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BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter
"Die Wirtschaft testet"

BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter sprach sich gegen Produktionseinschränkungen im Rahmen eines Lockdowns aus. In Betrieben werde großflächig gegen Corona getestet. "Die Wirtschaft hat keinen Mangel an Enthusiasmus, die Politik möglicherweise einen Mangel an Wahrnehmung", sagte Kampeter im Dlf.

Steffen Kampeter im Gespräch mit Silvia Engels |
Eine Person mit Gummihandschuhen hält einen Corona-Schnelltest in den Händen
Die Wirtschaft teste, das sei eine gute Nachricht, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände zu Corona-Tests in Betrieben. Man habe in den vergangenen Wochen große Erfolge erzielt, das noch übrige Fünftel zu motivieren zu testen. Kampeter geht davon aus, dass insbesondere im Bereich der Industrie bis Ostern nahezu vollständig getestet werde.

Testangebot ja - Testpflicht nein

"Wir machen ein pragmatisches Testangebot, das die Beschäftigten annehmen können. Sie müssen sich nicht testen lassen, es gibt keine Testpflicht, dazu hat sich die Politik nicht durchringen wollen oder können, ich glaube, das ist auch vernünftig so", sagte Kampeter weiter.
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Der BDA-Hauptgeschäftsführer räumte im Dlf-Interview aber auch ein: Bei kleineren und mittleren Unternehmen gebe es Beschaffungsprobleme, in großen Unternehmen dagegen eher Durchführungsprobleme. "Das, was wir beeinflussen können, das haben wir im Griff", sagte Kampeter.

Tests in der Wirtschaft: Man mache, was man könne

Mit Blick auf die Diskussion über eine mögliche Verpflichtung der Betriebe zum Testen wies er die Kritik von Seiten der Politik zurück. "Die Wirtschaft testet, die Wirtschaft hat keinen Mangel an Enthusiasmus, die Politik möglicherweise einen Mangel an Wahrnehmung", betonte Steffen Kampeter im Dlf. Man mache, was man könne. Kampeter kritisierte, dass die Politik "eine Ersatzhandlung an den Unternehmen vornehmen will, um Handlungsfähigkeit zu zeigen, weil es mit den Umfragen nicht so läuft, weil die Bevölkerung unzufrieden ist."
BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter
BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter (imago / Metodi Popow)
"Ich glaube nicht, dass die Misstrauensbekundungen der Bevölkerung gegenüber der Regierung durch eine Misstrauenserklärung gegenüber den Arbeitgebern beantwortet werden soll", sagte Steffen Kampeter. Er sprach sich zudem gegen Einschränkungen in der Produktion im Rahmen eines Lockdowns aus. "Deutschland in den Lockdown zu schicken, wenn es denn ein totaler Lockdown sein soll, wäre weder verhältnismässig noch sinnvoll - das hilft in der Pandemie nicht."

Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Silvia Engels: Die Zahlen, die wir Mitte März hatten, die habe ich genannt. Wie viele Firmen machen denn mittlerweile mit?
Steffen Kampeter: Wir konsolidieren jetzt gerade unsere Angaben. Die Wirtschaft testet, Frau Engels. Das ist eine gute Nachricht. Sie haben ja gesagt, dass am Anfang über die Hälfte der Betriebe bereits testen oder geplant haben, knappe 30 Prozent nicht testen wollten, weil keiner im Betrieb ist, und wir haben in den vergangenen zwei, drei Wochen, glaube ich, große Erfolge erzielt, dieses übrige Fünftel auch noch zu motivieren zu testen. Ich gehe davon aus, dass insbesondere im Bereich der Industrie bis Ostern nahezu vollständig die in Präsenz befindlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Testangebot erhalten, und ich glaube, dass unsere über 6000 Betriebe, die kleinen und mittleren Unternehmen, die bei Kammern, aber auch bei Arbeitgeberverbänden sich über Tests und Testungen haben schulen lassen, auch im Kleinbetriebsbereich, wo wir die größeren Herausforderungen sehen, sich dem Testen geöffnet haben. Im Übrigen will ich eins sagen: Wir erleben sehr beeindruckende auch kommunale Testzentren. Der Markt ist allerdings so, dass kleinste und kleine Unternehmen derzeit Schwierigkeiten haben, am Markt Testungen zu erhalten. Das ist auch ein Indikator, Deutschland testet. Die Wirtschaft hat keinen Mangel an Enthusiasmus, die Politik möglicherweise einen Mangel an Wahrnehmung.

