Jasper Barenberg: 63 Milliarden Euro - so viel wie der Chemiekonzern Bayer hat noch kein deutsches Unternehmen bezahlt, um ein ausländisches zu übernehmen. Ab heute nachmittag ist die Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto dann perfekt, Bayer alleiniger Eigentümer. Vom wirtschaftlichen Nutzen des Geschäfts muss Bayer die Finanzmärkte überzeugen. Überzeugungsarbeit ist aber auch in einer anderen Hinsicht bitter nötig, jedenfalls und vor allem hier in Deutschland, denn für die vielen Kritiker und die vielen Gegner steht der Name Monsanto im Grunde wie kein anderer für die negativen Folgen einer industriellen Landwirtschaft für Menschen und Umwelt. - Am Telefon ist Helmut Schramm. Er ist bei Bayer Geschäftsführer für das Deutschland-Geschäft. Einen schönen guten Morgen, Herr Schramm.
Helmut Schramm: Guten Morgen, Herr Barenberg.
"In einigen Ländern Image von Monsanto nicht so gut"
Barenberg: Herr Schramm, Sie wissen ja seit vielen Jahren um den schlechten Ruf auch von Monsanto bei Naturschützern, bei Umweltschützern. Wie wollen Sie diesen schlechten Ruf jetzt abschütteln? Wie wollen Sie ihn los werden?
Schramm: Ja, es ist in der Tat so, dass in einigen Ländern das Image und die Reputation von Monsanto nicht gut sind. Aber interessanterweise ist das negativ korreliert mit dem Geschäftsumfang. Das heißt: In den Ländern, wo relativ wenig Geschäft getätigt wird, ist der Ruf besonders schlecht und umgekehrt.
Barenberg: Wie erklären Sie sich das?
Schramm: Das mag an einigen Geschäftspraktiken liegen, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden. Aber ich kann nur sagen: Wenn wir die Firma übernehmen, werden wir nach unseren Bayer-Standards die Geschäfte führen. Und Bayer hat ja einen sehr guten Ruf. Wir stehen für Kompetenz. Wir stehen für Qualität und auch für Vertrauen.
Barenberg: Das gilt in dem Maße nicht für Monsanto. Da gab es in den vergangenen Jahren viel Kritik. Das ist ein sehr toughes Unternehmen, was seine Produkte in den Markt gedrückt hat, zum Beispiel Kleinbauern in Abhängigkeit gebracht hat. Dass Bayer jetzt den Firmennamen Monsanto abschafft, ist das auch so etwas wie ein Eingeständnis, dass der US-Konzern in der Verantwortung jedenfalls in der Vergangenheit durchaus einiges falsch gemacht hat?
Schramm: Unser Unternehmen heißt Bayer und wird auch zukünftig Bayer heißen und wir übernehmen die Geschäfte von der Monsanto. Uns gibt es schon seit 150 Jahren und wir haben bewiesen, dass wir Produkte mit hohen Qualitäten haben und dass wir auch im Geschäftsverlauf und im Geschäftsgebaren uns sehr gut darstellen. Und das wird auch zukünftig so sein.
"Programme speziell für Kleinbauern"
Barenberg: Ich will noch mal auf einen der Hauptkritikpunkte eingehen, was Monsanto angeht. Wir hatten heute Morgen Renate Künast, die grüne Politikerin, auch im Gespräch dazu, und sie hat noch mal dargestellt, wie aus ihrer Sicht vor allem kleine Bauern in Abhängigkeit gebracht worden sind durch das Unternehmen Monsanto in seiner Geschäftspraxis:
Renate Künast: "Auch die UN sagt, dass der Zugang zu Land, Wasser und Saatgut das Entscheidende ist und nicht noch zusätzliche Produkte. Wir sehen ja, dass 80 Prozent der Welternährung auf dieser Welt nicht von Großen gemacht wird, sondern von kleinen bäuerlichen Betrieben, und da müssen wir zusehen, dass die Zugang haben und gut wirtschaften können."
Barenberg: Kleinbauern in Abhängigkeit durch Produkte von Monsanto. Was antworten Sie?
Schramm: Jeder Landwirt kann frei wählen, welche Produkte er kaufen will, und das wird auch zukünftig so sein. Speziell für Kleinbauern werden wir Programme fahren. Das heißt, wir bieten Produkte an, die entsprechender Größe sind, sodass diese dann auch diese Betriebsmittel kaufen können. Und in der Tat, es ist wichtig, dass diese Vielzahl von Kleinbauern Zugang zu Betriebsmitteln haben. Das sind dann Pflanzenschutzmittel, das ist Saatgut und dann auch Düngemittel.
