Mit der sogenannten 3+2-Regelung schien plötzlich alles so klar – für Geflüchtete und Betriebe: Eigentlich steht abgelehnten Asylbewerbern eine Duldung zu, wenn sie eine Lehre in Deutschland beginnen – und zwar für die Ausbildungszeit und zwei zusätzliche Jahre. So ist es Praxis. In Bayern allerdings geht man anders vor. Hier erteilen Ausländerbehörden die Ausbildungserlaubnis in vielen Fällen nicht. Denn die sogenannte 3+2-Regelung gilt nur, wenn für den Geflüchteten keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen anstehen. Und diesen Begriff handhaben die Bundesländer variabel. Nadine Kriebel vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
"In anderen Bundesländern ist das zum Beispiel so. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen sind erst dann eingetreten, wenn ein Rückreiseflug gebucht wurde, also ein Abschiebeflug für die betroffene Person. Und in Bayern reicht's eben schon, wenn es eine Aufforderung gibt, den Pass zu beschaffen. Und das passiert häufig auch schon während dem Asylverfahren."
Die Geflüchteten, die abgelehnt wurden, haben also oftmals formal gar kein Zeitfenster, um sich in Bayern für eine Lehrstelle zu bewerben, so der Vorwurf des Flüchtlingsrates. Auch wenn zur konkreten Abschiebung noch Monate oder Jahre vergehen – bleibt ihnen solange eine Arbeit verwehrt. Lothar Semper, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer München-Oberbayern, kennt dieses Vorgehen Bayerns. Und die Verunsicherung bei den Betrieben im Bundesland. Immer weniger seien bereit, Afghanen eine Lehrstelle anzubieten.
"Man wird sich sicherlich in Zukunft dabei deutlich schwerer tun, weil mittlerweile sich das Thema ja auch deutlich herumspricht. Und unsere Ausbildungsmeister wissen, ich muss mich vorher erkundigen, auch Kontakt zu meiner Ausländerbehörde aufnehmen: Kann ich bei dem jeweiligen Fall erwarten, dass derjenige oder diejenige eine Ausbildungserlaubnis bekommt oder nicht."
Viele Stellen bleiben unbesetzt
Die Antworten der Behörde fallen oft negativ aus, so heißt es aus Flüchtlingskreisen und Betrieben. Dabei könnten viele Geflüchtete im Herbst eine Lehre beginnen, sie würden auch gebraucht. Im Handwerk zum Beispiel.
"Lothar Semper: "Wir haben ja bereits jetzt einen nachgewiesenen Fachkräfte- und Auszubildendenmangel. Allein in unserem Kammerbezirk konnten im letzten Jahr etwa 1500 Ausbildungsplätze nicht besetzte werden. Die stehen alle sofort zur Verfügung."
Der Afghane Samir, der in Wirklichkeit anders heißt, wäre bereit, sofort eine Lehre zu beginnen. Sein Schnupper-Praktikum an diesem Tag verlief gut.
"Es war auch ein schöner Tag. Ich habe heute einen Probetag beim Drogeriemarkt gehabt wegen einer Ausbildung. Das war ein ziemlich guter Tag."
Verunsicherung unter jungen Geflüchteten
Die Chefin ließ durchblicken, es könnte was werden mit der Lehre. Der 18-Jährige mit der Hornbrille und dem ruhigen, ernsten Blick hat Hoffnung geschöpft. Er besucht gerade eine Berufsintegrations-Schule in München. Sie bereitet ihn auf eine Ausbildung in Deutschland vor. Die Erfahrungen, die seine Mitschüler machen, stimmen ihn skeptisch.
"Dass die jeden Tag abgeschoben werden, und die keinen Ausbildungsplatz und keine Arbeitserlaubnis und so bekommen, und das bekomme ich jeden Tag mit."
Das bayerische Innenministerium möchte sich ungern zu Einzelfällen äußern - und jeder Fall sei ein Einzelfall. Doch Lothar Semper von der Handwerkskammer warnt die Politik:
"Die jungen Leute sind bei uns im Inland, wir müssen ihnen Perspektiven bieten, wir müssen ihnen Integrationsmöglichkeiten bieten, sonst haben wir in 10, 20 Jahren die gleichen Zuständen wie in manchen französischen Großstädten und ihren Banlieues, was wir natürlich nicht wollen."
Noch überwiegt die Hoffnung bei Samir. Dass er die Lehre bekommt – und die Erlaubnis von der Ausländerbehörde.