debattiert.
    Nach Polizeiangaben war es in Bautzen in den vergangenen Monaten immer wieder zu Konflikten gekommen. Im Februar hatten Schaulustige einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft zugesehen und die Löscharbeiten behindert. Im März war Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch in Bautzen beschimpft und beleidigt worden. Damals hatte er mit Bürgern über die Flüchtlingskrise diskutiert.
    "Neue Qualität der Auseinandersetzungen"
    Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens sieht in seiner Stadt eine "neue Qualität der Auseinandersetzungen". Bei Facebook äußerte er sich "wütend und entsetzt". Er schrieb: "Ich verurteile die Gewalt - und das sage ich in aller Deutlichkeit, unabhängig von wem sie ausgeht - auf das Schärfste."
    Im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur sagte Ahrens, es gebe zwar seit etwa zwei Wochen auf dem Kornmarkt ein Problem mit jugendlichen Flüchtlingen. Auch sei es gelegentlich zu Pöbeleien und Beleidigungen gekommen. Nun aber gehe es um "anderes Level". Um die Situation in den Griff zu bekommen, sollen sich Streetworker um die Flüchtlinge kümmern, Ordnungsamt und Polizei verstärkt auf Streife gehen.
    Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verurteilte die die Ausschreitungen. Er kündigte für die nächsten Tage eine verstärkte Polizeipräsenz an, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.
    Die sächsischen Grünen sprechen von einem Alarmsignal. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, teilte mit: "Die Ereignisse in Bautzen haben erneut gezeigt, wie schnell die Situation eskalieren kann. Die offensichtlich gefestigten rechten Strukturen müssen endlich effektiv bekämpft werden." Die Bautzener Bundestagsabgeordnete der Linken, Caren Lay, sprach von einer "Pogromstimmung" in Bautzen. "Dass gestern so schnell so viele Neonazis zusammen kommen konnten legt den Verdacht nahe, dass dieser rassistische Angriff gezielt geplant war".