Der größte Dachverband der Energiebranche präsentierte sich heute Vormittag vor allem ungeduldig. Es gebe derzeit einen ganzen Stau an energiepolitischen Entscheidungen und die Politik - angesprochen sind hier natürlich die Bundesregierung aber auch die Bundesländer - sollten nun endlich beginnen, die Energiewende aktiv zu gestalten.
Und praktisch als Untermauerung präsentierte der Verband auch eine repräsentative Umfrage, wonach auch innerhalb der Bevölkerung das Vertrauen schwindet. So würden derzeit nur noch 38 Prozent glauben, dass die Politik in der Lage sei, die Aufgaben der Energiewende zu lösen, 53 Prozent hätten da eher Zweifel. Somit habe sich im vergangenen Jahr doch die Stimmungslage gedreht, denn die Skeptiker gehörten 2014 noch zu einer Minderheit.
Derzeit würden Grundsatzfragen für eine Transformation des Energiesystems in Deutschland anstehen - doch egal, ob Kohlepolitik oder auch die Kraft-Wärme-Kopplung, kurz KWK - Entscheidungen würden stets verschoben, so die Einschätzung von Hildegard Müller, der Hauptgeschäftsführerin des BDEW:
"Die energetische Gebäudesanierung ist im Streit zwischen Bund und Ländern erneut kläglich gescheitert. Die Entwicklung eines Heizungs-Checks für Altanlagen ist noch offen. Die KfW-Energie-Effizienzprogramme - offen. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Energieeffizienz-Dienstleistungen ebenso. Und gerade hat Deutschland von der EU-Kommission eine letzte Mahnung erhalten - der Vorwurf: Deutschland habe es bisher versäumt, die EU-Richtlinie zur Energieeffizienz in deutsches Recht umzusetzen. Es gibt somit konkreten Handlungsbedarf."
Energieunternehmen kritisieren fehlende Planungssicherheit
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hat rund 1.900 ganz unterschiedliche Mitgliedsunternehmen. Da sind die großen Versorger der Branche dabei, aber auch viele kommunale, dezentrale Akteure, inzwischen auch viele Start-up-Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen. Und im Mittelpunkt der Kritik steht vor allem eine fehlende oder brüchige Planungssicherheit für Versorger und Investoren. Die Energiewende werde nur mit den Investitionen der Unternehmen gelingen, sagt Hildegard Müller. Doch gebe es inzwischen vielerorts Probleme, so die Hauptgeschäftsführerin:
"Neubauprojekte sind aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit inzwischen zur Disposition gestellt. Diese Probleme haben im Kraftwerkspark alle Beteiligten - insbesondere natürlich die Betreiber von modernen, effizienten Gaskraftwerken, die ja ein wesentlicher Bestandteil der Umsetzung der Energiewende sind. Betroffen ist auch die Kraft-Wärme-Kopplung - hier haben im Vertrauen auf politische Aussagen die Unternehmen eigene und moderne Erzeugungskapazitäten aufgebaut. Nun geraten sie vielerorts in schwierige wirtschaftliche Situationen."
Branche entwickelt sich weiter
Morgen beginnt zudem der BDEW-Kongress in Berlin, der größte Branchentreff in Deutschland. Es wird hier auch einen Ausblick auf die Entwicklungen geben. Auch in der Energiewirtschaft verändere sich derzeit vieles und sehr schnell. Das Stichwort lautet "Industrie 4.0". Hildegard Müller:
"Zum Beispiel im Bereich der Photovoltaik-Anlagen: Nur wenige sind bisher mit einem Energiespeicher im Keller ausgestattet. Viele Energieunternehmen werden in diesem Markt aktiv werden. Sie werden solche Speicher zur Verfügung stellen und sie werden die Elemente auf einer digitalen Plattform vernetzen. Das ist die nahe Zukunft. Die Branche entwickelt sich insgesamt rasant weiter: Bereits auf dem Markt sind neuartige Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Steht der vollgeladene Wagen in der Garage und wird nicht gebraucht, dann kehrt sich die Fließrichtung auf Knopfdruck um, und der Haushalt kann mit Strom aus dem E-Auto versorgt werden. Einzelne Automobilhersteller bieten dies bereits an."
Da ist somit sehr viel Bewegung in der Branche. Es wird vernetzter, es wird auch effizienter in vielen Bereichen.