Selten einmütig über Parteigrenzen hinweg beschlossen die Mitglieder vom Bildungsausschuss des bayerischen Landtags am Donnerstag ihre neueste Errungenschaft. Bildungspolitiker Gerhard Waschler, CSU:
"Das bedeutet konkret, dass über den Bereich der Fachoberschulen oder der Berufsoberschulen die Möglichkeit besteht, eine neue Ausbildungsrichtung zu belegen. Diese Ausbildungsrichtung wäre hier der Bereich der Gesundheit. Dann könnte man mit der fachgebundenen Hochschulreife ohne eine zweite Fremdsprache in der Tat sich bewerben für das Studium der Medizin."
Berufliche Bildung soll gestärkt werden
Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schul- und Bildungsformen ist seit Jahren das Schlagwort vom bayerischen Kultusministerium. Mit dem neuen Gesetz soll nun die berufliche Bildung gestärkt werden, so Waschler. Egal ob der Schüler von der Mittel- also der bayerischen Hauptschule kommt, dort die mittlere Reife absolviert hat, ob er das Abschlusszeugnis der Realschule mitbringt, oder von der 10. Klasse Gymnasium kommt - mit einem Notenschnitt von 3,5 kann sich ab sofort jeder Jugendliche bei der Fachoberschule im Fach Gesundheit einschreiben. An den Modellschulen wie der Fachoberschule Fürstenfeldbruck bei München wird das bereits eifrig genutzt, erzählt Berufsschullehrerin Michaela Aigner:
"Die werden im Gesundheitsbereich schon auf das Medizinstudium vorbereitet, das heißt, sie lernen schon die lateinischen Begriffe, sie lernen, wie der Bewegungsapparat funktioniert, der Verdauungsapparat, auch dort die lateinischen Begriffe. In der Biologie gehen wir vertieft in die Medizin hinein."
Art Vormedizinerausbildung an den Fachoberschulen
Aigner war selbst 17 Jahre lang Krankenschwester. Für die Gesundheitsklassen bietet die Fachoberschule neben einem verstärkten Biologie- und Chemieunterricht zwei spezielle Unterrichtsfächer an: Gesundheitswissenschaft und Interaktion und Kommunikation mit dem Patienten. Im Vergleich zum Gymnasium würden ihre Schüler an der Fachoberschule von Anfang an in eine Art Vormedizinerausbildung starten, sagt Aigner:
"Für die FOS sehe ich definitiv einen besseren Start in das Studium, weil sie am Gymnasium nicht so vorbereitet sind, beziehungsweise keine Praktika gemacht haben. Die Schüler sind in der 11. Klasse drei Wochen im Schulblock und drei Wochen im Praktikumsbetrieb. Das heißt, sie wählen schon ihren Studiengang und ihren Medizinbereich aus und können dort schon, also insgesamt neun Wochen in die Klinik hineinschauen."
Keine Mediziner zweiter Klasse
Ob die FOS-Absolventen des Gesundheitszweiges tatsächlich Chancen an den Universitäten bei der Zulassung zum Medizinstudium haben, wird man erst im kommenden Schuljahr bei den ersten Abschlussklassen sehen. Mediziner zweiter Klassen würden ihre Schüler aber nicht werden, ist Michaela Aigner überzeugt.
Massive Kritik an dem neuen Gesetz kommt von der Bayerischen Landesärztekammer. Präsident Max Kaplan sieht "keinen Grund für diesen Schritt." Die Anforderungen an ein Studium sollten nicht heruntergefahren werden. Diese Gefahr sieht der Dekan der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München Michael Meyer überhaupt nicht.
"Also ich habe davon ja auch erst sehr kurzfristig erfahren, und wenn man das ganz in Ruhe überlegt und versucht, aus der Perspektive der Studierenden und derjenigen, die Medizin studieren wollen, dann finde ich, ist es eine ganz begrüßenswerte Bereicherung beim Zugang zum Medizinstudium."
Man sollte nicht vergessen, so Meyer, dass sich bereits jetzt schon sehr unterschiedliche Bewerberpools um die rund 900 Medizin-Studienplätze in München bewerben: junge Leute, die eine Ausbildung absolviert haben und über den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte den Sprung an die Uni schaffen. Wenn künftig noch die FOSLer dazukommen:
"Ja, wunderbar würde ich sagen! Hier, probiere, zeig, was du kannst, werde erfolgreich, wir unterstützen dich. Mehr kann man da nicht sagen", so Meyer.