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Bedeutende US-Autoren
Erzählen mit dem Schrecken der Erkenntnis

Alles ist miteinander verknüpft: So lautet die paranoide Poetik des 1936 in der Bronx geborenen Don DeLillo. Fixsterne in DeLillos literarischem Kosmos sind geheimnisvolle Verschwörungen, Terroristen, absurde Zufälle und entwurzelte Protagonisten. Im Deutschlandfunk sprach er 1998 über seinen Roman "Unterwelt".

Don DeLillo im Gespräch mit Denis Scheck |
    Der amerikanische Schriftsteller Don DeLillo.
    Der amerikanische Schriftsteller Don DeLillo. (picture alliance / dpa / Arno BurgiSebastien Nogier)
    DeLillos Meisterwerk ist der Roman "Unterwelt" von 1997, ein dunkler Spiegel des Kalten Krieges, in dem DeLillo 50 Jahre Zeitgeschichte erzählt: vom Beginn des Kalten Krieges bis in unsere unmittelbare Gegenwart. Serienkiller und Mafiosi, Müllexperten und Landschaftskünstler, Graffitimaler und Bühnenkomiker stellen das Handlungspersonal dieses Romans, aber auch reale Personen wie der FBI-Chef J. Edgar Hoover, Frank Sinatra oder Truman Capote tauchen auf.
    DeLillo erzählt nüchtern wie ein Mathematiker über sie. Doch unterschwellig transportiert seine Sprache ein nervöses Beben, ein Zittern, das aus einem großen Schrecken herrührt. Es ist der Schrecken der Erkenntnis. Keine Heilsgeschichte ist in diesem eigentlich nur 50 Jahre währenden amerikanischen Jahrhundert erkennbar. Keine Zusammenhänge lassen sich ausmachen. Nirgendwo Zeichen einer dirigierenden Hand.
    Nicht der auf Fakten erpichte Chronist
    DeLillos Perspektive ist nicht die eines auf Fakten erpichten Chronisten. Sein Blick bleibt nicht an den großen Ereignissen der Zeitgeschichte hängen, sondern an ihren Nebenprodukten und -schauplätzen, dem Abfall und Müll einer Konsumgesellschaft, den Schutthaufen und Schrottplätzen Amerikas. Sie liefern das reiche Bildprogramm dieses Romans. "Unterwelt" beschreibt die Kehrseite, den Fallout der Geschichte.
    DeLillos subtile Recherche in das, was die USA im Innersten zusammenhält, fördert kein greifbares Ergebnis zutage. Sein Abstieg in das chthonische Reich endet im Cyberspace: "Es gibt weder Raum noch Zeit hier draußen oder hier drinnen ... Es gibt nur Verknüpfungen. Alles ist verknüpft."
    - Über "Unterwelt" habe ich mich mit Don DeLillo 1998 in New York unterhalten.
    Das Werk von Don DeLillo liegt im Verlag Kiepenheuer & Witsch, zum Einstieg empfehle ich Ihnen den Roman "Unterwelt", erschienen in der deutschen Übersetzung von Frank Heibert.
    Das komplette Gespräch können Sie im Audio-Archiv nachhören.