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Bayern
Neustart am Festspielhaus Füssen

Der König von Bayern, Ludwig II., hatte einst ein Opernhaus in Auftrag gegeben, realisiert wurde es erst 130 Jahre später, gegenüber Schloss Neuschwanstein. Inzwischen gibt es die Spielstätte seit 17 Jahren - aber nicht ohne Komplikationen. Nun scheint das Drama um Ludwigs Festspielhaus vorerst beendet.

Von Susanne Lettenbauer |
    Das Festspielhaus Füssen (Bayern) aufgenommen am 28.04.2016.
    Festspielhaus Füssen (picture alliance/dpa - Karl-Josef Hildenbrand /dpa)
    Ein wenig unwirklich scheint dieser Platz schon, auf dem das Ludwig-Festspielhaus selbstbewusst thront. Etwas außerhalb von Füssen, direkt am See, gegenüber das am Berg gelegene Schloss Neuschwanstein, das sich an ruhigen Abenden gemeinsam mit dem Vollmond im Wasser spiegelt – geschickter hätte man diese bayerische Semperoper im Allgäuer Königswinkel nicht planen können. Alles hier ist Inszenierung. Die Adresse, die in Anlehnung an das Ende von Bayerns Märchenkönig "Im See 1" lautet, die künstliche Halbinsel, die extra für den Bau aufgeschüttet wurde, der kleine Barockgarten, der in den vergangenen Wochen wieder hergerichtet wurde. Ein Haus, ganz im Sinne des weltentrückten bayerischen Königs. Und ebenso wie dieser ein Sorgenkind.
    Neuintendant Florian Zwipf-Zacharia bezog erst im März sein Büro und kennt die wichtigste Aufgabe des neuen Teams:
    "Es muss erst einmal das Image wieder aufgebaut werden. Die Leute müssen erst wieder dran glauben, dass sie, wenn sie eine Karte kaufen, auch etwas bekommen dafür. Zu viele Menschen wurden enttäuscht und sind auf ihren Karten sitzengeblieben, Es wird, das kann ich von mir aus hundertprozentig versprechen, das wird uns nicht passieren."
    Drei-Säulen-System und Gastronomie
    Verbrannte Erde – Zwipf-Zacharia kennt das von seinen Kulturveranstaltungen aus Garmisch-Partenkirchen. Wenn die Besucherzahlen stagnieren droht die Insolvenz. In Füssen soll ihm das nicht passieren:
    "Wir sind der Überzeugung, dass wir auch wirklich ein Konzept haben, mit dem wir das Haus wieder richtig in Schwung bringen können. Wir haben ein Drei-Säulen-System, nach dem wir sehr konsequent alles vorbereiten, planen und gerade noch am Anfang stehen. Nämlich zum einen den richtig gut laufenden Theaterbetrieb."
    Zum anderen eine Gastronomie mit Biergarten und Bar, die ab sofort täglich von Mittags bis Abends für Besucher, Radfahrer und alle Neugierige geöffnet hat, egal ob eine Veranstaltung läuft oder nicht. Und zum Dritten kann das Haus für Hochzeiten, Firmenevents, Gastspiele oder Tagungen gemietet werden. Noch stehe man ganz am Anfang des Neubeginns, sagt der Intendant. Das diesjährige Kulturprogramm stampfte Zwipf-Zacharias in aller Eile aus dem Boden. Das Musical "Sommernachtstraum" zum Saisonstart sorgte erstmal noch für Kritik. Derzeit wird ein Varieté-Programm vorbereitet und ab August soll wieder das Ludwig-Musical Publikum anlocken. Doch auch Kammermusik hat hier eine Zukunft.
    Am 12. Juli spielten bereits das Han Quartett aus Shanghai, das Quatuor Ernest aus Genf und das Quartetto Daidalos aus Mailand nach ihrem Meisterkurs an der Bayerischen Musikakademie Marktoberdorf bei Hatto Beyerle vom Alban Berg Quartett.
    "Die Musik von Wagner, die passt auch einfach in diese Region"
    Dass an diesem Ort Musik von Richard Wagner gespielt werden müsse, steht für das neue Team außer Frage. Die Oper der bulgarischen Hauptstadt Sofia, die bereits unter dem vorherigen Besitzer Wagnerklänge nach Füssen brachte, wollte mit ihrer Tristan-Inszenierung im September kommen, sagte aber kurzfristig ab:
    "Die Musik von Wagner, die passt auch einfach in diese Region und sie gehört zu Ludwig und deshalb ist klar, dass sie hier gespielt wird. Wir haben eine Absprache mit dem Theater Augsburg, dass die mindestens drei bis viermal im Jahr unter dem neuen Intendanten Pücker, da habe ich sehr gute Gespräche geführt, die werden mit dem Neujahrskonzert kommen, mit einer Oper kommen und mit einem Ballett, das soll sich wirklich über die Jahre manifestieren, ohne zu übertreiben."