"Wir haben in der Automobilindustrie sehr große Testerfolge"

Engels: Darauf kommen wir gleich noch zu sprechen. Ich möchte noch einmal die Zahlen durchdringen. Sie sagen, ein Fünftel sei noch kritisch. Das heißt, vier Fünftel der Unternehmen, wo Sie den Überblick haben, die testen tatsächlich oder sind im Begriff, das jetzt sofort aufzunehmen? Ist das richtig?
Kampeter: Sie selbst haben die Zahlen am Beginn der Kampagne genannt. Wir haben ja am Beginn der Kampagne, als wir die Selbstverpflichtung beziehungsweise den …
Engels: Na ja. Da waren die Hälfte der Betriebe noch dabei, keine konkreten Pläne zu haben. Das waren die Zahlen zu Beginn.
Kampeter: Aber wenn Sie gerade mir zugehört haben, habe ich gesagt, wir haben seither ein umfassendes Informationsangebot an viele tausend Unternehmen gemacht. Wir haben eine öffentliche Diskussion gehabt und wir haben auch viele Best-Practice-Beispiele veröffentlicht. Wir haben eine Homepage geschaltet, die Wirtschaft testet. Wir haben einen großen systemgastronomischen Betrieb, der Ihnen Burger anbietet, der all seinen Unternehmen ein Testangebot macht. Wir haben in der Automobilindustrie sehr große Testerfolge. Schon wenige Stunden nach der Selbstverpflichtung haben große Handelsbetriebe zusätzlich Testkapazitäten angekündigt. Ich weiß gar nicht, warum man das nicht zur Kenntnis nimmt und die Zahlen vom Beginn unserer "lasst uns testen"-Kampagne jetzt so tut, als ob dies das Ende ist und der derzeitige Stand. Es waren auch nach den Zahlen lediglich ein Fünftel Unternehmen, die im Fokus waren, und auf die haben wir uns konzentriert. Ich gehe davon aus, dass wir, wenn wir nach Ostern der Bundesregierung die Zahlen vorlegen beziehungsweise die Erfahrungsberichte, ein positives Ergebnis verkünden können.
Aber lassen Sie mich eins noch mal ankündigen. Die Bundesregierung hat uns gebeten, das Monitoring zu machen. Ich finde es etwas seltsam, dass ich jetzt aus der Zeitung entnehme, dass es noch eine Kontrollumfrage gibt. Ein bisschen mehr Zutrauen in private Initiative und Eigentümerverantwortung hätte ich mir auch von dieser Bundesregierung gewünscht.
Engels: Gut! Dann haben wir jetzt die Summe, dass ein Fünftel der Betriebe Ihrer Ansicht nach noch das ist, worüber man ringen muss. Zahlen sind ja wichtig in diesem Zusammenhang.
Kampeter: Worüber wir in den letzten Wochen gerungen haben!

"Es gibt keine Testpflicht"

