Die Entlastung der Organe von Aktiengesellschaften ist genau geregelt: im Aktiengesetz, §120. Die Norm hat vor allem eine symbolische und psychologische Bedeutung. Das heißt, es gibt keine weiteren Folgen. Eine Entlastung bedeutet nicht, dass Aktionäre auf Schadenersatzansprüche verzichten, genauso wenig heißt eine Nicht-Entlastung, dass Ansprüche geltend gemacht werden können oder ein Vorstand entlassen wird, erklärt der Rechtswissenschaftler Christoph Schalast: "Das entscheidet allein der Aufsichtsrat."
Bei einer Entlastung bleibt es Aktionären aber auch frei, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Das geschehe auch immer wieder. "Die Entlastung hat vor allem eine Bedeutung für vertrauensbildende Maßnahmen", so Schalast. "Die Aktionäre in ihrer demokratischen Hauptversammlung geben kund, dass sie in ihrer Mehrheit hinter einem Vorstand und hinter einem Aufsichtsrat stehen."
Baumann muss sich genau erklären
Der Bayer-Chef Werner Baumann müsse nun genau erklären, wie die Prüfung des Monsanto-Kaufs seinerzeit durchgeführt wurde. "Man hat ja von diesen Prozessen gewusst und man hat dieses Risiko eingeschätzt. Auf der anderen Seite sind natürlich unternehmerische Entscheidungen immer notwendig und haben immer ein Risikoelement."
Würde Baumann dennoch nicht entlastet, habe das zwar keine rechtlichen, unmittelbaren Folgen. Aber, so Schalast: "Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Aufsichtsrat einen Vorstand nicht entlässt, der von der Hauptversammlung nicht entlastet wurde. Ich glaube, das folgt automatisch. Entweder man tritt zurück, weil man kein Vertrauen mehr hat von der Mehrheit. Oder aber man muss in Kauf nehmen, dass der Aufsichtsrat einen ablöst. Ich glaube das ist auf jeden Fall ein schwerer Karriereknick."
Konkret käme es auf Baumanns Vertrag an, ein Rücktritt folge sicher nicht am gleichen Tag. Schalast ist sich aber sicher, "wenn keine Entlastung erteilt wird, wird das Konsequenzen haben."
Bisher kein aktiver Dax-Vorstand nicht entlastet
Bisher ist noch jeder aktive Dax-Vorstand entlastet worden. Einzig Carsten Kengeter als Ex-Vorstand der Deutschen Börse wurde einst nach seinem Abtritt nicht entlastet, weil ihm Insiderhandel zur Last gelegt wurde. Die Fälle seien aber nicht vergleichbar, so Schalast, denn der Vorwurf des Insiderhandels berühre das Strafrecht. Der Monsanto-Kauf sei eine unternehmerische Entscheidung.
Wenn man diese nicht mehr treffe, könne man keinen Fortschritt eines Unternehmens mehr durchführen. "Wenn ein Vorstand erklären kann, aufgrund welcher rationalen, nachvollziehbaren Überlegungen, welcher Prüfungen - es wurde ganz bestimmt eine Unternehmensprüfung, 'due diligence', sehr umfangreich durchgeführt - dann kann er das auch rechtfertigen."
"Werden unruhige Hauptversammlungen in Zukunft sehen"
Insgesamt, findet Schalast, nutzen Aktionäre das Instrument der Entlastung oder Nicht-Entlastung noch sehr selten. Das wird sich aber in Zukunft ändern, glaubt er: "Weil Aktionäre ihre Rechte aktiver wahrnehmen, das merkt man. Auch die sogenannten institutionellen Anleger werden aktiver in ihrem Verhalten. Von daher denke ich mir, werden wir doch unruhige Hauptversammlungen in Zukunft sehen."