Alle Jahre wieder… o'zapft ist in München, auf dem Oktoberfest. Das Dirndl wird wieder rausgeholt aus dem Schrank, die Lederhosn abgebürstet. Besonders angesagt in diesem Jahr das Lodenhütchen für die Dame. Bayern ist Deutschland und Deutschland ist Bayern in diesen Tagen, egal ob in Berlin auch ein Oktoberfest abgekupfert wird oder nicht. Die einzig wahre Wiesn, die hat nur Bayern. Und die bringt gut eine Milliarde Euro ins Stadtsäckel, so viel, dass manche deutsche Kommune in Restdeutschland sich die Augen reibt. Eine Milliarde Euro für Hotels, Taxifahrer, die U- und S-Bahnen, für die Gaststätten und Restaurants. Aus Berlin kommen sie gepilgert in den kommenden 16 Tagen, aus Hamburg, aus dem Ausland sowieso. Deutschland ist Bayern in diesen Tagen, also könnte es Bayern auch allein, oder?
"Bayern muss unbedingt unabhängig werden", sagt dieser Besucher aus Schottland. "Naja, das ist ein Scherz, aber einmal ernsthaft, ihr hier in Bayern habt doch ein sehr gutes föderales System, das funktioniert einfach besser als bei uns. Ihr habt eine stärkere Wirtschaft. Wir bräuchten auch so ein föderales System mit Wales und Schottland und England. Ich hatte mit Ja gestimmt, Unabhängigkeit ist immer besser."
Die bayerische Brezn, das bayerische Bier, das bayerische Hendl und die bemalten Lebkuchenherzen - spätestens in diesen Tagen zeigt Bayern seine Unabhängigkeit. Hier darf und kann Berlin einmal nicht mitreden. Die weltweit größten freitragenden Festzelte, die haben bayerischen Mittelstandsfirmen aufgebaut.
Laptop und Lederhosn
Die Fahrgeschäfte vor allem der "Oiden Wiesn", jenem gemütlichen, etwas abseits liegenden Traditionsteil, kommen überwiegend aus Bayern. Hier herrscht noch Ordnung, hier ist die niedrigste Arbeitslosenquote Deutschlands, hier wohnen auch die meisten Millionäre, das Geld, das wohnt in Bayern, am Starnberger oder Tegernsee. Auch die besten deutschen Fußballer holt der FC Bayern in den Freistaat, Millionen hin oder her, zur Not erlässt man einem Formel-Chef-Chef noch die Gerichtsverhandlungen, wenn er 100 Millionen ins bayerische Staatssäckel überweist. Das hilft beim Abbau der Schulden, der finanziellen zumindest, der moralischen weniger.
Alle Welt reist alljährlich Ende September nach München, Chinesinnen ziehen chinesische Dirndl an, Australier holen sich eine Lederhosn auf Zeit in der Schwabinger Amalienstraße beim Trachtenverleih. Wir sind Bayern heißt es auf Englisch und Schwedisch und Norwegisch und Irisch. Dass die Mass Bier jetzt über 10 Euro kostet, egal. Bayern ist cool. Laptop und Lederhosn, Milchvieh im Wellness-Stall oder hoch oben auf der Alm.
Der Sepp und der Poldi und der Ferdl und der Gustl, sie sollten endlich für einen eigenen Freistaat unabhängig von Berlin kämpfen, meint Winfried Scharnagel, Alter ego von Franz Josef Strauß selig. Das meint er ernst, aber auch ein wenig augenzwinkernd. Dann hätte sich der Länderfinanzausgleich erledigt, Bayern um die fünf Milliarden Euro reicher, die es abgeben muss an Restdeutschland. Siemens, Audi, BMW, Münchner Rück, Linde - welches Dax-Unternehmen sitzt eigentlich nicht in Bayern?
Bayernpartei konnte Stimmenzahl verdoppeln
Und: Welches deutsche Bundesland hat schon so eine Repräsentanz in Brüssel wie die Bayern, das Schlösschen direkt im Regierungsviertel? Oder in Berlin, in Poleposition. Da bräuchte man noch nicht einmal ein neues Botschaftsgebäude.
