Wer in diesen Tagen für die saubere Energie eintritt, erhält manchmal schmutzige Drohungen. So wie Gudrun Donaubauer, Bürgermeisterin von Hauzenberg in den vergangenen Monaten.
"Wir haben im Rathaus einen Umschlag erhalten, da war eine in einen Plastikbeutel eingewickelte verweste Maus und einen Umschlag mit einer körnigen Substanz, die am Ende noch nicht analysiert ist – das macht das LKA. Wir gehen aber davon aus, dass es kein Zucker war. Und dann habe ich noch eine vakuumierte Maus nach Hause bekommen – und noch einmal eine Sendung mit einem Inhalt, der auch noch in der Untersuchung ist, und deswegen will ich darüber im Detail nichts sagen."
Der oder die Absender sind bis heute unbekannt. Gudrun Donaubauer spricht ruhig und nüchtern über die bedrohliche Post. Die schlanke Frau mit der langen Strickjacke und dem verschmitzten Lächeln sitzt in ihrem hellen Büro, das Votivbild der Mutter Gottes hängt gleich über dem großen Aktenlocher.
Die parteifreie Bürgermeisterin ist die einzige weibliche Rathauschefin im Landkreis Passau – und wohl eine der letzten Kommunalpolitiker im ganzen Freistaat Bayern, die sich noch öffentlich für Windräder einsetzen. Nicht, weil da viel Gewerbesteuer oder sonstige Benefits für ihr Städtchen raussprängen, sondern weil die studierte Regionalentwicklerin davon überzeugt ist.
"In der Bilanz kommen wir eben nur auf eine Energieversorgung aus der Region für die Region von 35 bis 40 Prozent. Und dann ist es aus meiner Sicht nicht vertretbar zu sagen: Den Strom sollen gefälligst andere für uns herstellen."
Und dann wäre da ja auch noch die geografische Lage, hoch über dem Donautal – an der Schwelle zum Bayerischen Wald auf gut 800 Metern.
"Auch wenn Sie weit entfernt sind von Ertragslagen in der Nordsee oder in der Magdeburger Börde oder in der Ostsee."
Vier große Winderäder sind geplant
Auf dem Ruhmannsberg will ein Ökostromunternehmen vier große Windräder bauen. Ein paar hundert Meter entfernt von Hans Knödlseder, einem Mann in Arbeitshosen und schütterem Haar, dessen Gehöft auf einer Waldlichtung steht.
"Wir sitzen jetzt hier und schauen raus auf den Bergkamm – und heute ist ein schöner Tag. Man sieht, das ist das Paradies. Und das wird dann einfach zerstört."
In Hans Knödlseders Paradies wären die vier Windräder Fremdkörper.
"Aktuell spricht man jetzt von 165 Metern Narbenhöhe, 75 Meter Flügel. Das heißt, die Dinger wären so 240 Meter hoch. Wenn man das sieht, wie klein ein Baum ist daneben. Oder wir haben die Hauzenberger Kirche dagegengestellt. Das ist, wie wenn man die in Miniatur sehen würde."
Der selbstständige Maschinenbauer will sich sein Paradies nicht kaputtmachen lassen. Er hat einen Verein gegründet – gegen die vier weißen Giganten – und in neun Monaten nach eigenen Angaben 250 Mitglieder versammelt für seinen Protest.
"Windkraft ja, aber nicht bedingungslos."
Der Kampf um den Windpark von Hauzenberg. Er steht für das Dilemma, in dem sich die regierende CSU nicht nur in Bayern befindet. Auf der einen Seite will sie die Belastung durch Windräder so gering wie möglich halten – auf der anderen Seite doch auch noch mehr fürs Klima tun.
Mit einem Abstandsgesetz will sie die erhitzten Debatten um Windkraftanlagen abkühlen, auf der anderen Seite mutet sie Kommunen und Betroffenen einiges zu, um die Flaute im Ausbau von Windenergie, die nicht nur, aber vor allem in Bayern herrscht, zu beleben.
Es gilt die 10H-Regel für Windräder
Doch zunächst zur Theorie des speziell bayerischen Abstandsgesetzes namens 10H, das besagt: Ein Windrad muss zehnmal so weit entfernt sein von einer Ortschaft, wie es hoch ist. Sandro Kirchner, CSU-Wirtschaftsexperte im Bayerischen Landtag.
"10H ist ein gutes Instrument. Wenn wir uns zurückerinnern an das Jahr 2014 und davor – da war es schon so, dass die Menschen in Bayern sich überfordert, benachteiligt und ein Stück weit erdrückt gefühlt haben von den Windrädern, die entstanden sind. Mit der Abstandsregelung hat sich die Situation bezüglich der Genehmigungen nicht geändert, nur die Spielregeln sind etwas anders ausgelegt worden. Das heißt, bei Kleiner-als-10H ist der Bürger miteingebunden, die kommunale Selbstverwaltung miteingebunden – und damit auch die Akzeptanz gewährleistet."
Genau das stünde demnächst in Hauzenberg an. Hier müsste der Gemeinderat über den Windpark entscheiden, da der Abstand für 10-H zu klein ist. Die Stimmung dazu in der Bevölkerung: Gespalten, sagt diese kleine Umfragestichprobe auf der Marktstraße.
- "Dagegen, weil da alles kaputtgeht."
- "Innerlich bin ich dafür. Wenn man schon Energie braucht und man braucht eine saubere, dann wäre das nicht verkehrt. Aber naja, ich bin nicht selbst betroffen, aber wenn ich betroffen wäre – ich würde das ein bisschen lockerer nehmen."
Genau das ist der Knackpunkt: Vom Windpark an der Gemeindegrenze bekäme in der Stadt selbst kaum jemand etwas mit. Hans Knödlseder betroffenes Gehöft dagegen liegt schon in der Nachbargemeinde – und die darf nicht mitstimmen. Knödlseder befürchtet, krank zu werden, durch den nicht hörbaren Infraschall in der Nähe von Windrädern – ein Phänomen, über dessen Auswirkungen die medizinische Fachwelt derzeit diskutiert.
Was aus dem Windparkprojekt letztlich wird – entscheiden muss der Stadtrat – irgendwann, doch jetzt im Kommunalwahlkampf wolle niemand dieses Thema anfassen, erfährt man. Die anonymen Drohbriefe an die Bürgermeisterin könnten Wirkung gezeigt haben. Windkraftgegner Hans Knödlseder distanziert sich davon.
"Es ist schlimm in einer Demokratie, wenn man da auf dieser Schiene vorgehen muss – ich weiß nicht, wer das gemacht hat, aber das ist nicht in unserem Sinne."
Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer versucht, die Drohbriefe gegen ihr Windkraftengagement sachlich zu sehen.
"Und ansonsten ärgere ich mich ehrlich gesagt über so viel Feigheit. Warum hat der oder diejenige nicht einfach den Arsch in der Hose, ruft an und sagt: Du, das passt mir nicht. Ich will mit dir darüber reden. Wann kann ich kommen oder wann hast du Zeit?"
Die Windkraft und ihre Akzeptanz – überall in Deutschland existieren diese Gordischen Knoten. Nach dem Willen der CSU sollen Kommunalpolitikerinnen wie Gudrun Donaubauer sie zerschlagen, vorausgesetzt, sie trotzen weiterhin dem Gegenwind.