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Bayrischen Bibern geht es an den Pelz

Ginge es nach Umweltminister Marcel Huber, sollen Biber demnächst in Bayern - gemäß der 2011 beschlossenen Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung - aus bestimmten Tabuzonen komplett herausgehalten werden. Sein Biber-Abschussplan freut die Landwirte. Naturschützer dagegen sind empört.

Von Susanne Lettenbauer |
    "Ja, der beißt da die ganze Rinde weg, und dadurch gehen die Bäume kaputt. Die Rinde ist von einem auf den anderen Tag weg."

    Verärgert zeigt Bernhard Wieser auf drei angenagte Eichen. Kurz oberhalb des Waldbodens hat der Biber die gut 70-jährigen Bäume fast durchgenagt. Statt wertvollem Nutzholz stehe hier an einem Seitenarm der Isar nur noch Brennholz, schimpft Wieser.

    "Ich habe halt die Schäden da, und die Allgemeinheit hat den Biber. Das ist das Problem. Man kann nichts einzäunen, das müsste man alles einzäunen, aber das geht ja nicht."

    Wenige Meter weiter prangt der beeindruckende Biberbau am Ufer. Drei bis fünf Tiere dürften dort leben, schätzt der bayerische Biberberater Gerhard Schwab. Eine typische Familie, wie es sie flächendeckend in ganz Bayern gibt. Ginge es nach Umweltminister Marcel Huber, würde diese Biberfamilie nicht mehr lange leben. Gemäß der 2011 beschlossenen Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung soll künftig in Tabuzonen jeder Biber gefangen und getötet werden. Diese Tabuzonen müssen jetzt die Landratsämter festlegen oder ausweiten. Der Vorstoß vom Umweltminister konterkariere jahrelange Bemühungen, sagt Christina Margraf vom Bund Naturschutz:

    "Wir haben von dem Schreiben an die Landratsämter erst erfahren, als es schon draußen war. Das heißt, wir waren von dieser Regelung völlig überrascht und überrumpelt ... Wir bekommen Besuche aus anderen Ländern, die sich anschauen, wie wir in Bayern hier Bibermanagement betreiben. Drum ist für uns weder nachvollziehbar noch irgendwie verständlich, warum da jetzt ein Druck aufgebaut wird, der sich aus den Fakten und den Möglichkeiten, die man hat, überhaupt nicht ergibt."

    Rund 14 000 Biber leben mittlerweile im Freistaat. Viel zu viele moniert der Bayerische Bauernverband. Im vergangenen Jahr stiegen die Ausgleichszahlungen für Schäden an Mais, Bäumen oder landwirtschaftlichen Maschinen auf gut 600 000 Euro an, mehr als das doppelte des Vorjahres. Doch am Biber kann das nicht liegen, sagt der Bund Naturschutz. Die meisten Konflikte wurden in der Vergangenheit recht einfach gelöst: Drainagerohre in Biberdämmen, Drahtzäune für gefährdete Bäume, dazu ein Mindestabstand der Felder zu Gewässern. Fünf Meter Uferrandstreifen zwischen Bach und Feld oder Wiese. Diese fünf Meter sind im Bundeswassergesetz vorgeschrieben, fehlen aber im bayerischen Gesetz:

    "Es sollten an Gewässern fünf Metern Uferstreifen ausgewiesen werden. Bayern hat es nicht für nötig erachtet, diese Regelung umzusetzen, weicht davon ab. Das heißt, dass wir de facto in Bayern viel zu wenig Uferstreifen am Gewässer haben und viel zu intensive Nutzung. Dass uns der Biber dann die Finger in die Wunde legt und quasi zeigt, welche fehlerhafte Nutzung am Gewässer ist, das kann ich nicht dem Biber anlasten, sondern das muss ich der Landnutzung anlasten."

    Bis vor wenigen Jahren exportierte der Freistaat die ungewollten Biberfamilien in Länder, die den Biber wieder ansiedeln wollten. Rumänien, Belgien, Spanien, Ungarn, zuletzt sogar in die Mongolei. Doch die Bestände dort seien gewachsen, sagt Biberberater Schwab. Deshalb werden bereits jetzt in Bayern bis zu 900 Tiere getötet, obwohl sie geschützt seien. Die rechtliche Grundlage bildet eine Ausnahmeverordnung. Dennoch glaubt Schwab, dass das Umweltministerium mit dem Vorstoß nicht durchkommt:

    "Wenn sich die gesetzliche Grundlage nicht ändert, dann nicht. Wenn natürlich da was geändert wird, dass man den Biber grundsätzlich freigibt, dann kann es eng werden. Aber dann hat man noch die Möglichkeit, dass man von der EU prüfen lässt, ob die zu lockere Handhabung noch EU-Recht entspricht oder nicht."

    Aufgeschreckt sind die Naturschützer durch den Abschussplan vor allem deshalb, weil sich der Umgang mit Wildtieren in Bayern verschärft: Erst Anfang April wurde ein Luchs im Bayerischen Wald gezielt vergiftet, der Abschuss des Braunbären Bruno ist noch gut in Erinnerung, der Wolf, der im vergangenen Jahr auf bayerischen Almen Schafe riss, wurde wahrscheinlich geschossen, und auch die Forderung der Fischereiverbände nach vermehrtem Abschuss des Kormorans werden immer lauter.

    Dass es jetzt auch dem Biber verstärkt an den Pelz gehen soll, passe in die Umweltpolitik des neuen Umweltministers, lautet ein Fazit aus der Landesdelegiertenkonferenz des Bund Naturschutz vom vergangenen Wochenende. Mindestens zwei Millionen Euro müsse der Freistaat für Wildtiermanagement zur Verfügung stellen, lautet die Forderung. Marcel Huber, zuvor Staatskanzleichef, seit November 2011 Nachfolger von Ex-Umweltminister Markus Söder, fahre einen unnötigen Konfrontationskurs. Als Tierarzt sei ihm der Bayerische Bauernverband näher als die Umweltschutzverbände. Unter ihm dürften es die Wildtiere in Bayern schwer haben.