    Zigtausende Touristen sollten jedes Jahr hierher pilgern, frohlockten Ende der 90er-Jahre die Investoren. Mehreinnahmen von jährlich 30 Millionen Mark erhoffte sich die heimische Wirtschaft. Banken lieferten freudig die Kredite. Gut 40 Millionen Mark kostete allein das Festspielhaus mit der größten Drehbühne der Welt samt Wasserbassin. Weitere 30 Millionen Mark gingen für Produktion und Marketing des erhofften Quotenbringers, des Ludwig Musicals, drauf. Zwei Insolvenzen und eine dritte Pleite später rätselt man, warum sich die Erwartungen in dieser exklusiven Lage nicht erfüllt haben: Und warum es trotzdem noch einmal jemand wissen will:
    "Ich habe mich natürlich vor dem Engagement damit beschäftigt, warum ist das Haus zweimal in die Insolvenz gegangen. Und ich konnte für alle beide Insolvenzen die Ursachen ausmachen, also beim ersten Mal waren es viel zu hohe Baukosten in einem ganz schwierigen Finanzierungsumfeld. Und beim zweiten Mal waren es private Probleme des Besitzers, von daher habe ich schon die Ursachen gefunden und bin jetzt optimistisch, das neue Geschäftsmodell zu umsetzen zu können, dass es nicht noch einmal zu einer Insolvenz kommt."
    Ein Kulturhaus für die Region zwischen Bodensee und Starnberger See
    Investor Manfred Rietzler wirkt solide. Der Geschäftsmann, gebürtig aus dem nahen Marktoberdorf und wohnhaft in Bangkok, sprang im vergangenen Herbst in letzter Minute ein, als niemand mehr an eine Rettung dachte. Anfangs mit einem Geschäftspartner, dem ein Outlet-Center neben dem Theater vorschwebte. Diese Pläne seien passé, ebenso der Geschäftspartner, sagt Rietzler. Der gelernte Elektroingenieur gründete die Smarttrac Group, welche weltweit führend in der Entwicklung sowie Herstellung von RFID-Transpondern, also Mikrochips für biometrische Ausweise ist. Er habe sich hier kein Kindheitstraum als Festspielhausbesitzer erfüllt, betont er, sondern unterstütze die Region. Mit Fixkosten von rund 100.000 Euro ein zu teures Spielzeug. Er sieht deshalb auch den Freistaat Bayern in der Pflicht:
    "Also hier würde man dann schon, wenn der Staat Kunst sehen will, auch die Kunst unterstützen lassen, wenn es geht."
    Füssens Bürgermeister Paul Iacob ist heilfroh, dass das Drama um Ludwigs Festspielhaus vorerst beendet ist. Er sieht in dem repräsentativen Gebäude vor allem ein Kulturhaus für die Region zwischen Bodensee und Starnberger See, zwischen Stuttgart, München und Innsbruck und fordert selbstbewusst:
    "Das muss mit Wagner anfangen oder enden, da gehört Wagner mit hinein, denn das ist der Schauplatz da unten. Wagner gäbe es nicht ohne Ludwig und darum muss ich sagen, hier gehören auch Opernfestspiele her, die gehören nicht nur nach Bayreuth, das ist eine Möglichkeit. Die größere, schönere Möglichkeit haben wir, nachdem wir ein Haus haben, dass König Ludwig bei München bauen wollte und durch Semper die Architektur gefertigt wurde."
    Ein erster kleiner Anfang ist gemacht mit einer 3D-Wagner-Show, täglich 11 Uhr, das gesamte Jahr, in dem mit Bayreuth baugleichen 1.400 Plätze fassenden Zuschauerraum. Geplant sind des Weiteren Open-Air-Veranstaltungen und eine permanente Seebühne. Noch halten sich die Reiseunternehmen zurück und warten ab, ob der neue Investor tatsächlich Erfolg hat. Auch Füssens Tourismuschef Stefan Fredlmeier schwankt auch noch zwischen Begeisterung und Skepsis. Was ihn überzeugen würde und tatsächlich auch vom Investor geplant ist: Ein hochwertiges Vier- oder Fünfsterne-Hotel mit der Adresse "Im See 2".