Jetzt hängt es also wieder im Eingang der Staatskanzlei, feierlich angebracht von Ministerpräsident Markus Söder: ein braunes Metallkreuz, schlicht und unscheinbar. Aber für jeden sichtbar, der die Staatskanzlei betritt.
Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen kritisiert die Entscheidung des bayerischen Kabinetts scharf:
"Religion ist Privatsache. Und Herr Söder tritt ja abwechselnd irgendwie als Manager, als Kümmerer und neuerdings jetzt anscheinend auch als Missionar auf. Das finde ich höchst fragwürdig und auch dem Symbol des Kreuzes, ehrlich gesagt, nicht angemessen."
Das Kreuz mit dem Kreuz - man sei davon ausgegangen, dass sich die Diskussion nach der Debatte um Kreuze in Schulklassen erledigt hätte.
Zentralrat der Juden: Welchen Sinn soll ein Kreuz haben?
Ähnlich sieht es auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden:
"Im Prinzip habe ich nichts gegen ein Kreuz in Dienstgebäuden. Auf der anderen Seite muss man sich die Frage stellen, dass auch in einem Land, das religiös christlich geprägt ist, auch in Dienstgebäuden Menschen ein- und ausgehen, die eben einen nichtchristlichen Glauben haben. Insoweit frage ich mich, welchen Sinn dann ein solches Kreuz haben soll."
Das Nachdenken über Kreuze in Bayern war zuletzt aktuell geworden, als ein Gericht im oberbayerischen Miesbach das Kreuz abhängen ließ in einer Verhandlung über einen muslimischen Angeklagten. Das Gericht ruderte schnell wieder zurück, aber in Bayern war man irritiert. Würden Kreuze jetzt aus Rücksicht vor dem Islam entfernt?
Vor diesem Hintergrund kann man die Entscheidung des bayerischen Kabinetts verstehen, nachvollziehen können es nur wenige. Zustimmung kommt vor allem vonseiten der Kirchen. Erzbischof Ludwig Schick heute Morgen direkt aus Rom:
"Das Kreuz aufzuhängen und als Zeichen der Einheit, der Versöhnung, des Friedens, der Geschwisterlichkeit, der Solidarität deutlich zu machen, das ist natürlich gut."
"Orientierung für die Staatsregierung"
Es gäbe nur einen Gott, den alle anrufen, ist Schick überzeugt. Das gelte auch für andere Religionen. Man müsse im interreligiösen Dialog erkennen, dass dieser eine Gott alle verbinde, Christen, Muslime, Juden. Auch Prälat Lorenz Wolf, Leiter des Katholischen Büros Bayern, begrüßt die Entscheidung:
"Weil es ja schon so ist, dass es ein Bekenntnis der Staatsregierung ist dazu, dass die Werte, die mit dem Kreuz verbunden werden, auch Orientierung für die Staatsregierung sein sollen, unabhängig davon, dass selbstverständlich die weltanschauliche Neutralität gewahrt werden wird."
Generell halte er von dem Vorschlag viel, so der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm Er begrüße die Entscheidung, dass künftig in allen staatlichen Behörden in Bayern ein Kreuz hängen soll. Es dürfe aber nicht parteipolitisch missbraucht werden.
Opposition: Lieber Nächstenliebe im politischen Alltag vorleben
Genau die Befürchtung haben Politiker aus Niederbayern und der Oberpfalz. Bayern solle eine Heimat für alle sein, unabhängig vom Glauben, meint SPD-Generalsekretär Uli Grötsch aus Waidhaus. Der Grünen-Landesvorsitzende Sigi Hagl aus Landshut erklärt, es würde der christlichen Verantwortung eher gerecht werden, Barmherzigkeit und Nächstenliebe im politischen Alltag vorzuleben.
Der aus Oberammergau stammende Freie-Wähler-Politiker Florian Streibl empfindet die Diskussion eher als lustig:
"In meinem Heimatort Oberammergau ist die Holzschnitzkunst zu Hause und wir als Oberammergauer freuen uns natürlich riesig, wenn wir von der Staatskanzlei hier einen großen Auftrag bekommen."
Spott und Häme kommt vor allem aus den sozialen Netzwerken. Fotomontagen vom Ministerpräsidenten, der statt des Kreuzes Lauch und ähnliches hält, gehören noch zu den harmloseren Reaktionen. FDP-Politiker Christian Lindner erinnert die bayerische Kruzifix-Entscheidung "geradezu an den türkischen Machthaber Erdogan". "Kruzifix-Pflicht in bayerischen Behörden? Die Zeugen Seehofers drehen mal wieder frei", amüsieren sich deutsche Comedians.
Regensburger Studenten gegen Kreuzgebot
Strikt gegen das Kreuzgebot wenden sich vor allem die Studierenden der Universität Regensburg, sehen den Beschluss des Söder-Kabinetts als Entscheidung gegen die Diversität an Hochschulen.
Sie kündigen sogar öffentlichen Widerstand an. Dieser könne auf vielfältige Art geäußert werden, so ein Sprecher. Notfalls können Aktionen bis hin zum zivilen Ungehorsam gehen, "weil wir diese Dinger einfach nicht aufhängen werden."