"Ich glaube, dass Bayern seine Interessen allein sehr viel besser wahrnehmen könnte, zumal glaube ich, dass die Zukunft für die Menschen und die Völker nicht in einem zentralistischen Europa liegt, sondern small ist beautiful, denn die kleinen Regionen können ihre Interessen besser einbringen, aber kein Mensch ist gegen Europa."
Nein Bayern gehört zu Europa, sagt auch die Bayernpartei. Bei der letzten Landtagswahl konnten Florian Weber und seine Mannen ihre Stimmenzahl gegenüber 2008 mehr als verdoppeln auf 2,1 Prozent, ihr bestes Wahlergebnis seit 1966. Ja mei, das sei zwar nicht so viel, aber immerhin, sagt Weber in seiner Parteienzentrale im Münchner Stadtteil Berg am Laim. Vor der Tür ein Maibaum:
"Ist es nicht vielleicht für Europa auch sinnvoller, wenn wir ein Europa der inneren Erweiterung bekommen, nicht der äußeren, sondern der inneren, dass wir den Weg, den wir gerade gehen, dass Europa immer zentralistischer wird, einmal auflösen?"
Ein Beitrag zu "inneren Erweiterung Europas"
Ein unabhängiges Bayern, ja das wäre ein Beitrag zur "inneren Erweiterung Europas", sagt Weber. Eine Chance für diesen Kontinent, ein Beitrag für den Frieden. In seinem Parteienprogramm zeigen 29 Punkte, wie er funktionieren könnte, ein bayerischer Staat. Bürgerrechte würden gestärkt werden, die Steuern gesenkt, die Waffengesetze nicht verschärft, weil Präventivmaßnahmen das überflüssig machen würden. Volksentscheide wären an der Tagesordnung, die Bundespolizei könnte in Potsdam bleiben, für die innere Sicherheit könnte Bayern selbst aufkommen. Ein Bayerisches Oberstes Landesgericht würde wieder eingeführt werden ebenso ein Senat und ein oben an der Spitze ein Staatspräsident. Bayern, ein freies Land. Selbst eine Staatshymne haben sie schon, die Bayern.
"Klar, warum nicht? Ein unabhängiges Bayern, warum nicht? Wir in Irland wollen auch mehr Unabhängigkeit, zum Beispiel in Cork im Südosten, da wollen wir auch mehr selbstbestimmen. Also warum nicht."
Die Regionen stehen in den Startlöchern. Die Katalanen stimmen im November über ihre Unabhängigkeit ab, Südtirol wartet nur darauf, sich von Italien loszusagen, die Flamen in Belgien, die Korsen auf ihrer Napoleoninsel - was die baltischen Staaten können, das kann Bayern allemal, Estland hat 1,2 Millionen Einwohner, Bayern zwölf Millionen. Bayernparteichef Weber, gleichzeitig Vizepräsident der Europäischen Freien Allianz (EFA) von 40 ähnlich gestrickten Unabhängigkeitsparteien, will nicht von einem Königreich sprechen mit einem neuen Kini an der Spitze, nein Bayern bliebe demokratisch, nur eben eigenständig:
"Kein Mensch redet vom Königreich, das ist immer so ein Vorurteil, es geht um den Freistaat Bayern mit einer 1.500 jährigen Geschichte. Und allein von der Einwohnerzahl, da wäre Bayern der neungrößte Staat."
Bayern kann es auch allein. Wann und wie, das wird man sehen, aber das Referendum in Schottland hat gezeigt, da geht wieder was. Noch sagt das deutsche Grundgesetz No zu einem unabhängigen Bayern. In Großbritannien hieß es das auch lange, jetzt war eine Abstimmung möglich. Also wer weiß, zumindest bis 5. Oktober ist Bayern Deutschland und Deutschland Bayern auf der Wiesn. Mir san mir und was die Zukunft bringt? Schaun mer amol.