Engels: Ja! – Zahlen sind ja wichtig in diesem Zusammenhang, denn die Kanzlerin selbst hat ja in ihrer Regierungserklärung vergangene Woche eine Zahl genannt. Sie wollte nämlich 90 Prozent der Betriebe, wenn das nicht erfüllt wäre, dass dort flächendeckend getestet würde, dann käme statt der freiwilligen Selbstverpflichtung eine Pflicht. Werden Sie die 90 Prozent schaffen?
Kampeter: Das ist eine Frage, auf was man das bezieht. Ich glaube, es bringt keinen Erkenntnisgewinn. Wenn Sie allein schon vorhin Zahlen zitiert haben, dass 23 Prozent der Betriebe vollständig im Homeoffice arbeiten, wird ja wohl die Politik nicht allen Ernstes verlangen, dass wir sie für ein Testangebot zurückholen. Wir haben ein paar organisatorische Probleme, wenn Sie das Testangebot durchführen müssen mit Schnelltests. Das will ich offen ansprechen. Wir reden hier im Wesentlichen von Selbsttests und Selbsttestangeboten, die auch schwerlich, wie manche in der Politik fordern, dokumentiert werden können. Der Selbsttest ist ex Definition ein Selbsttest und nicht vor irgendeinem Dokumentationszentrum. Eine 8000er-Schicht eines Industriebetriebes mal eben durchzutesten, das kann ja die Politik objektiv nicht damit erwarten. Wir machen ein Testangebot, ein pragmatisches, das die Beschäftigten dann annehmen können. Oder – das ist ja auch so – sie müssen sich nicht testen lassen. Es gibt keine Testpflicht. Dazu hat sich die Politik nicht durchringen wollen oder können. Ich glaube, das ist auch vernünftig so.
Engels: Das ist das eine Problem, dass Sie natürlich nur die Tests bereitstellen können. Sie können nicht sicher sein, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Angebot annehmen wollen, und eine Rückmeldung über Positivtests erhalten Sie möglicherweise auch nicht.
Wie steht es denn grundsätzlich über die Probleme in der Praxis? Was tritt da auf? Ist zum Beispiel die Logistik das größere Problem, oder die Kosten für die Schnelltests, oder kommt man überhaupt nicht an die Tests heran? Was melden Ihnen da die Firmen zurück?
Kampeter: Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat ja große und kleine Firmen gebeten, gemeinsam mit den drei übrigen Wirtschaftsführungspräsidenten, das Angebot zu machen. Unsere Rückmeldungen an Herrn Dulger und an uns als Organisation sind, wir haben erstens Beschaffungsprobleme bei kleinen und mittleren Unternehmen. Wir haben, sobald es um diese medizinischen Tests geht, auch Durchführungsprobleme. Die sind eher in großen Unternehmen zu vermelden. Und wir haben auch – und deswegen haben wir die Kampagne ja gestartet; nachdem die Politik ja immer nicht vom Testen, sondern vom Impfen geredet hatte und offensichtlich da nicht vorangekommen ist, hat sie ja das Testen entdeckt – auch noch Aufklärungsprobleme. Aber ich glaube, das was wir beeinflussen können, das haben wir im Griff. Tests, die nicht zugelassen sind, dafür ist der Staat zuständig, können wir nicht anwenden, und beispielsweise gibt es jetzt auch aktuelle Lieferprobleme weil ganz Europa angefangen hat zu testen. Darauf waren die Hersteller offenkundig nicht ganz vorbereitet. Auch große Marktteilnehmer - wie die Kommunen - haben großflächig Tests aufgekauft. Da schaut der kleine Handwerker gelegentlich hintenan. Das sind die Probleme aus der Praxis.
Es geht uns nicht gegen das Testen. Wir machen das, was wir können. Es geht uns nur gegen diesen Eindruck, weil es mit den Umfragen nicht so läuft, weil die Bevölkerung unzufrieden ist, dass man jetzt eine Ersatzhandlung an den deutschen Unternehmern und Unternehmerinnen vornehmen will, um Handlungsfähigkeit zu zeigen. Ich glaube nicht, dass die Misstrauensbekundung der Bevölkerung gegenüber der Regierung, die wir gelegentlich spüren, durch eine Misstrauenserklärung der Regierung insbesondere gegenüber den Arbeitgebern beantwortet werden soll.

"Herr Müller, herzlich willkommen im 21. Jahrhundert!"

