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Bayern-SPD startet Kampagne gegen das Betreuungsgeld

Sollen Frauen, die ihr Kind zuhause erziehen, statt es in eine Kinderkrippe zu geben, ein Betreuungsgeld erhalten? Nein, sagt die Bayern-SPD im CSU-Land und stößt zumindest in städtischen Gebieten auf Zuspruch. Die Kampagne hat auch die Bundes-SPD hellhörig gemacht.

Von Michael Watzke | 19.04.2012
    Die Münchner SPD-Wahlkämpferin Bella Bach verteilt glücklich strahlende Kindergesichter. Die Kleinkinder lachen von einer Werbebroschüre mit der Aufschrift "Nein zum Betreuungsgeld".

    "Wir sind von der Bayern-SPD und sammeln Unterschriften für mehr Kinderbetreuung und gegen das Betreuungsgeld. Wenn Du das unterstützen möchtest, würde ich Dich um eine Unterschrift bitten."

    Bei den meisten jungen Frauen ist Bella Bach erfolgreich. Egal ob sie einen Kinderwagen schieben oder keine Kinder haben: In einer Großstadt wie München sehen viele Frauen im Betreuungsgeld eine "Herdprämie".

    "Ich finde es schwachsinnig."

    "Ich halte nichts davon."

    " Ich find es total albern. Weil ich Angst hab, dass Leute
    dann mehr Kinder kriegen, nur um das Geld einzusacken. Wer
    arbeiten will, soll wieder arbeiten gehen."

    Manchmal kommt Bella Bach beim Unterschriftensammeln in seltsame Situationen. Etwa wenn sie eine Frau mit Kopftuch und Kinderwagen anspricht. Eigentlich klassische SPD-Klientel. Aber die junge Migrantin findet das Betreuungsgeld der CSU gar nicht unattraktiv:

    "Betreuungsgeld ist besser. Ich bin zuhause, ich nicht arbeite.""Wir von der SPD sagen, dass es nicht gut ist, wenn Kinder bei ihren Eltern zuhause bleiben. Gerade in so frühen und jungen Jahren. Frauen sollen selbstständig arbeiten, Geld verdienen. Das ist besser für die Kinder, gerade mit Migrationshintergrund. Weil es auch für die sprachliche Entwicklung gut ist.""

    Die Dame mit dem Kinderwagen schaut Bella Bach unter ihrem Kopftuch irritiert an. Was sie dann antwortet, könnte auch aus dem Mund einer konservativen, oberbayerischen CSU-Wählerin stammen. Wenn auch mit anderem Akzent.

    "Mein Kind ist noch klein. Ein Jahr, fünf Monate. Noch zuhause. Und dann warten, bis gehen Kindergarten."

    Eine Unterschrift für die SPD-Massenpetition gegen das Betreuungsgeld bekommt Bella Bach diesmal nicht. Aber insgesamt, sagt die bayerische SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen, laufe die Aktion der Bayern-SPD hervorragend. Vor allem im Internet:

    "Auf Facebook gibt es bereits so viele 'Gefällt-mir'-Klicks in den letzten 72 Stunden, wie sie andere Seiten erst nach Monaten erreichen. Das heißt, die Debatte zieht unheimlich an, deutlich mehr als zum Beispiel damals bei den Studiengebühren. Hier dieses Thema scheint stark zu emotionalisieren."

    Wie sehr das Betreuungsgeld emotionalisiert, merkt man, wenn man mit jungen Frauen aus der CSU spricht. Etwa mit Nuvia Ulze, Ortsvorsitzende der Jungen Union in Bad Tölz und stramme Verfechterin des Betreuungsgeldes. Hier, im tiefsten Oberbayern, ärgert sich die 24-jährige Wirtschaftsstudentin über den Münchner Oberbürgermeister und Betreuungsgeld-Gegner Christian Ude von der SPD:

    "Herr Ude hat den großartigen Vergleich gebracht, dass die Leute, die nicht in die Oper gehen, ja auch keine Opernprämie bekommen als Ausgleich. Da muss ich gar nicht viel zu sagen, damit disqualifiziert er sich selbst. Kindererziehung ist nicht mit Opern vergleichbar. Das ist unsere Zukunft. Das ist das, worin wir jetzt investieren müssen."

    Nuvia Ulze, selbst berufstätig und noch kinderlos, sieht im Betreuungsgeld der CSU eine Maßnahme gegen Zwangsbeglückung mit Staatsknete.

    "Es ist eine Anerkennung an Eltern, die sagen: Ich möchte mein Kind wirklich zuhause behalten. Die aber trotzdem mit ihren Steuern jene Kinder mitfinanzieren beziehungsweise deren Eltern, die 800 bis 1000 Euro Zuschuss vom Staat bekommen für den Krippenplatz. Ich denke nicht, dass irgendwelche Eltern sagen, für diese 100 bis 150 Euro Betreuungsgeld lassen wir unsere Kinder da nicht hingehen. Davon bin ich überzeugt und vertraue den Eltern vollkommen.

    Es lassen sich in der CSU bis heute keine Stimmen finden, die das Betreuungsgeld ablehnen würden. Zumindest nicht offiziell. Anders in der CDU – und in vielen konservativen Verbänden. Seien sie aus der Wirtschaft, der Kirche oder aus dem Sozialbereich. Diesen Schulterschluss betont auch Christian Ude, der Spitzenkandidat der Bayern-SPD für den kommenden Landtagswahlkampf 2013:

    ""Wir in Deutschland müssen jetzt alle Kräfte bündeln – da bin ich mir mit den Kollegen in der CDU im Städtetag und mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern und den katholischen Frauenverbänden vollkommen einig – um endlich die Kinderbetreuung auszubauen. Das ist es, was zur wirklichen Wahlfreiheit der Familien mit Kleinkindern noch fehlt. Da kann man nicht Milliarden irgendwo verteilen. Das ist natürlich bei den Betroffenen sehr populär. Das bestreite ich nicht. Aber es bringt uns in der zentralen Frage der Kinderbetreuung nicht weiter."

    Ude und die Bayern-SPD wollen mit ihrer Massenpetition gegen das Betreuungsgeld vor allem die CSU in Bayern unter Druck setzen. Denn gerade im Freistaat suchen junge Familien händeringend nach Kinderkrippenplätzen. Die Versorgungsquote in Bayern ist die niedrigste in Deutschland. Mancher argwöhnt, das geplante Betreuungsgeld sei eigentlich nur als finanzielles Trostpflaster und Beruhigungspille für jene Eltern gedacht, die ihr Kind gern in eine Krippe schicken würden – aber keine finden. Der Streit ums Betreuungsgeld – er könnte ein Wahlkampf-Thema werden. In Bayern und im Bund. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles soll sich schon neugierig nach der Massenpetition der Bayern-SPD erkundigt haben.