Erträge beim ökologischen Landbau "deutlich niedriger"
Barenberg: Es gibt ja die, die ganz kategorisch sagen, eigentlich führt nur der Weg einer ökologischen Landwirtschaft in die Nachhaltigkeit und in eine gute Zukunft. Wir müssen uns verabschieden von Agrarchemie und von Produktion im industriellen Maßstab. Was antworten Sie auf diese Grundsatzfrage?
Schramm: Der ökologische Landbau, der durchaus seine Berechtigung hat, hat den Nachteil, dass die Erträge natürlich deutlich niedriger liegen. Im Schnitt der Kulturen liegen die Erträge dann bei circa 50 Prozent weniger. Und wenn wir das mal am Beispiel von Weizen in Deutschland durchdenken und durchrechnen, würden wir in der Regel 25 Millionen Tonnen Weizen pro Jahr ernten. Wenn ich dann die Hälfte habe, fehlen mir 12,5 Millionen Tonnen. Von den 12,5 Millionen Tonnen Weizen könnte ich 180 Millionen Menschen für ein Jahr ernähren, und das entspricht der Bevölkerung von Deutschland, von Polen und Frankreich zusammen. Das heißt, mit diesen rein ökologischen Anbaumethoden wird es uns nicht gelingen, die zehn Milliarden Menschen zukünftig zu ernähren.
Barenberg: Aber mit immer mehr Chemie wird es dann gelingen? Ist das Ihr Argument?
Schramm: Nein, nicht immer mit mehr Chemie, sondern mit richtig eingesetzten Pflanzenschutzmitteln wird es gelingen, und da sind wir auch Vorreiter für eine Landwirtschaft, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gezielt empfiehlt, um damit dann auch den Einfluss auf den Naturhaushalt zu minimieren.
Nicht nur Landwirtschaft "reduziert Biodiversität"
Barenberg: Mit der Übernahme von Monsanto wird Bayer ja zum weltgrößten Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Wie wollen Sie den Eindruck zerstreuen, dass Ihr Unternehmen in vielen Ländern den Markt allein durch die schiere Größe beherrschen wird und den Landwirten die eigenen Regeln und die eigenen Produkte aufzwingt?
Schramm: Mit dem Zusammenschluss werden wir einen Marktanteil von circa 25 Prozent haben. Das heißt, 75 Prozent des Marktes sind nach wie vor frei und für den Wettbewerb zugänglich. Und es ist auch so, dass man keinen Landwirt zwingen kann, Produkte von einem zu kaufen. Jeder Landwirt hat die Wahl zu entscheiden, welches Produkt er kaufen will, welches Pflanzenschutzmittel oder welches Saatgut.
Barenberg: Wir müssen noch mal kurz auf den Unkrautvernichter Glyphosat zu sprechen kommen. Das ist ja seit Jahren quasi wie ein Symbol für alles, was sich an Kritik auch zusammengesammelt hat. Die Diskussion darüber, ob Glyphosat die Gesundheit gefährdet, die wird bis heute geführt. Es wird bis heute darüber gestritten. Sie bestreiten das natürlich und verweisen auf die strengen Bedingungen für die Zulassung weltweit. Räumen Sie aber ein, Herr Schramm, dass der Einsatz von Pestiziden auch verantwortlich ist für den Rückgang der Artenvielfalt, den wir zur Kenntnis nehmen müssen, und auch durchaus Schäden in der Natur?
Schramm: Wir sprechen nicht von Pestiziden, sondern von Pflanzenschutzmitteln. Es ist durchaus so, dass Landwirtschaft Einfluss nimmt auf Biodiversität. Aber es ist nicht nur die Landwirtschaft. Es sind beispielsweise auch Infrastruktur-Maßnahmen. Es ist beispielsweise auch die Beleuchtungssituation von Städten. Es sind Witterungseinflüsse. Es sind vielfältige Maßnahmen, die Biodiversität reduzieren können. Und da alleine Landwirtschaft verantwortlich zu machen, ist zu kurz gesprungen.
Barenberg: … sagt Helmut Schramm, bei Bayer Geschäftsführer für das Deutschland-Geschäft. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
Schramm: Sehr gerne! - Auf Wiederhören.
Barenberg: Auf Wiederhören.
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