Engels: Handlungsfähigkeit der Politik ist ein gutes Stichwort. Das Land Berlin ist ja jetzt vorgeprescht mit einem Thema, was nicht nur das Testen angeht, sondern was auch Firmen betrifft. Dort sollen nämlich die Hälfte der Firmen die Büroplätze als Homeoffice anbieten. Kann die Wirtschaft das umsetzen?
Kampeter: Wissen Sie, da habe ich etwas geschmunzelt. Da scheint mir offensichtlich der Herr Müller mit seiner rot-rot-grünen Regierung eher von seinen eigenen Erfahrungen in der Berliner Verwaltung auszugehen. Nennen Sie mir mal bitte ein Unternehmen, wo Homeoffice-flächige Arbeitsplätze vorhanden sind, das nicht weit über diese Quotierung hinausgeht. Die Arbeitsschutzverpflichtung hat ja gesagt, wir müssen jedem etwas anbieten, wo dies technisch möglich ist. Ich kenne keine Beispiele, wo Unternehmen – die haben sich nicht nach einer Quote gerichtet, sondern wo die Unternehmen das mit den Beschäftigten nicht so geklärt haben, wer Homeoffice-fähig ist, der geht auch ins Homeoffice. Sie finden sicherlich ein schlechtes Beispiel. Ich will da keine 100-Prozent-Quote von Zustimmung für uns reklamieren. Aber selbst in Berlin, viele Verbände und Organisationen, da finden Sie keine besetzten Büros. Da finden Sie funktionsfähige Computer, Laptops, mobile Endgeräte zuhause. Herr Müller, herzlich willkommen im 21. Jahrhundert! Wir sind da schon längst voraus!
Engels: Nun gibt es ja auch immer wieder Berichte, die dagegen sprechen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die melden, dass sie nach wie vor in Großraumbüros sitzen müssen, obwohl sie denken, das ginge auch bei Homeoffice.
Kampeter: Zeigen Sie mir das doch mal bitte und dann gehen wir diesen angeblichen Berichten einfach mal nach. Ein richtiges Großraumbüro, wie es früher war, widerspricht den Vorschriften der Arbeitsstätten- und Arbeitsschutzverordnung. Dann gucken wir noch mal. Anekdotische Evidenzen, darauf politische Regulierung aufzubauen, dagegen wehre ich mich ein bisschen. Ich möchte gerne, dass Sie Ross und Reiter benennen, wo gegen Schutz der Arbeitsschutzvorschriften verstoßen wird. Das billigt keiner in der Arbeitgeberorganisation. Das ist contra legem. So arbeiten wir nicht und wir empfehlen auch keinem unserer Mitglieder, so zu arbeiten.
"Wir nehmen die Sorgen um die Virusmutanten ausgesprochen ernst"
Engels: Gut! Dann sagen Sie, das sind Einzelstimmen. Noch kurz etwas zur generellen Corona-Politik. Es wird ja wieder diskutiert, ob man einen härteren Lockdown braucht. Da hat sich Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf am Wochenende geäußert. Er sagte, es wäre ihm lieber, wenn noch mal zehn Tage bundesweit ein harter Lockdown käme und danach man überall öffnen könne, statt jetzt über Monate keine klaren Strukturen zu haben. Wie sehen Sie das?
Kampeter: Ich habe mir das Interview nach den Agenturmeldungen angeguckt und ich interpretiere Stefan Wolf völlig anders. Er hat gesagt, bei dem Durcheinander muss man gucken, welche vernünftigen Wege man sieht, und ich sehe das eher als eine Kritik an der mangelnden Konsequenz der Bundesregierung als eine Aufforderung, weitergehende wirtschaftsbeschränkende Maßnahmen zu machen.
Wir als Spitzenorganisation der deutschen Wirtschaft sagen, da wo es verantwortbar ist, weiter zu produzieren beziehungsweise zu öffnen, unterstützen wir das. Wir haben umfassende Hygienekonzepte gerade in den Industriebetrieben umgesetzt. Wir unterstützen die Bundesregierung auch im Übrigen in der konsequenten Ermahnung, dass man die Abstands- und Distanzregeln einhält. Alle Virologen sagen, dass das das A und O ist. Wir können nicht für das private Verhalten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Verantwortung übernehmen.
Wir ermahnen aber, sich an die Regeln zu halten. Wir nehmen die Sorgen um die Virusmutanten ausgesprochen ernst. Wir spüren allerdings auch, dass die Bevölkerung, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer mehr zweifeln, dass ein ständiger Politikwechsel – und das war ja die Kritik von Stefan Wolf – von den Menschen nicht mehr akzeptiert wird und nicht mehr zu Folgsamkeit führt, wie es manche von der Politik vom Bürger offensichtlich hier einfordern.
Engels: Das heißt, einen strengen Lockdown sehen Sie nicht als Maßgabe?
Kampeter: Was ist denn überhaupt ein strenger Lockdown?
Engels: Mit Ausgangssperren und möglicherweise auch Einschränkungen der Produktion.
Kampeter: Ich glaube, wenn Sie mit Vertretern der Industrie sprechen: Wir haben uns ja gewehrt, im Übrigen Stefan Wolf und andere auch, gegen den überraschenden Oster-Lockdown. Das ist eine falsche Interpretation seiner Worte. Wir sind für die Aufrechterhaltung der Industrie und der Wertschöpfungsketten. Das sind doch diejenigen Leute, die das wirtschaftliche Rückgrat bilden gerade zur Pandemie-Bekämpfung. Sie können doch nicht allen Ernstes glauben, wir werden das alles nur wirtschaftlich ertragen, wenn sie auch noch die Industrie zusätzlich belasten. Die sind genauso wichtig wie diejenigen wertvollen Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind beziehungsweise die in den Verwaltungen notwendige Dienstleistungen machen. Deutschland in den Lockdown zu schicken, das, glaube ich, wäre weder verhältnismäßig, noch sinnvoll, wenn das ein totaler Lockdown sein soll. Das hilft der Pandemie nicht und den Menschen auch nicht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.